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Horrorgeschichten

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Horrorgeschichten

Insel Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Ein zu Unrecht vergessener Großmeister des Horrors und schwarzen Humors.


Literatur­klassiker

  • Horror
  • Realismus

Worum es geht

Ein vergessener Großmeister des Grusels

Ambrose Bierce ist im deutschen Sprachraum nicht so bekannt wie seine Zeitgenossen Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft. Dennoch stehen seine Horrorgeschichten auf Augenhöhe mit diesen Großmeistern des Grauens. Sie bestechen durch einen knappen, schnörkellosen und höchst suggestiven Stil, der die Grenzen zwischen Hirngespinst und Wirklichkeit effektvoll verwischt und die Abgründe der menschlichen Psyche beeindruckend klar ausleuchtet. Dabei beschränken sich seine Kurzgeschichten nicht auf Horror: Einige sind realistische Darstellungen des US-Bürgerkriegs, in dem Bierce selbst mitkämpfte, andere hingegen höchst absurde Vehikel für seinen berühmten tiefschwarzen Humor. Diese Vielschichtigkeit macht die Sammlung Horrorgeschichten zu einem sehr spannenden und abwechslungsreichen Lesevergnügen.

Take-aways

  • Die Horrorgeschichten von Ambrose Bierce sind Klassiker des Genres.
  • Inhalt: In vielen seiner Kurzgeschichten behandelt Bierce die rätselhaften, absurden und schauderhaften Umstände von Todesfällen, meist brutalen Morden. Viele der Geschichten sind im Süden der USA zur Zeit des Bürgerkriegs angesiedelt.
  • Die Erzählungen gelten als Vorläufer des Psychothrillers, weil sie das Grauen nicht in äußerlichen Phänomenen verorten, sondern in der Psyche der Handelnden.
  • Im Gegensatz zu den Erzählungen von Edgar Allan Poe lassen sich die von Bierce kaum symbolisch deuten.
  • Typisch für die Texte sind unerwartete Wendungen am Ende der Geschichten.
  • Bierceʼ literarische Verarbeitung des Amerikanischen Bürgerkriegs wird heute als wesentlicher Beitrag zur amerikanischen Literatur gesehen.
  • Bierce war mit Literaten wie Mark Twain und Jack London befreundet und inspirierte Autoren wie Ernest Hemingway und Stephen Crane.
  • Seine Zeitgenossen kannten ihn vor allem als Journalisten und Herausgeber.
  • Er ist unter ungeklärten Umständen im Mexikanischen Bürgerkrieg verschwunden.
  • Zitat: „Das Gesicht der Leiche war gelb, abstoßend, scheußlich. Die Augen waren halb geöffnet und nach oben verdreht und das Kinn heruntergesunken, Spuren von Schaum besudelten die Lippen, das Kinn und die Wangen.“

Zusammenfassung

Eine Straße im Mondschein

Joel Hetman junior berichtet, dass er in Yale studierte, als er in seine Heimat Nashville zurückgerufen wird: Seine Mutter ist grausam ermordet worden. Er erfährt, dass der Vater, als er spät nachts von einer Geschäftsreise zurückkam, eine dunkle Gestalt aus seinem Haus huschen sah. Sein Versuch, sie zu verfolgen, blieb ohne Erfolg, und als er das Haus betrat, fand er seine Frau erwürgt vor. Joel bleibt bei seinem verbitterten Vater. Als die zwei eines Nachts im Mondschein auf dem Heimweg sind, bleibt sein Vater plötzlich stehen und deutet entsetzt ins Nichts. Er sieht offenbar irgendetwas, das ihm furchtbare Angst macht. Als Joel kurz abgelenkt ist, ist sein Vater plötzlich verschwunden – und wird nie wieder gesehen. – Ein Mann namens Caspar Grattan berichtet, dass er in der Fremde, unter einem anderen Namen, lebt und sich das Leben nehmen wird. Einst hat er, um die Treue seiner Gattin zu testen, eine Geschäftsreise vorgetäuscht und ist unerwartet nach Hause zurückgekehrt. Da es ihm so vorkam, als ob jemand oder etwas heimlich aus dem Haus schlich, stürmte er hinein und erwürgte seine Frau, rasend vor Eifersucht und überzeugt von ihrer Schuld. Als ihm später auf der Straße ihr Geist erschien, machte er sich entsetzt aus dem Staub. – Ein Medium berichtet über die Erlebnisse der verstorbenen Julia Hetman, die lange auf die Gelegenheit gewartet hat, zu ihren Lieben Kontakt aufzunehmen: Sie hat ihren Mörder in der Dunkelheit nicht erkannt. Als Geist ist sie in jener Mondscheinnacht zu ihrem geliebten Mann zurückgekehrt. Und war erschüttert über dessen Reaktion.

