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Hyperion oder der Eremit in Griechenland

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Hyperion oder der Eremit in Griechenland

dtv,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
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Was ist drin?

Hyperion schreibt sich seinen Traum von einer besseren Welt von der Seele. Einer der poetischsten Romane der Weltliteratur.


Literatur­klassiker

  • Briefroman
  • Romantik

Worum es geht

Sehnsucht nach einer besseren Welt

Alle Jahre wieder geht er um wie ein Virus: der Wunsch, alles stehen und liegen zu lassen, auf dem Jakobsweg zu wandern oder mit dem Segelboot die Welt zu umrunden. Ob bewusst oder nicht: All die Zivilisationsmüden treten in die Fußstapfen des griechischen Einsiedlers Hyperion, erfunden von Friedrich Hölderlin. Hyperions Lebensgeschichte ist Hölderlins literarische Anklage gegen das spießbürgerliche, dumpfe und materialistische Deutschland seiner Zeit, das ihm als Künstler und Idealisten kaum Luft zum Atmen ließ. Seine Sprache war schon damals gewöhnungsbedürftig und ist es heute erst recht: Da „säuseln holdselige Tage“, es neigen sich „lispelnde Bäume“ und es „gährt das Leben“. Doch die Fragen des lange verkannten Genies sind nicht aus der Welt: Wie kann der Mensch seine Vereinzelung überwinden? Auf welchem Weg eine bessere Welt schaffen? Und wie im Einklang mit der Natur leben? Das antike Griechenland mag heute als Vorbild ausgedient haben, aber die Suche nach Antworten auf diese Fragen bleibt aktuell.

Take-aways

  • Hyperion ist der einzige Roman des berühmten Lyrikers Friedrich Hölderlin.
  • Inhalt: Der Grieche Hyperion erzählt seinem deutschen Brieffreund Bellarmin in 60 Briefen sein Leben. Er erinnert sich an einen treuen Begleiter und an seine große Liebe Diotima und daran, wie er beide verlor. Nach der Teilnahme an einem Aufstand gegen die Osmanen hat Hyperion seine Hoffnung auf die Wiederauferstehung des antiken Griechenlands begraben und sich als Einsiedler in die Natur zurückgezogen.
  • Der Roman handelt von der Sehnsucht nach einer anderen, von platonischen Idealen inspirierten Welt.
  • Hyperion scheitert mit seiner Vision, überwindet aber sein Schicksal mithilfe der Dichtung.
  • Die Handlung spielt vor dem Hintergrund des griechischen Aufstands gegen die Türken im Jahr 1770.
  • Zugleich lässt sich Hyperion als Gleichnis für die Nachwehen der Französischen Revolution lesen.
  • Mit der Figur der Diotima setzte Hölderlin seiner Liebe zur verheirateten Susette Gontard ein literarisches Denkmal.
  • Hölderlin hatte zu Lebzeiten nur mäßigen Erfolg. Seine zweite Lebenshälfte verbrachte er in geistiger Umnachtung.
  • Im 20. Jahrhundert wiederentdeckt, gilt er heute als einer der größten deutschen Lyriker und als Vorläufer der Romantik.
  • Zitat: „Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.“

Zusammenfassung

Briefe aus der Einsamkeit

Der Einsiedler Hyperion schreibt seinem deutschen Freund Bellarmin aus der selbst gewählten Einsamkeit einer Waldhütte. Er lebt auf einer griechischen Insel, geht ab und zu fischen und füllt seine Briefe mit Erinnerungen. Diese beginnen mit der Beschreibung seiner glücklichen Kindheit auf der Insel Tina. In dem reisenden Bildhauer Adamas findet er als Jugendlicher einen Freund und Lehrer, der ihm die immer dringenderen Fragen nach dem Wesen der Welt beantwortet. Adamas führt Hyperion in die Welt der Antike ein, lehrt ihn Mathematik und ein Verständnis der Natur. Dann aber zieht es den Lehrer weiter zu einem Volk in der Tiefe Asiens, von dem er gehört hat und das ihn magisch anzieht.

