Jane Austen
Kloster Northanger
Reclam, 2016
Was ist drin?
Ein frühes und vergnügliches Plädoyer für den realistischen Roman.
- Satire
- Romantik
Worum es geht
Mehr Realität, bitte!
Ganze 15 Jahre lang lag das Manuskript von Jane Austens erstem zur Veröffentlichung bestimmten Roman beim Verleger. Sie kaufte es schließlich zurück und überarbeitete es, trotzdem erschien Kloster Northanger erst nach ihrem Tod. Der Roman, der das im späten 18. Jahrhundert populäre Genre des Schauerromans parodiert, erinnert noch sehr an Austens frühe satirische Texte, mit denen sie ihre Familie zu unterhalten pflegte. Und doch zeigen sich unter der humoristischen Oberfläche bereits deutliche Züge jenes realistischen Erzählens, das ihre späteren, berühmten Romane auszeichnet. Zugleich enthält das Werk aufschlussreiche romantheoretische Passagen. Ausdrücklich nimmt Jane Austen den Roman unter anderem gegen das damals verbreitete Vorurteil in Schutz, es handele sich dabei um reine Frauenlektüre. Allerdings wendet sie sich klar gegen den literarischen Kitsch, der damals hoch im Kurs stand, und fordert von der Gattung mehr Realitätsbezug. Kloster Northanger ist ein unterhaltsamer, erzähltechnisch erstaunlich moderner Roman, der ganz nebenbei die vornehme britische Gesellschaft mit ihren Sprach- und Lesekonventionen aufs Korn nimmt.
Take-aways
- Jane Austens postum erschienenes Werk Kloster Northanger ist der erste ihrer Romane, den die Autorin zur Veröffentlichung bestimmte.
- Inhalt: Die junge Catherine wird in Bath in die vornehme Gesellschaft eingeführt. Naiv verstößt sie gegen manche Konventionen, erobert aber mit ihrer Offenheit und Natürlichkeit Henry Tilneys Herz. Bevor die beiden ein Paar werden, muss sich Catherine allerdings von ihren durch Romanlektüre übersteigerten romantischen Fantasien verabschieden.
- Kloster Northanger ist eine Parodie auf das damals beliebte Genre des Schauerromans.
- Auch die populäre Gattung des sentimentalen Frauenromans wird persifliert.
- Die Autorin wendet sich explizit gegen den literarischen Kitsch ihrer Zeit und fordert mehr Realitätsgehalt in Romanen.
- Die auktoriale Erzählerfigur nimmt eine ironische Distanz zu ihrer Heldin und deren Geschichte ein.
- Zugleich gibt es in Kloster Northanger auch schon Passagen in moderner, personaler Erzählhaltung.
- Jane Austen verfasste den Roman zwischen 1797 und 1803, er wurde aber erst 1818 aus dem Nachlass veröffentlicht.
- Das Buch wurde zweimal verfilmt und regte die Krimiautorin Val McDermid zu einem Remake an.
- Zitat: „Besonders eine Frau sollte, wenn sie schon das Unglück hat, irgendetwas zu wissen, es immer so gut wie möglich verbergen.“
Zusammenfassung
Auf der Suche nach dem Richtigen
Catherine Morland ist keine typische Romanheldin. Als Kind sticht sie weder durch besondere Schönheit oder Intelligenz noch durch irgendwelche Talente hervor, aber sie zeigt einen guten Charakter. Sie ist laut und wild wie ein Junge und spielt am liebsten draußen in der Natur. Erst mit 15 Jahren beginnt sie, auf ihr Äußeres achtzugeben, und jetzt kann man sie beinahe hübsch nennen. Junge Männer sind in Fullerton, dem Dorf, in dem Catherine mit ihren neun Geschwistern als Tochter eines Pastors aufwächst, allerdings rar gesät. Daher ist ihre Freude groß, als Mr. und Mrs. Allen, ein vermögendes kinderloses Ehepaar aus der Umgebung, sie zu einem sechswöchigen Aufenthalt ins vornehme Bath einladen. Vielleicht wird Catherine – inzwischen ist sie 17 – hier endlich den Richtigen treffen.