Die Brücke über den Eulenfluss

Auf einer einsam gelegenen Eisenbahnbrücke steht ein Exekutionskommando um einen groß gewachsenen, ehrbar aussehenden Zivilisten. Seine Hände sind auf dem Rücken gefesselt, eine Schlinge liegt um seinen Hals. Ein letztes Mal denkt er an seine Frau und Kinder, bevor ein Sergeant das Todesurteil vollzieht. Der Verurteilte ist Peyton Farquhar, ein wohlhabender Farmer aus Alabama. Als der glühende Sezessionist erfuhr, dass die Yankee-Armee bereits einige Kilometer vor seiner Ranch stand und die Eulenflussbrücke reparierte, entschloss er sich, die Brücke zu sabotieren – und darauf steht die Todesstrafe. Als er nun ins Bodenlose fällt und ihn der Strick zu würgen beginnt, fühlt er plötzlich, dass das Seil nachgibt und er in den Fluss fällt. Der Todeskampf setzt unglaubliche Energien in ihm frei, er entkommt dem Kugelhagel, rettet sich ans Ufer und irrt die ganze Nacht durch das dichte Unterholz, bis er endlich zu Hause ankommt. Seine Frau kommt ihm gerade in der frischen Morgenluft entgegen, als sein Genick nachgibt: Peyton Farquhar baumelt tot am Seil über dem Eulenfluss.

Moxons Herr und Meister

Gerade führt der Maschinenbauer Moxon ein Streitgespräch mit einem Freund über die Frage, ob Maschinen denken können, als sie von Geräuschen aus Moxons Werkstatt unterbrochen werden. Hastig eilt Moxon in die Werkstatt, der Freund vernimmt nur Flüche und Gepolter. Als er zurückkehrt, entschuldigt er sich: Eine seiner Maschinen sei gewalttätig geworden. Das erhöht nur die Zweifel, die sein Freund bezüglich Moxons Geisteszustand hat: Denkt er wirklich, dass Maschinen denken – wie Menschen? Und dass alle Materie belebt ist – auch Pflanzen und Minerale? Schließlich wird es dem Freund zu bunt und er bricht auf. Doch auf dem Heimweg überdenkt er Moxons Worte. Vielleicht ist dieser doch nicht verrückt? Er kehrt um, um das Gespräch fortzuführen. In der Werkstatt findet er Moxon in einer angespannten Schachpartie mit einem Roboter vor – und versteckt sich, um sie nicht zu stören. Als Moxon die Partie gewinnt, erzürnt sich der Roboter so sehr, dass er plötzlich aufspringt und Moxon erwürgt. Sein Freund will ihm zu Hilfe eilen, verliert jedoch das Bewusstsein. Als er im Krankenhaus erwacht, erfährt er, dass Moxon tot und dessen Haus abgebrannt ist.

