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Klingsors letzter Sommer
Buch

Klingsors letzter Sommer

Berlin, 1919
Diese Ausgabe: Insel Verlag, 2017 Mehr

Literatur­klassiker

  • Metafiktion
  • Moderne

Worum es geht

Narzisst mit Goldrand

Hesses Erzählung Klingsors letzter Sommer spaltet die Gemüter. Die einen rühmen die Wiederbelebung der deutschen Romantik. Die anderen sehen in dem Text mehr oder weniger gehobenen Kitsch. Klar ist immerhin: Hesse macht es dem heutigen Leser nicht leicht, seinen Protagonisten zu mögen, diesen larmoyanten Hypochonder, eitlen Größenwahnsinnigen und chauvinistischen Prahlhans. Zumal Hesse den Narzissmus seines Helden nur unvollständig reflektiert. Er distanziert sich nicht, im Gegenteil: Er verlangt Empathie. Genau die mag sich heute jedoch kaum noch einstellen. Ein solcher Mittvierziger mit narzisstischer Störung, der den jungen, stets schlanken Damen nachsteigt und mit romantisch-genialischen Gedankenfragmenten um sich wirft, muss heute bestenfalls befremdlich, schlimmstenfalls abstoßend wirken. Betrachtet man jedoch Hesses Klingsor in seinem historischen Zusammenhang, zeigt sich das Bild eines desillusionierten Künstlers, der durch den Krieg all seine kulturellen Zusammenhänge verloren hat und ihnen hilflos nachtrauert. Das Alte ist tot, das Neue noch nicht geboren. Das einzig Gewisse ist der Tod. Und der wird gefeiert.

Take-aways

  • Die Erzählung Klingsors letzter Sommer ist der Auftakt zu Hesses Spätwerk.
  • Inhalt: Der Maler Klingsor zelebriert das Leben und die Kunst im Tessiner Sommer. Er zecht, feiert und malt, liebt, lamentiert und leidet. Er ahnt, dass der Tod nah ist, und beginnt die Arbeit an seinem letzten großen Werk: einem Selbstporträt. Als er den Kampf mit diesem Bild beendet hat, kehrt er noch einmal ins Leben zurück. Im Herbst stirbt er.
  • Hesse verfasste die Erzählung im Sommer 1919. Sie markiert einen neuen Lebensabschnitt des Autors nach der Trennung von Frau und Familie.

Über den Autor

Hermann Hesse wird am 2. Juli 1877 im Schwarzwaldstädtchen Calw als Sohn des Missionars Johannes Hesse und der ebenfalls missionarisch tätigen Marie Gundert geboren. 1881 zieht die Familie nach Basel, wo der Vater die Schweizer Staatsangehörigkeit annimmt. Nach der Rückkehr nach Calw im Jahr 1883 besucht Hesse die Lateinschule in Göppingen. 1891 tritt er in das evangelische Klosterseminar in Maulbronn ein. Ein Jahr später flüchtet er jedoch von dort, um Dichter zu werden. Nach einem Selbstmordversuch besteht er 1893 das Einjährig-Freiwilligen-Examen (mittlere Reife) am Gymnasium in Cannstatt. Im gleichen Jahr beginnt er eine Buchhändlerlehre, die er jedoch nach nur drei Tagen hinwirft. Nach einer Ausbildung zum Mechaniker fühlt er sich wieder bereit für Geistiges und beendet die zweite begonnene Buchhändlerlehre erfolgreich. Nach den Gedichtsammlungen Das deutsche Dichterheim und Romantische Lieder bringt der Roman Peter Camenzind (1904) Hesse den Durchbruch als Autor. In diesem Werk und im zwei Jahre später fertiggestellten Unterm Rad (1906) verarbeitet er seine schlechten Erfahrungen aus der Schulzeit. 1911 unternimmt er die einzige große Reise seines Lebens, die ihn nach Ceylon und Sumatra führt. Die dort empfangenen Eindrücke werden für sein weiteres Werk sehr wichtig. 1916 erleidet er einen Nervenzusammenbruch. Der Grund ist der Tod seines Vaters und die voranschreitende Schizophrenie seiner Frau Maria Bernoulli. Hesse begibt sich in die psychotherapeutische Behandlung eines Schülers von C. G. Jung. Die Beschäftigung mit der Jung’schen Archetypenlehre findet ihren literarischen Niederschlag in der 1919 veröffentlichten Erzählung Demian und im Roman Narziß und Goldmund (1929/30). Hesses Bücher bekommen einen fernöstlich beeinflussten, meditativen Charakter, besonders Siddhartha (1922). 1927, zwischen seiner zweiten und seiner dritten Heirat, erscheint der Roman Der Steppenwolf. Während der NS-Herrschaft werden viele Bücher Hermann Hesses in Deutschland verboten. In dieser Zeit schreibt er sehr lange (1930 bis 1943) an seinem großen Spätwerk Das Glasperlenspiel. 1946 erhält Hesse den Nobelpreis für Literatur, 1955 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Am 9. August 1962 stirbt Hermann Hesse in Montagnola in seiner Wahlheimat, der Schweiz.


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