„Wer Catherine Morland als Kind gesehen hatte, wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass sie zur Romanheldin bestimmt war.“ (S. 5)
Während Mrs. Allen vor allem mit ihrer Garderobe beschäftigt ist und darüber klagt, dass sie niemanden in Bath kennt, macht Catherine bei einer Tanzgesellschaft die Bekanntschaft von Henry Tilney, einem jungen, charmanten Pfarrer aus angesehener Familie. Sie würde ihn gern wiedersehen, doch anscheinend meidet er die Brunnenhalle und das Theater, wo die bessere Gesellschaft sich trifft. Trost findet Catherine bei ihrer neuen Freundin Isabella Thorpe. Die beiden sind bald unzertrennlich und reden nicht nur über Mode und Klatsch, sondern auch über Männer und über ihre Lieblingsromane – vor allem über Ann Radcliffes Udolpho. Isabellas Bruder John, ein guter Freund von Catherines Bruder James, erweist sich als eitler Rüpel, doch Catherine fühlt sich durch sein Werben geschmeichelt.
„Ihre Unterhaltung berührte all die Themen, deren freimütige Erörterung so wesentlich dazu beiträgt, zwischen zwei jungen Damen Intimität herzustellen, wie Mode, Bälle, Flirts und Klatsch.“ (über Catherine und Isabella, S. 28 f.)
Auf einer Tanzveranstaltung trifft sie zufällig Mr. Tilney in Begleitung seiner Schwester, der ungekünstelt eleganten Eleanor Tilney. Seine Aufforderung zum Tanz kann Catherine leider nicht annehmen, da sie mit John als festem Tanzpartner zu dem Ball gekommen ist. Auch ihre Hoffnung, am nächsten Tag Miss Tilney näher kennenzulernen, wird von John durchkreuzt: Er lädt Catherine zusammen mit James und Isabella zu einem Ausflug ein. Auf der Kutschfahrt ergeht er sich in Eigenlob, und Catherine ist nicht selbstsicher genug, seinem eitlen Geschwätz Einhalt zu gebieten. Allerdings ist auch sie nicht frei von Oberflächlichkeit und überlegt vor dem nächsten Ball, zu dem Mr. Tilney kommen wird, sehr lange, was sie anziehen soll. Sie weiß eben noch nicht, wie wenig es von der Kleidung abhängt, ob eine Frau einem Mann gefällt.
Verstöße gegen die Konventionen
Nachdem Catherine endlich wieder mit Mr. Tilney getanzt hat, verabredet sie sich mit ihm und seiner Schwester zu einem Spaziergang. Doch der Regen hält die beiden ab, und als das Wetter sich endlich bessert, fahren John und James mit Isabella in ihren Kutschen vor Catherines Haus vor, um sie zu einem Ausflug abzuholen. Catherine entschuldigt sich: Sie habe eine Verabredung mit den Tilneys, doch John behauptet, er habe die Geschwister gerade in ihrem Wagen aus der Stadt fahren gesehen. Durch die Aussicht, eine echte Burg zu besichtigen, wie sie sie bislang nur aus Romanen kennt, lässt sich Catherine schließlich überreden. Als sie wenig später aus Johns Kutsche die Tilneys auf der Straße gehen sieht, ist sie empört. John hat gelogen! Eindringlich fleht sie ihn an, sie aussteigen zu lassen, doch er fährt einfach weiter.
„Es wäre vernichtend für viele Damen, wenn man ihnen begreiflich machen könnte, wie wenig die Liebe der Männer von dem beeinflusst wird, was an der Ausstattung der Frauen kostspielig oder neu ist; wie wenig sie von dem Muster ihres Kleides abhängt, und wie wenig die Männer eine Schwäche für Punkte und Streifen, Wolle und Seide begreifen können.“ (S. 77 f.)