Der Zwilling

Die beiden Zwillinge John und Henry gleichen einander derart stark, dass nicht einmal ihre Eltern sie zu unterscheiden vermögen. So ist es nicht verwunderlich, dass eines Tages Henry auf der Straße angesprochen und zum Essen eingeladen wird – von einem Arbeitskollegen von John, der die beiden offenbar verwechselt hat. Henry erzählt John davon, und dieser nimmt den Termin wahr und verliebt sich in die Tochter des Gastgebers, Julia. Wenig später sind die beiden verlobt. Eines Tages fällt Henry auf der Straße ein Paar auf; ohne zu wissen, warum, folgt er der eleganten Dame und dem nachlässig gekleideten Herrn diskret – er kennt beide nicht, hat aber trotzdem das sichere Gefühl, dass die Frau ihn erkennen würde. Bald darauf wird ihm Julia vorgestellt – sie ist die Dame von der Straße. Henry lässt sie wissen, dass er ihr Geheimnis kennt und dass er ihre Heirat mit John verhindern wird. Nach diesem Gespräch plagen ihn seltsame Vorahnungen. Eines Abends hört er zwei laute Schreie. Er stürzt aus seinem Haus und läuft wie in Trance zum Haus seines Bruders: Julia hat sich vergiftet und John hat sich selbst erschossen. Jahre später trifft Henry zufällig den Mann, den er mit Julia gesehen hat. Er sieht eingefallen und krank aus. Als der Fremde Henry sieht, verflucht er ihn im Glauben, John stünde vor ihm, bricht zusammen und stirbt.

Chickamauga

Ein sonniger Herbsttag im amerikanischen Süden. Ein Kind entfernt sich immer weiter von dem Anwesen der Eltern, bis es in den Wald gelangt. Es führt ein kleines Holzschwert mit sich, mit dem es heroisch seine eingebildeten Gegner bekämpft. Weltvergessen verfolgt der Junge seine imaginären Feinde immer tiefer in den Wald. Als die gegnerischen Truppen einen Fluss überqueren, springt er ihnen schnell hinterher. Schließlich erkennt er, dass er sich verlaufen hat. Er irrt einige Zeit weinend umher, schläft ein wenig und sucht weiter nach dem Heimweg. Als er auf einer Lichtung eine große Menge kriechender Gestalten entdeckt, ist es bereits Nacht geworden. Es sind Menschen, aber keiner geht auf zwei Beinen. Sie schleppen sich still voran, dem Fluss entgegen. Der Junge versteht nicht. Er findet die grotesk zugerichteten Körper zum Lachen – wie Clowns. Frohgemut führt er seine Kompanie an, doch immer weniger Soldaten können ihm folgen. Sie bleiben tot liegen. Inzwischen ist es heller geworden, ein grell flirrendes Lichtspiel hat sich in einiger Entfernung über den Wald erhoben. Der Junge, der taubstumm ist, entdeckt brennende Hütten und leblose Körper – und erkennt plötzlich sein Elternhaus. 

Ein Grab ohne Boden

John Brenwalters Vater ist ein Trinker und ein nur mäßig erfolgreicher Erfinder. Als er unerwartet beim Abendessen stirbt, überzeugt die Mutter ihre Kinder, dass es ohnehin besser sei, dass er tot sei. Darauf befiehlt sie ihrem Lieblingskind John, den Leichenbeschauer aus dem Weg zu räumen – was dieser folgsam erledigt. Er wird ins Gefängnis geworfen und vor Gericht gestellt, aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Inzwischen wird der Vater im Hinterhof des Anwesens verscharrt. Sein Vermögen wird vom Gericht einbehalten, da die Todesursache ungeklärt bleibt. Die Familie hält sich dennoch über Wasser. Zum Zeitvertreib lockt sie Reisende auf ihren Hof, tötet sie und vergräbt ihre Leichen im Keller. Als die Essensvorräte, die ebenfalls in diesem Keller gelagert werden, immer öfter angebrochen werden, macht sich in der Familie Angst vor den Geistern der Verstorbenen breit. Gerade als sie dabei sind, eine weitere Leiche zu begraben, torkelt eine Gestalt aus dem Zwielicht des Kellers hervor – die Kinder bekommen Angst und trampeln einander auf der Flucht tot. Nur die Mutter und die drei ältesten Kinder überleben. Sie brennen darauf den Hof nieder und ziehen fort. Zehn Jahre später kehrt John zurück und entdeckt, dass das Grab seines Vaters über einer alten Abflussgrube lag. Das Grab ist leer. Sein Vater muss also damals lebendig begraben worden sein, dann in das leere Gewölbe gestürzt und derjenige gewesen sein, der die Kinder damals zu Tode erschreckte.