„O hätt’ ich doch nie gehandelt! um wie manche Hoffnung wär’ ich reicher!“ (S. 12)

Hyperion wird es auf Tina zu eng. Er will hinaus in die Welt. Auf Anraten seines Vaters geht er nach Smyrna, um Kriegskunst, Verfassungen, Sprachen, Sitten und Meinungen anderer Völker kennen zu lernen und das Beste für sich auszuwählen. Hyperion liebt die Natur und die Stätten der antiken griechischen Zivilisation in und um Smyrna. Doch er verabscheut die Kultur und die Menschen im gegenwärtigen Griechenland, das von den Osmanen besetzt ist. In dieser Stimmung trifft er Alabanda, einen hochgewachsenen, stolzen Mann, der aus der Masse heraussticht. Die beiden verbindet bald eine innige Freundschaft. Sie verreisen gemeinsam, genießen eng umschlungen die Natur und beklagen die Schandtaten und das himmelschreiende Unrecht ihrer Zeit. Alabanda hat eine unglückliche Jugend hinter sich. Das Schicksal hat ihn in die Welt hinausgetrieben, und er ist dabei rau und wild geworden. Doch sein Herz, das spürt Hyperion, ist voller Liebe. Angesichts ihrer starken Gefühle schöpfen sie beide Hoffnung und schwören, gemeinsam ihr Vaterland zu retten. Nur wie? Der schwärmerische Hyperion meint, der Staat sollte die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen ihre herrlichen Eigenschaften entfalten können. Alabanda verzieht bei diesen Worten spöttisch den Mund. Er macht seinen Freund mit drei Männern, düsteren Gestalten bekannt, die angeblich nicht reden, sondern handeln. Sie möchten aufräumen auf Erden und „das Unkraut an der Wurzel fassen“. Hyperion traut ihnen nicht. Er hält sie für Betrüger und kann nicht begreifen, was Alabanda mit ihnen zu schaffen hat. Die beiden gehen im Streit auseinander, und Hyperion kehrt voller Gram nach Tina zurück.

Himmlische Liebe

Trotz seiner Jugend ist er ein gebrochener Mann. Die Flamme in seinem Innern ist erloschen, und auch an der Natur hat er keine Freude mehr. Doch dann wird es Frühling, und ein Funken der alten Leidenschaft flammt wieder auf. Hyperion schreibt Alabanda mehrere Briefe, erhält aber keine Antwort. Nun versinkt er völlig in dumpfem Brüten. In seiner dunkelsten Zeit erhält er eine Einladung von seinem Bekannten Notara, der auf der Insel Kalaurea wohnt. Während der Überfahrt an einem strahlenden Apriltag geht Hyperion das Herz auf. Auf der Insel liegen Weinberge und Zitronenhaine unter dunklen Fichtenwäldern. Ein lieblicher Duft von Kräutern liegt in der Luft. Die Menschen sind freundlich, die Kinder friedlich und glücklich. Hyperion glaubt sich im Himmel, so sehr fühlt er sich von Schönheit durchdrungen.

„Eines zu seyn mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen.“ (S. 13)

Am Fuß des Berges, auf dem Notara wohnt, lebt die schöne Diotima mit ihrer Mutter und ihrem Bruder. Kaum sieht Hyperion sie, ist es um ihn geschehen. Das Mädchen erscheint ihm vollkommen, ja geradezu heilig. Jede zufällige Berührung lässt ihn vor Wonne erzittern. Hyperion bestürmt Diotima mit seinen Schwärmereien, seinen Zweifeln, seinen Höhen und Tiefen – und sie tut nichts weiter, als ihm mit ihrer genügsamen Art und stillen Weisheit Halt zu bieten. Wenn er in ihrer Gegenwart mit Freunden über Themen wie Liebe und Freundschaft spricht, begreift sie sofort, was er meint. Als er ihr von seinem Leben erzählt, kommen ihr die Tränen. Diotima versteht Hyperions Sehnsucht nach einer idealen Welt, und sie spürt, dass er daran zerbrechen wird. Hyperion bittet sie, ihm zu helfen. Aber Diotima nennt ihn einen Heuchler: Sie allein werde ihm nie genügen, was er wolle, sei die ganze Menschheit.