Am nächsten Tag besucht sie Miss Tilney, um sich zu entschuldigen, doch die lässt sich durch einen Diener verleugnen. Catherine ist traurig. Sie kennt sich in Fragen von Anstand und Höflichkeit nicht aus und weiß nicht, dass sie einen unverzeihlichen Fauxpas begangen hat, indem sie die Verabredung am Vortag platzen ließ. Entsprechend kühl begegnet ihr am Abend im Theater Mr. Tilney – zumindest kommt es ihr so vor. Auch wenn sich das für eine Romanheldin, die sich ja möglichst unnahbar geben sollte, nicht geziemt, erklärt ihm Catherine ihr Verhalten – und er lächelt versöhnlich. Zudem erzählt er, seine Schwester habe sie nur deshalb nicht empfangen, weil sie den Vater, General Tilney, zu einem wichtigen Termin begleiten musste, und auch er selbst sei kein bisschen ärgerlich gewesen. Catherine ist überglücklich, als sie kurz darauf von John erfährt, General Tilney habe sie als das „großartigste Mädchen in Bath“ gelobt.
„Ein Leser, ganz gleich, ob männlich oder weiblich, der an guten Romanen kein Vergnügen hat, muss unerträglich dumm sein.“ (Henry, S. 115)
Catherine hat sich mit Miss Tilney verabredet, um den Spaziergang nachzuholen, doch James und die beiden Thorpes planen für diesen Tag wieder einen Ausflug mit ihr. Dazu hat John hinter Catherines Rücken deren Verabredung mit Miss Tilney abgesagt. Catherine wird wütend. Ohne Rücksicht auf Konventionen lässt sie James und die Thorpes stehen und eilt zum Haus der Tilneys, stürmt dort an einem Diener vorbei und erklärt atemlos, was passiert ist. Die Tilneys reagieren freundlich. Der General macht ihr Komplimente und lädt sie ein, öfter vorbeizukommen. Catherine ist stolz, dass sie ihren Willen durchgesetzt hat. Zugleich schmerzt es sie, den Bruder verärgert und Isabella beleidigt zu haben. Doch Mr. Allen bestätigt ihr, sie habe richtig gehandelt. Für ein junges Mädchen gehöre es sich nicht, mit einem Mann in einer offenen Kutsche herumzufahren.
Seelenverwandtschaft versus Geldhochzeit
Auf ihrem Spaziergang entdecken Catherine und die Tilneys ihre gemeinsame Vorliebe für Romane, insbesondere für den Udolpho. Ihre Unterhaltung ist zwanglos und dreht sich um Literatur und Malerei, um Geschichte und um die Qualen des Schulunterrichts. Catherine ahnt nicht, welchen Eindruck sie mit ihrer schlichten, unverstellten Art auf Mr. Tilney gemacht hat. Anders als seine Geschlechtsgenossen schätzt der geistreiche Mann Intelligenz bei Frauen, auch wenn er ständig seine Witze über sie macht. Catherine ist glücklich über ihre Freundschaft mit den Tilneys und ist erleichtert, dass der Ausflug der Thorpes und ihres Bruders auch ohne sie stattgefunden hat.
„Besonders eine Frau sollte, wenn sie schon das Unglück hat, irgendetwas zu wissen, es immer so gut wie möglich verbergen.“ (S. 121)
Isabella überrascht Catherine mit der Nachricht, James und sie hätten sich verlobt. Catherine freut sich aufrichtig und beruhigt Isabella, die sich Sorgen macht, ihre Mitgift sei zu klein. Nachdem James die Zustimmung seiner Eltern erhalten hat, denkt Isabella, die zuvor noch ihr Desinteresse an materiellen Dingen bekundet hat, sogleich über das Hochzeitskleid, Diamantenringe und die Einrichtung ihrer neuen Wohnung nach. Angespornt durch die Heiratspläne seiner Schwester macht nun auch John Catherine auf seine ungeschickte Weise indirekt einen Antrag. Obwohl Catherine ihm deutlich zu verstehen gibt, dass sie ihn nicht mag, fühlt er sich ermutigt. Sie selbst hingegen wird durch einen Besuch bei den Tilneys ernüchtert. Die Geschwister erscheinen ihr bei aller Höflichkeit schlecht gelaunt, doch auf die abfälligen Bemerkungen Isabellas, die darin ein Zeichen von unverschämter Arroganz erblickt, gibt Catherine nichts – mit Recht, wie sich beim nächsten Ball herausstellt, als Mr. Tilney ihr seine Zuneigung gesteht.