Hundeöl

Die Eltern von Boffer Bings sind nicht gerade beliebt in ihrer Gemeinde. Die Mutter beseitigt illegal ungewollte Babys, der Vater verkocht jeden Hund, den er in die Finger kriegen kann, zu seinem medizinischen Hundeöl. Schon früh arbeitet Boffer bei seinen Eltern mit. Eines Tages macht er aus Versehen das bei allen Ärzten beliebte Hundeöl noch wirksamer, als er – auf der Flucht vor der Polizei – ein totes Baby in den Siedekessel seines Vaters wirft. Als er seinen Eltern verrät, weshalb das Hundeöl plötzlich eine derartige Qualitätsverbesserung erfahren hat, ahnt Boffer noch nicht, dass er damit ihren Untergang eingeleitet hat. Denn nach dieser Entdeckung kombinieren seine Eltern ihre Geschäftsfelder, lassen die Hunde links liegen und gehen dazu über, Menschen in ihre Raffinerie zu locken. Als die Gemeinde dieses Treiben nicht länger tolerieren will und das Ehepaar Bings dazu auffordert, ihre Fabrik einzustellen, verlieren beide den Verstand. In der folgenden Nacht späht Boffer, düsteren Vorahnungen folgend, durch das Fenster der Raffinerie. Die Öfen laufen nach wie vor auf Hochtouren. Sein Vater bastelt gerade einen Galgen, als seine Mutter mit einem Dolch ins Zimmer tritt. Die beiden prügeln sich wild kreischend und stürzen schließlich beide in das heiße Öl. Boffer Bings zieht es daraufhin vor, umzuziehen. Seine Indiskretion bereut er bis heute.

Das Geheimnis von Macargers Schlucht

In der Nähe von Indian Hill liegt die kaum bekannte, unbewohnte Macargers Schlucht. Im Sommer 1874 entdeckt dort ein Wachteljäger bei seiner Pirsch eine alte verlassene Hütte und beschließt, dort zu übernachten. Er fühlt sich ungewohnt ängstlich, schläft schließlich aber doch ein. Im Traum irrt er in einer fremden Stadt umher und sieht ein Paar: eine junge, kräftige Frau und einen älteren, durch eine Narbe verunstalteten Mann. Es ist noch immer tiefe Nacht, als der Jäger aufwacht. Er hat eine Eingebung, dass das Paar McGregor heißt und die Stadt Edinburgh gewesen sein muss. Da verlischt das Feuer und er hört einen dumpfen Aufprall auf dem Boden der Hütte, Schläge und dann den schrillen Todesschrei einer Frau. Panisch schürt er das Feuer wieder, und obwohl der Boden vor ihm offensichtlich leer ist, tut er die restliche Nacht kein Auge mehr zu. Einige Jahre später trifft er einen anderen Jäger, der ihm berichtet, dass er in jener Schlucht, die ursprünglich McGregor-Schlucht hieß, unter den Dielen der Hütte eine Frauenleiche mit zertrümmertem Schädel gefunden hat. Ihr Mann, der als ihr Mörder galt, wurde hingegen nie wieder gesehen.