Wallfahrt nach Athen

Die beiden sehen sich eine Woche lang nicht. Hyperion ist unruhig, wie von unsichtbarer Hand fühlt er sich zu Diotimas Haus getrieben. Dann erblickt er sie unter den Bäumen, wo er sie zum ersten Mal gesehen hat. Er glaubt zu träumen. Entzückt fallen die beiden sich in die Arme. Als sie sich an diesem Abend trennen, sind sie sich ihrer Liebe sicher. Die Stärke ihrer Empfindungen macht Diotima Angst. Sie spürt, dass sie nicht mehr im Einklang mit den Jahreszeiten und der Natur lebt wie zuvor, dass all das in ihre Liebe zu Hyperion übergegangen ist. Eines Tages beschließen die beiden, mit ihren Freunden nach Athen zu reisen. Während der Überfahrt diskutieren sie darüber, was die Athener so groß gemacht hat. Das Klima? Kunst und Philosophie? Religion und Staatsform? Die Athener seien von Kriegen und Gewalt weitgehend verschont geblieben, meint Hyperion, und darum zu echten, schönen und gottähnlichen Menschen herangewachsen. Die göttliche Schönheit habe Kunst und Religion geboren. Die menschlich-göttliche Schönheit, so Hyperion, zeige sich vor allem in den Gegenständen der Kunst, die Menschensinn und Menschengestalt hätten – im Gegensatz zum Übersinnlichen und Schaurigen der Ägypter oder Goten. Der Sinn für Harmonie und das Wesen der Schönheit schließlich hätten aus Dichtern Philosophen werden lassen, und nicht etwa bloße Vernunft und reiner Verstand, denen die Völker des Nordens huldigten.

„Die rauhe Hülse um den Kern des Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher Früchte und Blumen.“ (S. 43)

Die Reisegesellschaft erreicht die Küste vor Attika. Während Hyperion den steilen Berg vor Athen hinaufgeht, fesselt ihn der Gedanke an die Einheit von Mensch und Natur im antiken Athen immer mehr. Umso bestürzter ist er beim Anblick dessen, was davon übrig geblieben ist: nackte, verwaiste Säulen und gähnende Leere. In ganz Europa seien die Schätze verstreut, sagt einer seiner Begleiter bitter. Hyperion tröstet sich mit dem Gedanken, dass er die verlorene Herrlichkeit der Antike in seiner Liebe zu Diotima wiederfindet. Doch diese lässt es nicht dabei bewenden: Hyperion solle sich der armen Menschen seiner Gegenwart annehmen, sie mit seinem Feuer anstecken, sie erziehen und in die Freiheit führen. Um die dafür notwendigen Fähigkeiten zu erlernen, solle Hyperion für ein paar Jahre ins Ausland gehen.

Aufbruch in den Krieg

Kurz darauf erreicht Hyperion ein Brief von Alabanda: Russland hat den Osmanen den Krieg erklärt, worin Alabanda die Chance sieht, Griechenland von der türkischen Herrschaft zu befreien. Er bittet seinen Freund, sich den Aufständischen anzuschließen. Von den Spießgesellen aus Smyrna habe er sich getrennt. Hyperion ist Feuer und Flamme. Doch Diotima erblasst vor Schreck und rät ihm ab: Er sei nicht für Krieg und Gewalt geschaffen. Das Gemetzel werde ihn innerlich zerreißen und ihm seine Ideale nehmen. Aber Hyperion will nicht auf sie hören. Er ist überzeugt, dass er sein Vaterland mit dem Schwert befreien muss. Seine Geliebte fügt sich, leidet aber unter bösen Vorahnungen. Am Tag des Abschieds schließen die Liebenden mit dem Segen von Diotimas Mutter einen feierlichen Bund. Hyperions überschwängliche Art wirkt fehl am Platz, Diotima ist wie erstarrt. Am Ende schwören sie, einander während der Trennungszeit in den Sternen zu erkennen.