„Auch wenn für den größeren und anspruchsloseren Teil des starken Geschlechts Schwachsinn den weiblichen Charme wesentlich erhöht, gibt es unter ihnen doch einige, die zu vernünftig und zu aufgeklärt sind, um sich von einer Frau überhaupt etwas anderes als geistige Schlichtheit zu wünschen.“ (S. 121)
Auf dem Ball erscheint auch Hauptmann Frederick Tilney, Henrys älterer, sehr attraktiver Bruder, der sich von Isabellas Schönheit beeindruckt zeigt. Obwohl Isabella, als Verlobte von James, versichert hat, sie werde in dessen Abwesenheit mit niemandem tanzen, gibt sie Hauptmann Tilneys Drängen schließlich nach. Als James ihr wenig später in einem Brief mitteilt, sein Vater werde ihm die eigene Pfarrstelle mit einem Einkommen von 400 Pfund überlassen, ist Isabella enttäuscht: Vermögen sei zwar nicht wichtig, aber mit romantischen Vorstellungen allein lasse sich keine Familie ernähren. Catherine, die nichts so sehr verabscheut wie Geldhochzeiten, bezweifelt langsam, dass ihre Freundin sich wirklich so wenig aus Geld macht, wie sie vorgibt. Zumal Isabella weiter heftig mit Hauptmann Tilney flirtet. Als sie Catherine auch noch erzählt, John wolle um ihre, Catherines, Hand anhalten, fällt Catherine aus allen Wolken, da sie ihm niemals Anlass zu irgendwelchen Hoffnungen gegeben habe.
Übersteigerte romantische Fantasien
Die sechs Wochen in Bath neigen sich ihrem Ende zu. Catherine ist traurig über den baldigen Abschied von den Tilneys. Umso größer ihre Freude, als Vater und Tochter Tilney sie einladen, mit nach Gloucestershire zu kommen, wo sie einige Wochen im familieneigenen Kloster Northanger verbringen wollen. Schon immer hat sich Catherine gewünscht, einmal eine Burg oder ein Kloster zu erkunden! Dass Hauptmann Tilney nicht mitkommen wird, sondern in Bath bei Isabella bleiben will, bereitet ihr jedoch Sorge. Weiß er überhaupt, dass Isabella mit James verlobt ist? Henry indes verteidigt seinen Bruder: Er möge zwar um Isabella werben, doch diese trage die Verantwortung, weil sie darauf eingehe: Sie behauptet, den einen zu lieben, flirtet aber mit dem anderen.
„Ja, ich kann mich nicht gut genug ausdrücken, um unverständlich zu sein.“ (Catherine, S. 144)
Auf der Fahrt nach Gloucestershire beschreibt Mr. Tilney Catherine das Kloster als düsteren Ort mit verborgenen Gängen, schweren Samtvorhängen, geheimnisvollen Sekretären und im Wind flackernden Lichtern. Halb im Scherz prophezeit er ihr die Entdeckung eines finsteren Geheimnisses, sodass Catherine sich in einen Schauerroman versetzt sieht. Als sie beim Kloster ankommen, das mit seinem modernen Mobiliar so gar nichts Schauriges an sich hat, ist sie ernüchtert und zugleich erleichtert. Trotzdem kann sie abends nicht einschlafen. Draußen stürmt es, und ein geheimnisvoller, verschlossener Sekretär in ihrem Zimmer weckt ihre Neugier. Als es ihr gelingt, ihn zu öffnen, findet sie darin eine Papierrolle! Sollte sich Mr. Tilneys Prophezeiung erfüllen? Ist sie im Begriff, ein dunkles Geheimnis zu lüften? Gerade will sie das Manuskript lesen, da bläst Zugluft die Kerze aus. Die Finsternis, Sturmböen und das Geräusch von Schritten erschrecken Catherine. Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei, und die geheimnisvolle Handschrift erweist sich als harmlose Wäscheliste.
