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Irisches Tagebuch
Buch

Irisches Tagebuch

Köln, 1957
Diese Ausgabe: KiWi, 2008 Mehr

Literatur­klassiker

  • Reiseliteratur
  • Moderne

Worum es geht

Schule der Wahrnehmung

Schon mit dem Motto, das Böll seinem Irischen Tagebuch voranstellt – wenn man selber nach Irland fahre und ein anderes Land vorfinde, als in dem Buch beschrieben, habe man keine Ersatzansprüche an den Autor –, macht der Autor sich von den traditionellen Erwartungen an das Format des Reiseberichts los. Wo es also schon 1957 mindestens zweifelhaft gewesen wäre, das Buch als Reiseführer zu gebrauchen, wäre es heute zu diesem Zweck komplett sinnlos: Das Irland des Irischen Tagebuchs gibt es ganz sicher nicht mehr. Was das Werk jedoch auch heute noch lesenswert macht, ist der hochsensible Blick eines begnadeten Stilisten, von dem man die Kunst der Wahrnehmung lernen kann. Das Irland, wie Böll es gesehen hat, ersteht dem Leser ungemein plastisch, schillernd, widersprüchlich vor dem inneren Auge. „Lass dich ein auf das Fremde! Und sieh genau hin!“, ruft Böll ihm zu – auch heute noch – gerade heute – eine wichtige Empfehlung.

Take-aways

  • Irisches Tagebuch ist eines der erfolgreichsten Bücher von Heinrich Böll und prägte die Sicht der Deutschen auf Irland.
  • Inhalt: Heinrich Böll reist allein und mit Familie durch Irland und beschreibt, was er erlebt: Begegnungen mit trinkfreudigen Hitlerfans, von Wind und Wetter skelettierte, verlassene Dörfer oder eine antiklimaktische Wallfahrt zu den Gräbern von Swift und Yeats.
  • Die Grenze zwischen Dokumentation und Fiktion ist durchlässig: Virtuos verschachtelt Böll Reiseerlebnisse mit theoretischen Überlegungen und Erzählungen.

Über den Autor

Heinrich Böll wird am 21. Dezember 1917 in Köln geboren, wo er erst die katholische Volksschule und anschließend das staatliche Gymnasium besucht. Er beginnt eine Ausbildung zum Buchhändler, wird dann jedoch für ein Jahr zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Kurz nach Aufnahme eines Studiums der Germanistik und der klassischen Philologie wird er 1939 in die Wehrmacht einberufen. Im Krieg wird er mehrfach verwundet. Ab 1944 manipuliert Böll seine Krankheits- und Urlaubsscheine, um nicht mehr an die Front zu müssen. 1945 gerät er in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung nimmt er die literarische Arbeit wieder auf und kann 1947 eine erste Erzählung im Rheinischen Merkur veröffentlichen. Buchpublikationen und Rundfunksendungen folgen. In vielen Texten setzt sich Böll mit der NS-Vergangenheit und den gesellschaftlichen Verhältnissen im Deutschland der Nachkriegszeit auseinander. 1951 erhält er den Literaturpreis der Gruppe 47. Bölls kritische Haltung gegenüber der katholischen Kirche in Deutschland schlägt sich in seinem Roman Ansichten eines Clowns nieder, der 1963 erscheint. Ab 1964 hält Böll Vorlesungen an der Goethe-Universität Frankfurt, 1971 wird er zum Vorsitzenden des P.E.N.-Clubs, der internationalen Schriftstellervereinigung, gewählt. 1972, nachdem im Spiegel sein Artikel Will Ulrike Gnade oder freies Geleit? publiziert wurde, in dem er sich für einen fairen Prozess für Ulrike Meinhof einsetzte, wird Böll als RAF-freundlicher „Ziehvater des Terrorismus“ öffentlich verunglimpft. Im selben Jahr erhält er den Literaturnobelpreis. 1974 erscheint sein Roman Die verlorene Ehre der Katharina Blum, eines seiner bekanntesten Werke. 1976 tritt er aus der katholischen Kirche aus. In den folgenden Jahren engagiert er sich in der Friedensbewegung. Heinrich Böll stirbt am 16. Juli 1985 in seinem Haus in Langenbroich. An seiner Beerdigung nehmen viele Prominente teil, unter anderem der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.


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