„Was ist alles, was in Jahrtausenden die Menschen thaten und dachten, gegen Einen Augenblick der Liebe?“ (S. 76)

Hyperion reist direkt über den Peloponnes hinab zum Lager Alabandas. Seinen Vater will er von unterwegs benachrichtigen, statt ihn persönlich aufzusuchen, denn er fürchtet, dass dieser ihn von seinen Plänen abbringen könnte. Anfangs ist Hyperion trunken vor Begeisterung über die herrliche Landschaft, das Geplätscher der Brunnen und das ersehnte Wiedersehen mit Alabanda. Dessen Züge sind erschlafft, er ist sichtlich alt geworden und erkennt Hyperion erst nicht. Doch die Gegenwart des Freundes wirkt wie eine Verjüngungskur auf ihn. Alabanda ist voller Heldenmut und Zuversicht in die Stärke und Kriegskunst der Griechen. Er weiß, dass sie den Russen nicht vollends trauen können. Doch wenn sie erst den Peloponnes erobert hätten, würden sie ihnen eine lange Nase drehen, glaubt er. Diotima hingegen wirkt in ihren Briefen an Hyperion weniger siegesgewiss. Gerne will sie den Geliebten als mutigen Befreier ihres Volkes sehen, doch sie ist erfüllt von unendlicher Trauer. Hyperion wiederum ist stolz auf sein kriegerisches, unbekümmertes Bergvolk in dem dürftigen Lager. Er muss an die Anfänge der Menschen denken, als sie noch frei und eins mit der Natur waren. Er kann es kaum erwarten, mit diesen Männern einen griechischen Freistaat zu errichten.

Ruhmloses Ende und neuer Anfang

Dreimal hintereinander siegt Hyperion mit seinen Truppen, bis sie vor der Festung Misistra, der Ruine des alten Sparta, stehen. Diotima freut sich in ihren Briefen für ihn, kann sich aber selbst nicht für das Gemetzel begeistern. Sie sorgt sich, dass Hyperion die Liebe verlernen und dass der Friede zu lange auf sich warten lassen werde. Hyperions nächste Briefe bestätigen ihre schlimmsten Befürchtungen: Die Einnahme Misistras gelingt nicht und Hyperions Leute werden unruhig. Es ist, als würde ein Gewitter aufziehen. Schließlich entlädt es sich in einer beispiellosen Gewaltorgie: Die Truppen morden und plündern und schonen auch die einheimische griechische Bevölkerung nicht. Bei dem verzweifelten Versuch, seine Männer davon abzuhalten, wird Hyperion verwundet. Er schämt sich zutiefst. Mit den Griechen will er nichts mehr zu tun haben und stattdessen bei der russischen Flotte anheuern. Von seinem Vater verstoßen, bittet er Diotima, ihn zu verlassen. Am Abend vor der großen Seeschlacht gegen die Türken schreibt er ihr, dass er im Kampf den Tod suchen werde.

„Mich ergriff das schöne Phantom des alten Athens, wie einer Mutter Gestalt, die aus dem Todtenreiche zurükkehrt.“ (S. 113)

Am nächsten Tag stürzt Hyperion sich wie von Sinnen in die Schlacht. Doch während von seinen Kampfgefährten einer nach dem anderen umkommt, bleibt er selbst verschont. Kurz bevor die Kriegsschiffe in Flammen aufgehen, wird er verwundet und bewusstlos in einem Ruderboot fortgebracht. Erst nach sechs Tagen kommt er wieder zu sich. Als Erstes sieht er Alabanda. Der Freund hat ihn aufopfernd gepflegt und weicht nicht von seiner Seite. Hyperion berichtet ihm von seinen letzten Briefen an Diotima. Alabanda drängt ihn daraufhin zur Eile: Diotima müsse sofort erfahren, dass er lebe. Da erhält Hyperion auch schon einen Brief von ihr, in dem sie in die Trennung einwilligt. Sie könne niemals alles für ihren Geliebten sein, schreibt sie. Er habe stets nach Höherem gestrebt, und sie habe den Traum eines befreiten, göttlichen Griechenlands mit ihm geträumt. Doch nun sei alles aus.