„Sie konnte sich in ihrer von Dank erfüllten und zu Dank bereiten Stimmung kaum so weit zügeln, um sich mit der gesellschaftlich angebrachten Gelassenheit auszudrücken.“ (über Catherine, S. 151)
Auf einem Rundgang durch den riesigen Park mit General Tilney staunt Catherine über die Schönheit des gotischen Klosters, das Hauptmann Tilney – als ältester Sohn – einmal erben wird. Geld ist aus Sicht des Generals jedoch nicht so wichtig, entscheidend ist für ihn eine sinnvolle Beschäftigung, ein Lebensziel. So soll Henry trotz der Ländereien, die ihm dereinst gehören werden, den Beruf des Pfarrers ausüben. Bei aller Zuvorkommenheit des Generals fühlt sich Catherine in seiner Gegenwart unwohl. Er scheint von finsteren Gedanken geplagt, und aus Miss Tilneys Andeutungen schließt Catherine, dass er seiner verstorbenen Frau ein liebloser Ehemann war. Selbst nach seiner freundlichen Führung durch das Kloster bleibt sie bei ihrem Urteil, er habe einen schlechten Charakter. Warum ließ er bei der Führung das Zimmer aus, in dem seine Frau starb? Hat er sie etwa auf dem Gewissen? Hält er sie womöglich dort gefangen?
„Die romantischen Visionen waren verflogen. Catherine war endgültig aufgewacht.“ (S. 220)
Catherine geht der Sache nach und öffnet die verbotene Tür, aber nichts deutet auf ein Verbrechen hin. Als Henry, dem sie ihren Verdacht gesteht, sie darüber aufklärt, dass seine Mutter an einer langen, schweren Krankheit gestorben ist, ist Catherine tief beschämt über ihre allzu lebhafte Fantasie. Henry hat Recht: Solche Gräueltaten sind doch im christlichen England, wo Sitte und Gesetz herrschen, undenkbar: Der General mag nicht besonders liebenswert sein, aber deshalb ist er nicht gleich ein Verbrecher! Catherine beschließt, bei ihren Urteilen fortan mehr gesunden Menschenverstand walten lassen.
Rückkehr in die Realität
Catherine findet rasch ihr seelisches Gleichgewicht wieder, auch dank Henrys diskretem Umgang mit ihrem überspannten Verdacht. Da erreicht sie eine Nachricht von James: Isabella hat ihn verlassen und sich mit Hauptmann Tilney verlobt. Catherine ist außer sich, und auch Henry und Eleanor sind überrascht, dass ihr Bruder sich für die vermögenslose Isabella entschieden hat, und zweifeln an der Ernsthaftigkeit des Entschlusses. Tatsächlich erhält Catherine wenig später einen Brief von Isabella: Der Hauptmann hat sie bereits wieder verlassen, Isabella will zurück zu James und bittet Catherine um Vermittlung. Doch die durchschaut die scheinheiligen Entschuldigungen und sagt sich von Isabella los.
„Sie begriff, dass ihre Verblendung schon entstanden, ja, dass das ganze Unheil schon lange vor ihrer Abreise aus Bath angerichtet war, und es schien, als ließe sich das Ganze auf den Einfluss der Lektüre zurückführen, der sie sich dort hingegeben hatte.“ (über Catherine, S. 221 f.)
Nach einem gemeinsamen Besuch in Henrys Pfarrei, wo Catherine sich sofort heimisch fühlt, glaubt sie, den Ansprüchen des Generals zu genügen. Doch da erteilt dieser ihr ohne Angabe von Gründen die Anweisung, sie solle unverzüglich Northanger verlassen. Catherine ist bestürzt. Hat sie ihn unwissentlich beleidigt? Nicht triumphierend, wie es sich für eine Romanheldin gehört, sondern beschämt kehrt sie in ihr Heimatdorf zurück, wird aber herzlich empfangen. Da taucht unangekündigt Henry auf, um das Verhalten seines Vaters zu erklären. Aufgrund von Johns prahlerischem Gerede über Catherines Vermögen hat der General sie für eine gute Partie gehalten. Nachdem sie Johns Antrag zurückgewiesen hatte, begann dieser jedoch, ihre Familie schlechtzumachen und als vermögenslos darzustellen. Aus Enttäuschung verwies der General sie dann des Hauses. Doch Henry, überzeugt von Catherines Liebe und entzückt von ihrer natürlichen Art, bittet nun gegen den Willen des Vaters um ihre Hand. Nach seinem Ja zu der vorteilhaften Hochzeit von Eleanor willigt der General schließlich auch in die Verbindung von Henry und Catherine ein. Ihrem Glück steht nichts mehr im Weg.