Eine Mittelzehe des rechten Fußes

Seit dem Tag, als Mr. Manton seiner Frau und seinen zwei Kindern die Kehle durchschnitt, lebt niemand mehr im Manton-Haus. Es heißt, dass es dort spukt – der Mörder ist nie gefasst worden. Eines Tages betreten vier Männer das Anwesen: die drei Gefährten King, Rosser und Sancher sowie ein düster aussehender Mann namens Grossmith. Rosser und Grossmith wollen hier ein Duell austragen, mit Messern in einem dunklen Raum. Ihr Streit ist tags zuvor entbrannt, als Grossmith die drei Männer respektlos belauschte. Nun, nachdem die Kerze ausgelöscht wird, schleichen sich alle drei heimlich aus dem Raum, um Grossmith einen Streich zu spielen: Sie lassen ihn allein in dem dunklen Haus zurück. Am nächsten Tag besucht der Sheriff mit zwei Gehilfen das Manton-Haus. Sie finden Mr. Grossmith tot in eine Ecke gekauert, körperlich unversehrt, aber mit einem Ausdruck unbeschreiblichen Entsetzens im Gesicht. Sie erkennen in ihm den verschwundenen Manton. Vor ihm im Staub entdecken sie die Fußspuren einer Frau und zweier Kinder.

Der Tod von Halpin Frayser

Halpin Frayser ist in den Bergen auf der Jagd, als er den Weg verliert und in der Wildnis nächtigen muss. Mitten in der Nacht schreckt er auf, nennt den ihm unbekannten Namen Catherine Larue und schläft weiter. Er träumt, er sei in einem albtraumhaften, blutgetränkten Wald gefangen, in dem ihn unsichtbare Wesen anklagen, verhöhnen und zu Tode bringen wollen. Welcher Tat sie ihn beschuldigen, weiß er nicht. Als er seine tote Mutter vor sich sieht, erschlafft sein Körper. Alle Liebe und Zärtlichkeit, die die beiden in Halpins Kindheit verband, ist aus ihren Augen verschwunden. Wild und hasserfüllt springt sie ihn an und erwürgt ihn. Am nächsten Morgen gehen Hilfssheriff Holker und Detektiv Jaralson in die Berge, wo sie einen Mörder stellen wollen, der seine Frau erwürgt hat und nun in der Nähe ihres Grabes haust. Sie finden den leblosen Körper Halpin Fraysers, mit angstverzerrtem Gesicht und tiefen Würgemalen am Hals. Er liegt auf dem Grab von Catherine Larue – jener Frau, deren Mörder die beiden suchen. Da erschallt aus dem Nebel ein dröhnendes, teuflisches Lachen.

Eine Totenwache

Eines Abends debattieren drei Mediziner über die angeborene, irrationale Angst der Lebenden vor Leichen. Während Dr. Helberson und Dr. Mentcher diese These befürworten, fordert sie der junge Harper heraus: Er kenne jemanden, der völlig frei von Angst vor Toten sei und der das sicherlich in einer Wette unter Beweis stellen würde. Dieser Mann, Jarette, nimmt ihre Herausforderung an, eine Nacht in einem verdunkelten, abgeschlossenen Zimmer in Anwesenheit einer Leiche zu verbringen. Doch schon sobald es finster wird, machen sich in ihm erste Zweifel breit. Zu seinem Ärger kriecht in ihm eine abergläubische Angst hoch, die sich durch keinen rationalen Gedanken verjagen lässt. Dieser Zwiespalt wird plötzlich verschärft, als er in der Dunkelheit leise Schritte vernimmt. Am nächsten Morgen finden Helberson und Harper den Ort in heller Aufruhr. Eine Traube von Menschen hat sich gebildet. Jemand ist, von der Polizei verfolgt, aus dem Haus geflohen, und ein anderer Mensch liegt erwürgt in jenem Zimmer. Die beiden Mediziner gehen noch am selben Tag nach Europa. Sie wussten, dass die vermeintliche Leiche in jenem Zimmer nicht echt, sondern von Mentcher gespielt war – offenbar hat dieser Jarette erschreckt und ist von ihm im Affekt erwürgt worden. Doch Jahre später treffen sie in New York zufällig auf Mentcher. Der offensichtlich Irre steht zu seinem Streich – und auch dazu, dass er den völlig hysterischen und aufgelösten Jarette erwürgt hat.