Späte Reue

Hyperion antwortet eiligst: Ja, er habe sterben wollen, aber nun sei er geheilt. Wie könne gut sein, was Liebende trennt? Er fleht Diotima um eine zweite Chance an, weit weg von Griechenland, in den Alpen oder den Pyrenäen. Schon malt er sich ihr gemeinsames Leben aus, das Haus, in dem sie wohnen, und die sonnendurchfluteten Wälder, durch die sie spazieren werden. Er versucht, Alabanda zum Mitkommen zu bewegen – vergeblich. Denn dieser meint, sich aufgrund von Hyperions Erzählungen in Diotima verliebt zu haben, und behauptet, dass sie zu dritt nicht in Frieden leben könnten. Alabanda will zu seinen einstigen Freunden aus Smyrna gehen. Es stellt sich heraus, dass diese Mitglieder eines Geheimbunds sind. Als Alabanda zwischen ihnen und Hyperion wählen musste, hat er sich von den Bundesbrüdern losgesagt und seinen Eid gebrochen. Nun will er zurück und sich von ihnen richten lassen. Verzweifelt nehmen er und Hyperion voneinander Abschied.

„Der wilde Kampf wird dich zerreißen, schöne Seele, du wirst altern, seeliger Geist! und lebensmüd am Ende fragen, wo seyd ihr nun, ihr Ideale der Jugend?“ (Diotima zu Hyperion, S. 129)

Am Abend nach Alabandas Abreise und vor seinem Aufbruch nach Kalaurea erhält Hyperion Diotimas letzten Brief. Sie hat offenbar eine Woche lang in dem Glauben gelebt, er sei in der Schlacht gefallen. Und nun ist es zu spät. Seit seinem Fortgang ist sie von einer seltsamen Schwere befallen. Sie ist müder und trauriger geworden, das Feuer in ihr ist fast ganz verloschen. Diotima erwartet den Tod, redet ihrem Geliebten aber mögliche Schuldgefühle aus. Sie ist überzeugt, dass sie in der Natur mit ihm weiterleben wird, und fordert ihn auf, Dichter und „Priester der göttlichen Natur“ zu werden. Kurze Zeit später erhält Hyperion einen Brief von Notara: Diotima ist in der Nacht nach dem Schreiben dieser Zeilen gestorben. Die Urne mit ihrer Asche wurde auf ihren Wunsch dort hingestellt, wo sie Hyperion zum ersten Mal gesehen hat.

Im Land der Barbaren

Notara rät Hyperion davon ab, nach Kalaurea zu kommen. Es würde ihn zerbrechen, außerdem sei er in Griechenland nicht mehr sicher. Seine Reisen führen Hyperion schließlich nach Deutschland, wo ihm das blanke Elend begegnet: Trotz oder gerade wegen ihres Fleißes, ihrer Wissenschaft und ihrer Religion erscheinen ihm die Deutschen wie Barbaren. Er sieht Handwerker, Denker, Priester – aber keine Menschen. Sie sind dumpf, lieblos, unfrei und gottverlassen. Ihre berühmte Ordnung wirkt tot, und alles Schöne malträtieren sie so lange, bis es zerstört ist. Ein Künstler ist in ihrer Welt auf ewig ein Fremdling. Hyperion will fort, zurück nach Griechenland. Nur der Frühling hält ihn auf. Er flüchtet sich in die Natur. Unter der hellen Mittagssonne ist ihm, als höre er Diotimas Stimme. „Wo bist du?“, fragt er. „Bei den Meinen“, ruft sie, und: „Bei den Deinen, die der irre Menschengeist misskennt!“ Hyperion weiß, dass er für immer mit Diotima vereint sein wird. Er hat seinen Frieden gefunden.