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Aufbau und Stil
Jane Austens Kloster Northanger ist aus auktorialer Perspektive erzählt, also vom Standpunkt eines allwissenden Erzählers, der in ironischer Distanz zum Geschehen steht. Austen vermeidet langatmige Beschreibungen von Personen oder der sie umgebenden Welt. Die Handlung wird vor allem szenisch, durch Dialoge, Meinungsäußerungen und Deutungen seitens der Figuren vorangetrieben, sowohl in direkter als auch in indirekter Rede. Vereinzelt finden sich auch schon Ansätze von „erlebter Rede“, die das Innenleben der Hauptfigur aus deren eigener Perspektive spiegelt – eine für die damalige Zeit sehr moderne Erzähltechnik, als deren Pionierin Austen gilt. Die Dialoge sind überaus leicht und natürlich und werden von Austen bisweilen recht spöttisch kommentiert. Gerade in der Sprache der Figuren wird der Widerspruch zwischen Schein und Sein deutlich, der die feine Gesellschaft prägt – etwa, wenn Isabella ihr Desinteresse an Geld oder an jungen Männern bekundet, sich in ihrem Handeln aber als durchaus materialistisch zeigt. Dagegen steht Catherines natürliche, direkte Sprache und ihre echte Naivität: Die Protagonistin nimmt die Äußerungen ihrer Gesprächspartner stets für bare Münze, wodurch es zu allerlei Missverständnissen kommt.
Interpretationsansätze
- Kloster Northanger ist in Teilen eine Parodie auf die Gattung der „gothic novel“, die in England im späten 18. Jahrhundert in Mode war. Die Autorin greift auf Stereotype des Schauerromans zurück und übersteigert sie kunstvoll ins Groteske.
- Auch den im 18. Jahrhundert beliebten empfindsamen Frauenroman – in der Tradition etwa von Samuel Richardsons Pamela – in dem sich ein unverdorbenes junges Mädchen in der so eleganten wie korrupten höheren Gesellschaft bewähren muss, persifliert Austen in Kloster Northanger. Geschickt evoziert sie genretypische Klischees, um sich gleich wieder ironisch davon zu distanzieren. So erklärt sie zu Beginn, Catherine sei weder schön noch talentiert, und enttäuscht somit die Erwartung des Lesers nach den üblichen romanhaften Schicksalsschlägen.
- Zugleich zeigt Kloster Northanger unter der humoristischen Oberfläche bereits deutliche Züge des erzählerischen Realismus, der Jane Austens spätere Romane prägt: Im Zentrum steht ein natürliches junges Mädchen mit seinen alltäglichen Sorgen. Catherines Seelenheil wird weniger durch schauerliche Ereignisse als durch den Egoismus, die Scheinheiligkeit und die Geldgier ihrer Mitmenschen bedroht.
- Kloster Northanger enthält romantheoretische Passagen, in denen Austen das Lesen von Romanen gegen die Vorurteile ihrer Zeit verteidigt, es handle sich dabei um eine niedere, vor allem Frauen vorbehaltene Beschäftigung. Allerdings will sie ihre Leser zu richtigem Romanlesen erziehen: Sie wendet sich gegen den literarischen Kitsch ihrer Zeitgenossen und fordert explizit mehr Realitätsbezug.
- Von den Heldinnen des weiblichen Bildungsromans, die am Ende tugendhaftes Verhalten lernen, ist Catherine weit entfernt. Im Verlauf ihres Reifungsprozesses gibt sie nicht nur ihre durch Romanlektüre übersteigerte Fantasie zugunsten eines stärkeren Realitätssinns auf. Sie lernt auch – und darin liegt das aufklärerische, emanzipatorische Moment des Romans –, sich gegen Autoritäten und Respektspersonen zu behaupten.