Zum Text

Aufbau und Stil

Horrorgeschichten ist eine Sammlung von elf eigenständigen Kurzgeschichten. Sie drehen sich meist um die rätselhaften, bizarren oder absurden Umstände einzelner Todesfälle, meist Morde. Dabei weisen die verschiedenen Geschichten durchaus unterschiedliche stilistische Schwerpunkte auf. Einige Texte haben einen starken Wirklichkeitsbezug, behandeln etwa (wie Chickamauga) den Amerikanischen Bürgerkrieg und entfalten ihren Schrecken durch die schonungslos realistische Darstellung der Verstümmelung und Misshandlung von Soldaten und Zivilisten oder durch die detaillierte und plastische Beschreibung von Erwürgten (wie in Eine Totenwache). Andere Texte, wie Hundeöl, sind höchst absurde und unrealistische Grotesken, die von tiefschwarzem Humor geprägt sind. Schließlich entsprechen Texte wie Eine Straße im Mondschein den klassischen Formeln von Schauergeschichten, indem sie übernatürliche Phänomene, bizarre Ereignisse oder den Horror des Wahnsinns behandeln. Alle Erzählungen sind in einer sehr modernen, direkten und schnörkellosen Sprache gehalten. Typisch für Bierceʼ Geschichten sind außerdem unerwartete Wendungen am Ende der Erzählungen.

Interpretationsansätze

  • Im Gegensatz zu den Erzählungen von Edgar Allan Poe sind die Horrorgeschichten von Bierce kaum für symbolische Deutungen offen. Sie eröffnen weniger den Blick auf das Übernatürliche als auf eine Vielzahl möglicher Erklärungen und etwas Unbekanntes.
  • Die Horrorgeschichten von Bierce werden auch als Vorläufer des Psychothrillers angesehen, da sie den Schrecken weniger in äußerlichen Phänomenen verorten, sondern eher in der Psyche der Protagonisten, ihren scheinbar grundlosen Ängsten und oft an Wahnsinn grenzenden seelischen Ausnahmezuständen. 
  • Oft weichen in Bierceʼ Geschichten die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit auf. So bekommen unerklärliche Vorahnungen oder Einfälle in Träumen plötzlich unerwartete Bedeutung und Aktualität im Wachleben.
  • Ein weiterer Effekt, den Bierce sehr häufig anstrebt, ist der der Ungewissheit zwischen Einbildung und Realität. Weder der Protagonist noch der Leser vermag oft noch zu unterscheiden, welche subjektiven Wahrnehmungen real und welche Hirngespinste sind.
  • Unbestritten ist die starke autobiografische Komponente vieler Erzählungen. Bierce hat selbst im Amerikanischen Bürgerkrieg mitgekämpft und ihn immer wieder in seinen Geschichten thematisiert. Außerdem leben viele seiner Protagonisten in San Francisco, Bierceʼ Wahlheimat.
  • Ein regelmäßig wiederkehrendes Motiv ist innerfamiliäre Gewalt. Die meisten der beschriebenen Morde sind Beziehungstaten, in denen Männer ihre Partnerinnen töten. Ausnahmen sind Ein Grab ohne Boden, in der die Frau ihren Gatten ermordet, oder Der Tod von Halpin Frayser, wo die Mutter ihren Sohn erwürgt.
  • Häufig zeigen die Geschichten einen Widerspruch zwischen Ideal und Realität auf. Etwa in Chickamauga, wo die zu Textbeginn wiedergegebenen heroisch-idealistischen Beschreibungen des Krieges im weiteren Verlauf des Geschehens durch die brutale Realität des Schlachtfelds konterkariert werden.