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Aufbau und Stil

Die 60 Briefe des Romans sind auf zwei Bände verteilt: Der erste behandelt Hyperions Jugend und endet auf dem Höhepunkt seiner und Diotimas Hoffnungen: Als Erzieher der Griechen will Hyperion für eine bessere Welt kämpfen. Im zweiten Band kommt es zur Katastrophe, und die beiden stehen vor den Trümmern ihrer Ideale. In dem Roman sind drei Erzählebenen miteinander verknüpft: Die Meditationen der Romanfiguren über die griechische Antike, Hyperions Erinnerungen an seine Jugend um 1770 sowie seine Gegenwart als nunmehr älterer Mann. In den Briefen an Bellarmin und Diotima stehen weniger die geschilderten Ereignisse im Vordergrund als vielmehr Hyperions Reflexionen und Gefühle. Hölderlin wollte ausdrücklich nicht den Verstand durch die „regelmäßige psychologische Entwicklung“ eines Charakters ansprechen, sondern an die Empfindungen seiner Leser rühren. Das tat er, indem er eine freie, von vielen formalen Regeln losgelöste Sprache verwendete, die zutiefst lyrisch und musikalisch ist: ein Feuerwerk von Naturmetaphern und Bildern, Ausrufe- und Fragezeichen. Hölderlins exzessiver Gebrauch des Adjektivs wirkt nach heutigem Geschmack kitschig, galt aber zu seiner Zeit als Ausdruck tiefster Gefühle.

Interpretationsansätze

  • Das Hauptthema von Hyperion ist die Sehnsucht nach einer besseren Welt, in der der Mensch wieder eins mit der Natur und damit göttlich wird. Gemäß dem klassizistischen Ideal des antiken Griechenlands soll das Schöne und Gute im Menschen erweckt werden, damit dieser sein Gefühl des Fremdseins überwindet.
  • Hyperions ersehnter Freistaat, die „heilige Theokratie des Schönen“, ist Platon nachempfunden. In seiner Politeia (Der Staat) forderte der Athener eine Herrschaft der Philosophen und die philosophische Erziehung der Menschen. Ähnlich wie Platon, der seine Vision nie verwirklicht sah, scheitert Hyperion: Sein Glaube an einen Krieg für die gerechte Sache verwandelt sich in tiefen Abscheu.
  • Hölderlin drückt damit auch seine Enttäuschung über die Französische Revolution aus, die ebenfalls mit hohen Idealen begann und in blutigen Terror umschlug. Gleichzeitig dient ihm der gescheiterte griechische Freiheitskampf als Gleichnis für die deutschen Verhältnisse Ende des 18. Jahrhunderts. Der Autor legt seinem Helden die eigenen Lebensqualen in den Mund.
  • Diotima opfert sich für Hyperion, weil sie ihn zu Höherem berufen sieht: Er soll Zeugnis ablegen und durch die Dichtung sein Schicksal überwinden. Mit den Briefen an Bellarmin erfüllt Hyperion ihren Auftrag.
  • Hyperions Rückzug in die Einsamkeit ist keine Resignation. Er hat die Ideale seiner Jugend nicht verraten, im Gegenteil: Der Eremit weigert sich, durch Handeln am Schlechten teilzuhaben. Stattdessen versucht er, im Einklang mit der Natur zu leben und mit seiner Ode an die Schönheit die Welt zu verändern. In dieser Haltung zeigt sich der Pantheismus Hölderlins: Der Dichter glaubte an die Erlösung der Menschheit durch das Einswerden mit der Schöpfung.
  • Hölderlin wollte mit Hyperion nach eigener Aussage ein „Gemälde von Ideen und Empfindungen“ schaffen und damit „Terra incognita“ in der Dichtkunst erobern. Er verband klassische Themen der Literatur mit einem gänzlich neuen Erzählstil und gilt heute als Vorläufer der romantischen Dichtung in Deutschland.

Historischer Hintergrund

Der Traum vom idealen Staat

Hyperion spielt parallel vor dem Hintergrund zweier Freiheitsbewegungen: der deutschen und der griechischen. In Hölderlins württembergischer Heimat verfolgten viele Intellektuelle die 1789 ausgebrochene Französische Revolution zunächst mit Begeisterung. Sie erhofften sich die baldige Verwirklichung von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ auch in Deutschland. Nach der Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI. und dem Beginn der Schreckensherrschaft 1793 wich die Begeisterung jedoch allgemeiner Desillusionierung.