Historischer Hintergrund
Die heile Welt der Gentry
Das späte 18. Jahrhundert brachte einen tief greifenden politischen Wandel: In Frankreich stürzte die Revolution von 1789 die Herrschaftsverhältnisse um, in England ermöglichte die industrielle Revolution vielerorts den Ausbruch aus einer bis dahin agrarisch bestimmten Wirtschafts- und Lebensweise. Im landwirtschaftlich geprägten Süden des Landes, in dem sich Veränderungen in gemächlicherem Tempo vollzogen, kamen die Neuerungen indes erst mit jahrzehntelanger Verspätung an. Die Natur blieb unversehrt von der Industrialisierung, und die traditionelle gesellschaftliche Rangordnung war hier zu Beginn des 19. Jahrhundert noch weitgehend intakt.
Eine wichtige Rolle spielte auf dem Land nach wie vor die „Gentry“, der obere Mittelstand, der neben dem niederen Adel auch das Land besitzende Bürgertum einschloss. Aufgrund des damaligen Erbrechts, demzufolge die Besitztümer eines Erblassers ungeteilt an den ältesten Sohn übergingen, veränderte sich die Zahl der mit großem Landbesitz ausgestatteten Familien kaum. Jüngere Söhne mussten eine andere Art des Auskommens finden, beispielsweise als Pfarrer, Jurist oder Armeeoffizier. Die Töchter dagegen heirateten oder lebten bei den Eltern, bei Verwandten oder als Gouvernanten in fremden Familien. Anders als etwa in Deutschland waren die Standesgrenzen durchlässig und soziale Konflikte zwischen Bürgertum und Aristokratie unbekannt. Trotz der größeren sozialen Mobilität herrschte jedoch auch in England eine klare Vorstellung davon, welchen Rang jemand innerhalb der Gesellschaft einnahm. Um als „Gentleman“ akzeptiert zu werden, musste man die geschliffenen Umgangsformen und ungeschriebenen Gesetze der vornehmen Gesellschaft verinnerlicht haben. Diese lebte vorzugsweise auf dem Land in Herrenhäusern in gotischem oder klassizistischem Stil, oft auch in alten, modernisierten Burgen und Klöstern.
Nicht nur in Architektur, Malerei und dekorativer Kunst, auch in der Literatur des 18. Jahrhunderts lebte unter dem Begriff des „Gotischen“ das Mittelalter wieder auf – als Teil einer Gegenbewegung gegen den Rationalismus der Aufklärung. Mit seinem Roman Das Schloss von Otranto löste Horace Walpole 1764 eine Flut von „gothic novels“ aus, die von ungesühnten Familienverbrechen und von finsteren Schurken handelten, die arglose hübsche Mädchen bedrohten. Noch in den 1790er-Jahren beherrschte diese Schauerliteratur in den verschiedensten Spielarten den englischen Buchmarkt. Zu den beliebtesten Autoren zählte neben Walpole auch Ann Radcliffe, die mit ihrem Roman Udolphos Geheimnisse 1794 einen Bestseller landete.
Entstehung
Jane Austen schrieb Kloster Northanger vermutlich zwischen 1797 und 1803, aber möglicherweise begann sie den Roman auch schon 1790, im Alter von gerade einmal 15 Jahren. Wahrscheinlich las sie das Werk zunächst im Kreis ihrer Familie vor, die sie als Jugendliche mit derlei parodistischen und satirischen Geschichten zu unterhalten pflegte. 1803 verkaufte Austen das Manuskript – als ersten ihrer Romane – über einen Mittelsmann für 10 Pfund an einen Londoner Verleger, der es letztlich doch nicht veröffentlichte. Als sie sechs Jahre später anonym nachfragte, bot er ihr an, sie könne die Rechte an dem Manuskript zum gleichen Preis zurückkaufen. Wiederum einige Jahre später, 1816, ging Jane Austen auf das Angebot ein. Inzwischen war sie eine selbstbewusste Autorin mehrerer erfolgreicher Romane. Der Verleger erfuhr erst nach dem Rückkauf des Manuskripts den wahren Namen der Autorin. Austen überarbeitete das Werk wahrscheinlich nur geringfügig, ließ es dann aber wieder liegen, da sie zunächst ihren aktuellen Roman, Anne Elliot, veröffentlichen wollte. Als Nächstes sollte dann Kloster Northanger erscheinen, doch Jane Austen erkrankte und starb bald darauf. Erst nach ihrem Tod gab ihr Bruder Henry 1818 Kloster Northanger zusammen mit ihrem letzten abgeschlossenen Werk, Anne Elliot, aus dem Nachlass heraus. In einer biografischen Anmerkung gab er zudem die Identität der Autorin preis, deren Werke bis dahin allesamt anonym mit dem Hinweis „by a lady“ erschienen waren.