Historischer Hintergrund

Der Amerikanische Bürgerkrieg

Als der Republikaner Abraham Lincoln im November 1860 die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen gewann, brach eine bereits länger schwelende Debatte über den Status der Sklaverei in einen offenen gesellschaftspolitischen Kampf aus. Im Winter 1860/61 spalteten sich sieben südliche Bundesstaaten, die die Sklaverei befürworteten, von den USA ab: Alabama, Florida, Georgia, Louisiana, Mississippi, South Carolina und Texas. Die sechs Erstgenannten gründeten die Konföderierten Staaten Amerikas, hoben eine Armee aus und begannen im April den Krieg mit den USA. Nun schlossen sich erst Texas, dann auch auch Arkansas, North Carolina, Tennessee und Virginia den Separatisten an. Die Konföderierten Staaten, deren Präsident Jefferson Davis war, wurden international weder anerkannt noch unterstützt. Deshalb war ihr Stand gegen die hochindustrialisierte und viel größere Union von Beginn an schwer. Trotzdem dauerte der Bürgerkrieg vier Jahre, kostete rund 700 000 Menschen das Leben und zerstörte im Süden, wo die Kampfhandlungen stattfanden, einen Großteil der Infrastruktur. Im April 1865 kapitulierten die Konföderierten Staaten. Damit begann die Ära der Rekonstruktion, die bis 1877 dauerte. Die Union verwaltete in dieser Zeit die besiegten Staaten, baute sie wieder auf und schaffte die Sklaverei ab.

Entstehungsgeschichte

In den 1880er-Jahren wurde Ambrose Bierce zu einem der bekanntesten Journalisten der US-amerikanischen Westküste. Er war berühmt-berüchtigt für seine zynischen und bissigen Kommentare des politischen Zeitgeschehens und publizierte in den angesehensten Zeitschriften San Franciscos. Ab 1887 schrieb er für William Randolph Hearsts San Francisco Examiner eine regelmäßige Kolumne, die er zur Veröffentlichung seiner Essays und Kurzgeschichten nutzte. Obwohl diese literarische Seite einem Großteil seines Publikums eher unbekannt war, hatte Bierce zu diesem Zeitpunkt bereits drei Werke veröffentlicht und Kontakte zu so bekannten Schriftstellern wie Jack London oder Mark Twain geknüpft. Seine einflussreichsten und bekanntesten Kurzgeschichten schrieb er aber in dem äußerst kurzen und höchst kreativen Zeitraum zwischen 1888 und 1891.

Die meisten dieser Texte erschienen zunächst im San Francisco Examiner, bevor sie in den beiden Sammlungen Tales of Soldiers and Civilians (1892) sowie Can Such Things Be? (1893) in Buchform erschienen. So gut wie alle Texte der Sammlung Horrorgeschichten erschienen in diesen beiden Büchern, wobei die genaue Zuordnung der einzelnen Texte schwierig ist: Bereits zu Bierceʼ Lebzeiten wurden seine Werke immer wieder neu aufgelegt, jedoch unter veränderten Titeln oder in neuen Zusammensetzungen. Obwohl Bierce selbst zwischen 1909 und 1912 seine Collected Works in zwölf Bänden herausgab, blieb seine Rezeption, insbesondere im deutschen Sprachraum, sehr fragmentarisch. So ist auch das Buch Horrorgeschichten lediglich eine Zusammenstellung von Auszügen aus anderen Sammelbänden.

Wirkungsgeschichte

Die Werke von Ambrose Bierce wurden zunächst kritisch aufgenommen. Das Publikum empfand seine makabren Geschichten, vor allem seine realistischen Darstellungen von Gewalt und Verstümmelung, als schockierend. Seine Kurzgeschichtensammlung A Tale of Soldiers and Civilians fand keinerlei Unterstützung vonseiten der großen Verlagshäuser und musste mit der finanziellen Hilfe eines Freundes von Bierce selbst herausgegeben werden. Sie erschien im Frühjahr 1892. Auch wenn der schnelle Erfolg ausblieb, gegen Ende der 1890er-Jahre mehrten sich die positiven Kritiken. So berühmte Literaten wie Ernest Hemingway, Stephen Crane oder H. P. Lovecraft lobten Bierceʼ Arbeiten.