Der griechische Freiheitskampf begann 1770, als die russische Zarin Katharina II. die Griechen während des Russisch-Türkischen Krieges (1768–1774) zur Rebellion gegen die Osmanen aufrief. Der Aufstand scheiterte, und die Türken zogen den Anführern bei lebendigem Leib die Haut ab. In weiten Teilen Westeuropas markierten diese Ereignisse den Beginn des Philhellinismus („Freundschaft zum Griechentum“). Das antike Griechenland, seine Kunst, Philosophie und Staatsform wurden zum Ideal des Guten, des Schönen und der Freiheit stilisiert. Viele Romantiker, enttäuscht vom Scheitern ihrer revolutionären Ideale nach 1793, träumten davon, diese auf dem Boden des zeitgenössischen Griechenlands wiederauferstehen zu lassen. Die Bewegung erreichte in den Jahren vor der griechischen Unabhängigkeit 1829 ihren Höhepunkt. Einige berühmte Philhellenen, z. B. der romantische Dichter Lord Byron, zogen mit in den Kampf und gaben dafür ihr Leben.

Entstehung

Hölderlin schrieb die erste Fassung des Hyperion-Romans 1792 unter dem Eindruck der Französischen Revolution. Ein Romanfragment in Tagebuchform erschien zwei Jahre später in Friedrich Schillers Zeitschrift Thalia. „Er hat recht viel Genialisches, und ich hoffe, auch noch recht viel Einfluss darauf zu haben“, schrieb Schiller dem Verleger Johann Friedrich Cotta, und dieser nahm den jungen Dichter unter Vertrag. Hölderlin versuchte nun, den Roman in metrischer Form neu zu schreiben, entschied sich dann aber doch für eine prosaische Fassung. Ende 1795 trat er eine Stelle als Hauslehrer bei der Kaufmannsfamilie Gontard an. Er begann ein leidenschaftliches Verhältnis mit der Hausherrin Susette Gontard, die zum Vorbild für Diotima wurde. Susettes Ehemann erfuhr von der Affäre und jagte Hölderlin aus dem Haus. Der Dichter widmete seiner Geliebten den zweiten Band des Romans: „Wem sonst als Dir“. Auch die Figur Alabandas ist aus dem Leben des Autors gegriffen. Ihr Vorbild ist der Diplomat und Schriftsteller Isaac von Sinclair, mit dem Hölderlin einige Monate lang ein Gartenhaus in Jena bewohnte. Einige Literaturwissenschaftler interpretieren die offensichtlich homoerotische Männerfreundschaft im Roman als Anspielung auf diese Beziehung. Hölderlin war selbst nie in Griechenland, und so stützte er sich vor allem auf die damals viel gelesenen Reiseberichte von Richard Chandler und dem Grafen von Choiseul-Gouffier. Literarische Vorbilder waren u. a. Johann Wolfgang von Goethes Die Leiden des jungen Werther und Jean-Jacques Rousseaus Julie oder Die neue Héloïse.

Wirkungsgeschichte

Die zwei Bände des Romans erschienen 1797 und 1799 in Tübingen, in einer äußerst niedrigen Auflage von jeweils 360 Exemplaren. Dennoch gab es noch zu Hölderlins Lebzeiten einige Fans: „Sollten Sie nie den Hyperion von Hölderlin gelesen haben, so tun Sie es so bald wie möglich; es ist eines der trefflichsten Bücher der Nation, ja der Welt“, schrieb der Romantiker Clemens Brentano 1814 an eine Freundin. Hölderlin geriet nach Abschluss des Romans mehr und mehr in eine gestörte Geistesverfassung. Einige Hölderlin-Forscher gehen davon aus, dass er den Wahnsinn simulierte, um sich wie Hyperion aus der verhassten Wirklichkeit zurückzuziehen. Als Hölderlin durch seine Geisteskrankheit 1807 zu einem Pflegefall wurde, war es ein Tübinger Tischler und Hyperion-Bewunderer, der ihn bei sich aufnahm. Im Großen und Ganzen blieb der Ruf des Dichters nach einer besseren Welt lange ungehört. Bis 1848 war er bestenfalls unter Schriftstellerkollegen bekannt, danach geriet er in Vergessenheit.