Wirkungsgeschichte
Jane Austens Bücher waren in England schon zu Lebzeiten der Autorin sehr populär. Im viktorianischen Zeitalter des späten 19. Jahrhunderts gab es einen wahren Jane-Austen-Kult, von dem besonders die späteren Romane wie Stolz und Vorurteil und Emma betroffen waren. In den 1990er-Jahren erlebte Jane Austen erneut einen Boom, ausgelöst vor allem durch Verfilmungen ihrer Romane. Zunehmend richtete sich die Aufmerksamkeit nun auf Austens Frühwerk, ihre satirischen Texte und Fragmente und auch auf den Roman Kloster Northanger, der gewissermaßen den Übergang zwischen ihren humoristischen und den eher realistischen Texten darstellt. Kloster Northanger wurde zweimal verfilmt, erstmals 1986 unter der Regie von Giles Foster für den Fernsehsender BBC und 2007 unter der Regie von John Jones mit Felicity Jones in der Hauptrolle. 2014 veröffentlichte die schottische Krimiautorin Val McDermid ein Remake von Kloster Northanger, in dem sie die Geschichte in die Gegenwart zu übertragen versucht.
Über die Autorin
Jane Austen wird am 16. Dezember 1775 als siebtes Kind des Pfarrers George Austen und seiner Frau Cassandra in Steventon, Hampshire, geboren. Sie und ihre ältere Schwester Cassandra, der sie sehr nahesteht, erhalten nur eine grundlegende Schulbildung von etwa fünf Jahren. Anschließend bilden sie sich zu Hause in Malerei, Klavierspielen und vor allem in der umfangreichen Bibliothek ihres Vaters weiter. Jane fängt bereits mit zwölf Jahren an zu schreiben. In dieser Zeit entstehen zahlreiche Jugendwerke, die sie später überarbeitet. Zwischen 1795 und 1799 schreibt sie an frühen Fassungen ihrer erst später veröffentlichten Romane. Zeitgenossen beschreiben die junge Jane als begeisterte Tänzerin und Theaterbesucherin. Sie hat einige Verehrer, scheint jedoch nicht besonders am Heiraten interessiert zu sein. Wie ihre Schwester Cassandra bleibt sie ledig. Als ihr Vater 1805 stirbt, sind die Schwestern und die Mutter finanziell von Janes Brüdern abhängig. Häufige Wohnortwechsel zwischen Bath, London, Clifton, Warwickshire und Southampton sowie kürzere Aufenthalte bei mehreren Verwandten prägen diese Zeit. 1809 lassen sich die drei Frauen schließlich in dem Dorf Chawton, Hampshire, nieder. Die wiedergefundene Stabilität weckt in Jane neue kreative Kräfte. Sie bereitet Verstand und Gefühl (Sense and Sensibility, 1811) sowie Stolz und Vorurteil (Pride and Prejudice, 1813) zur Veröffentlichung vor. 1814 erscheint Mansfield Park und 1816 Emma. Jane Austen ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine viel gelesene, wenn auch anonyme Autorin. Sie stirbt im Alter von 41 Jahren am 18. Juli 1817, wahrscheinlich an der Addison-Krankheit, deren Ursache damals unbekannt und die nicht behandelbar ist. Die Romane Anne Elliot (Persuasion) und Kloster Northanger (Northanger Abbey) erscheinen postum im Jahr 1818. Erst zu diesem Zeitpunkt gibt Janes Bruder Henry die Urheberschaft aller sechs Werke bekannt.
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