Die Brücke über den Eulenfluss ist heute eine der bekanntesten und am meisten rezipierten Kurzgeschichten der amerikanischen Literaturgeschichte. Sie wurde mehrmals verfilmt, unter anderem 1959 im Rahmen der von Alfred Hitchcock präsentierten und produzierten Serie Alfred Hitchcock Presents und 1964 als eine der letzten Episoden der amerikanischen TV-Serie The Twilight Zone. In New York produzierte Lorin Morgan-Richards 2001 das Theaterstück An Occurrence Remembered, das die beiden Texte Die Brücke über den Eulenfluss und Chickamauga miteinander verwob.

Besonders oft rezipiert wurde die bewegte Lebensgeschichte und charismatische Persönlichkeit von Bierce selbst, etwa in dem Buch Gringo Viejo von Carlos Fuentes, das 1989 als Old Gringo verfilmt wurde, mit Gregory Peck in der Rolle von Bierce. Fiktionalisierte Versionen der Person Ambrose Bierce erschienen in TV-Serien, Kinofilmen und zahlreichen literarischen Werken, etwa von Oakley Hall, Gerald Kersh oder Winston Groom. 2002 erschien sogar eine Saint Ambrose betitelte Oper von Rodney Waschka II. Ambrose  Bierce gilt als Vorzeigeliterat für Kurzgeschichten und als Mitgründer und wichtiger Vertreter der englischsprachigen Horrorliteratur, die vor allem durch die Autoren Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft geprägt ist. Auch seine literarische Verarbeitung des Amerikanischen Bürgerkriegs wird als eine der gelungensten und kritischsten Auseinandersetzungen mit dem Thema Krieg gelobt.

Über den Autor

Ambrose Bierce wird am 24. Juni 1842 in der Nähe des Flusses Horse Cave Creek in Ohio geboren und wächst in Indiana auf. Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Schon früh verlässt er seine Eltern, um Buchdruck zu lernen. Zu Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs schließt er sich freiwillig der US-Armee an. Kurz nachdem er in der angesehenen Militärakademie West Point aufgenommen wurde, erleidet er in der Schlacht von Kennesaw Mountain im Sommer 1864 eine schwere Kopfverletzung und wird Anfang 1865 aus dem aktiven Armeedienst entlassen. 1866 nimmt er als Landvermesser an einer Expedition teil, die ihn nach San Francisco führt, wo er sich für den Großteil seines restlichen Lebens niederlässt und sich als Journalist und Herausgeber einen Namen macht. 1871 heiratet er Ellen Day. Das Ehepaar verbringt die nächsten drei Jahre in England. Aus der Ehe gehen drei Kinder hervor, doch nur das jüngste überlebt seinen Vater. 1888 trennt sich das Ehepaar Bierce, die offizielle Scheidung findet aber erst 1904 statt. Seine Kriegsverletzungen sowie chronisches Asthma plagen Bierce das restliche Leben. Obwohl er Horrorgeschichten, Erlebnisberichte aus dem Bürgerkrieg sowie einige Bände grotesker Poesie veröffentlicht, wird er von seinen Zeitgenossen hauptsächlich als Journalist wahrgenommen. Er gilt als pessimistischer und sarkastischer Beobachter des Zeitgeschehens und ist unter Zeitgenossen auch als „Bitter Bierce“ bekannt. Heute gilt er als Vorreiter des literarischen Realismus und wird als einer der Großmeister des Grusels neben Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft verehrt. Mysteriös ist sein Lebensende: Bierce verschwindet Ende 1913 spurlos in Mexiko, nachdem er dorthin gereist ist, um die Mexikanische Revolution mitzuerleben, und sich der Armee Pancho Villas als Beobachter angeschlossen hat. Als wahrscheinlich gilt, dass er im Januar 1914 in der Schlacht von Ojinaga umgekommen ist.

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