1910 entdeckte der Germanist Norbert von Hellingrath das Spätwerk Hölderlins und begann, eine historisch-kritische Werksausgabe zu erstellen. Hellingrath war ein Jünger des Dichterkreises um den Lyriker Stefan George und machte diesen auf Hölderlin aufmerksam. Für den späteren Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg, ebenfalls ein Mitglied des George-Kreises, prägte Hölderlin das Bild vom „heiligen Deutschland“. Die Nazis feierten und missbrauchten ihn als „Besinger des Vaterlands“, während linke Intellektuelle in den 1960er Jahren seine revolutionäre Gesinnung herauskehrten. Egal welcher politischen Couleur – heute gilt Hölderlin als einer der größten und auch modernsten deutschen Dichter seiner Zeit. Die Prophezeiung der Schriftstellerin Karoline von Woltmann aus dem Jahr 1843 ist eingetreten: Hölderlin werde dann „am literarischen Himmel aufsteigen (...), wenn Deutschland Dichter von seiner Großartigkeit der Begriffe und Einfachheit des Ausdrucks vertragen kann“.

Über den Autor

Friedrich Hölderlin wird am 20. März 1770 als erstes Kind eines Klosterhofmeisters und einer Pfarrerstochter geboren. Er studiert am Tübinger Stift, um auf Drängen der Mutter Pfarrer zu werden, und freundet sich mit den späteren Philosophen Hegel und Schelling an. Hölderlin entscheidet sich gegen die geistliche Laufbahn und nimmt 1793 auf Empfehlung Schillers eine Stelle als Hauslehrer bei der Familie Charlotte von Kalbs an. Dort beginnt er eine Beziehung mit der jungen Witwe Wilhelmine Kirms, die ein Jahr später eine Tochter zur Welt bringt. 1795 geht Hölderlin nach Jena, um Vorlesungen Fichtes zu hören, und freundet sich mit dem angehenden Diplomaten Isaac von Sinclair an. Im Sommer verlässt er fluchtartig die Stadt, warum bleibt unbekannt. Anfang 1796 zieht er als Hauslehrer bei dem Frankfurter Bankier Jacob Gontard ein und beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit dessen Frau Susette, dem Vorbild für Diotima aus dem Roman Hyperion (1797/99), den er zu dieser Zeit fertigstellt. Der Hausherr erfährt davon und entlässt Hölderlin, dieser trifft sich jedoch weiter heimlich mit Susette, zuletzt 1800. Es entstehen zahlreiche Gedichte, darunter Der Wanderer, Brot und Wein, Der Archipelagus und Hälfte des Lebens, sowie die unvollendete Tragödie Der Tod des Empedokles (1797–1800). Ende 1801 wandert Hölderlin nach Bordeaux und tritt dort seine vierte Hauslehrerstelle an. Möglicherweise hört er davon, dass Susette krank geworden ist, auf jeden Fall macht er sich im Mai wieder zu Fuß auf den Rückweg. Verstört und verwahrlost erreicht er im Juni Stuttgart, wo er vom Tod seiner Geliebten erfährt. Sinclair kümmert sich um ihn. 1805 wird der Diplomat eines Umsturzversuchs verdächtigt und des Hochverrats angeklagt; Hölderlin gilt als Mitverschworener. Die Vorwürfe erweisen sich als haltlos, und Hölderlins zunehmende Schizophrenie verhindert, dass er vor Gericht kommt. 1806 wird er in eine Klinik eingeliefert und bald darauf als unheilbar entlassen. Der Tübinger Tischler Ernst Zimmer nimmt ihn bei sich auf. Die folgenden 36 Jahre verbringt Hölderlin in einem Zustand geistiger Umnachtung. Er stirbt am 7. Juni 1843.

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