Alfred Jarry
König Ubu
Reclam, 2008
Was ist drin?
Ein Hanswurst und Massenmörder, der in die Theatergeschichte einging.
- Komödie
- Moderne
Worum es geht
Ein Pennälerscherz als Keimzelle des modernen Theaters
König Ubu war ursprünglich eine Paukersatire – und sie stammte nicht einmal von Alfred Jarry. Den Pennälerscherz aus der Feder eines Mitschülers schrieb er über Jahre hinweg immer weiter um. Schon früh war aus dem verlachten Physiklehrer die groteske Gestalt Ubu geworden, eine Mischung aus Hanswurst und Massenmörder. Und aus Insiderscherzen entstand eine Komik der äußersten Übertreibung, eine groteske Vermengung von Witz und Gewalt. Niederste Impulse wurden ohne jeden Versuch der Verschleierung, ohne irgendein Zugeständnis an Sitte und Anstand direkt auf die Bühne gebracht. Das war neu und wirkt heute immer noch verblüffend unmittelbar. Das Premierenpublikum fühlte sich verhöhnt und abgestoßen; zu Lebzeiten des Autors nahm kaum einer den Bürgerschreck Jarry ernst. Heute gilt König Ubu als Geburtsstunde des modernen Theaters. Dadaisten und Surrealisten und erst recht die Vertreter des absurden Theaters beriefen sich auf Jarry. Seither hat auch die Geschichte dem Ubu-Erfinder Recht gegeben: Seit 1896 gab es eher zu viele als zu wenige ubueske Gestalten, weshalb das Stück immer noch ungebrochen aktuell ist. Ein großer, grober Spaß – aber auch weit mehr als das.
Take-aways
- Die groteske Komödie König Ubu ist ein Geniestreich des französischen Schriftstellers Alfred Jarry.
- Inhalt: Mutter Ubu überredet Vater Ubu, den König von Polen zu ermorden und sich an seine Stelle zu setzen. Das Attentat gelingt, Ubu wird zuerst bejubelt, dann aber gehasst, weil er zum Massenmörder und Diktator mutiert. Schließlich stößt man ihn seinerseits vom Thron. Er entkommt mit Mutter Ubu nach Frankreich.
- Die Figur des Ubu ist eine groteske Mischung aus Hanswurst und Massenmörder.
- Ausgangspunkt von König Ubu war eine Satire auf einen Physiklehrer, die ein Mitschüler von Alfred Jarry verfasst hatte. Der 15-jährige Jarry schrieb das Stück um.
- Jarrys ganzer Werdegang bis zu seinem frühen Tod war von seinem Erstling bestimmt. Er schrieb noch zwei weitere Ubu-Stücke.
- Das Premierenpublikum war von der Derbheit des Stücks schockiert.
- Jarry gab sich als Bürgerschreck und schlüpfte in Gesellschaft manchmal in die Rolle des Ubu.
- Das Stück bringt niedere und meist unbewusste menschliche Regungen ungefiltert auf die Bühne.
- Die Dadaisten, die Symbolisten und die Dramatiker des absurden Theaters sahen Jarry als ihren Vorläufer.
- Zitat: „Schoiße!“
Zusammenfassung
Mutter Ubu will Königin sein
Der dicke, ungepflegte Vater Ubu war einst König von Aragon, bis die Spanier ihn stürzten. Jetzt ist er Dragonerhauptmann und militärischer Berater von König Wenzeslas von Polen und eigentlich ganz zufrieden mit seinem Schicksal. Doch Mutter Ubu will mehr: Sie versucht, ihren Mann zum Königsmord anzustacheln, und lockt ihn mit der Aussicht auf Leberwust und Regenkleidung, die er sich dann in unbegrenzten Mengen kaufen könne. Vater Ubu scheint zuerst anzubeißen, gibt sich dann aber doch moralisch. Mutter Ubu ist dennoch überzeugt, ihn am Haken zu haben.
„Schoiße!“ (Vater Ubu, S. 5)
Mit dem Ziel, eine Verschwörung zu organisieren, laden Mutter und Vater Ubu Hauptmann Bordure und seine Gefolgsleute zu einem opulenten Essen ein. Der verfressene Vater Ubu schafft es allerdings nicht, mit dem Essen zu warten, bis der Besuch da ist. Hauptmann Bordure wird dann mühelos als Komplize für den Plan gewonnen, den König zu töten – er offenbart sich als Todfeind von Wenzeslas. Ubu verspricht Bordure, ihn zum Herzog von Litauen zu machen, sobald er selbst König von Polen sei. Als ein Bote das Treffen stört und Vater Ubu zum König bestellt, bekommt Ubu es mit der Angst zu tun. Er befürchtet, aufgeflogen zu sein. Seine rettende Idee ist, einfach alles Mutter Ubu und Bordure in die Schuhe zu schieben.
„Und wer hindert dich, die ganze Familie zu massakrieren und dich an ihre Stelle zu setzen?“ (Mutter Ubu zu Vater Ubu, S. 5)
Beim König wartet Vater Ubu gar nicht erst auf Vorwürfe: Er streitet von vornherein pauschal alles ab und gibt seiner Frau und dem Hauptmann die Schuld. Man hält ihn für betrunken, denn König Wenzeslas hat etwas ganz anderes mit ihm vor: Er will Ubu für seine treuen Dienste belohnen und ernennt ihn zum Grafen von Sandomir. Am folgenden Tag soll es eine Parade geben. An Ubus Plänen ändert die Beförderung aber nichts.
„An deiner Stelle würde ich ebendiesen Arsch auf einen Thron setzen. Dann könntest du deine Reichtümer sagenhaft vermehren, jede Menge Leberwurst essen und in einer Kutsche durch die Straßen fahren.“ (Mutter Ubu zu Vater Ubu, S. 6)
Bald treffen sich die Verschwörer wieder in Ubus Haus. Man diskutiert, wie der König umgebracht werden soll. Ubu ist dafür, ihn zu vergiften, Bordure will ihn mit dem Schwert erschlagen. Nach kurzem Überlegen, ob er seine Mitverschwörer nicht doch lieber gegen Belohnung anzeigen soll, erteilt Ubu dem Hauptmann die Erlaubnis und den Befehl zum Königsmord. Das Attentat soll anderntags bei der Parade vonstattengehen. Als Startsignal wird verabredet, dass Vater Ubu dem König auf den Fuß treten und „Schoiße“ sagen soll.
Der Königsmord
Im Königspalast warnt Königin Rosamunde ihren Mann davor, zur Parade zu gehen. Sie hat geträumt, Ubu habe ihn ermordet und sich selbst zum König gemacht. Wenzeslas hört nicht auf sie – im Gegenteil: Um ihr zu beweisen, dass er sich nicht fürchtet, will er sogar ohne Rüstung und Schwert gehen. Zwei seiner Söhne, Boleslas und Ladeslas, begleiten ihn. Die Königin zieht sich mit dem Jüngsten, dem 14-jährigen Bougrelas, in eine Kapelle zurück, um für die anderen zu beten.
„(...) bei meiner grünen Rotze. Ich vergeh vor Hunger. Mutter Ubu, du bist ja mal wieder besonders hässlich heute.“ (Vater Ubu, S. 7)
Bei der Parade findet der Anschlag wie verabredet statt: Der König wird planmäßig getötet. Boleslas und Ladeslas können zunächst fliehen, die Verschwörer verfolgen sie jedoch und töten auch sie. Die Königin und ihr Sohn Bougrelas beobachten den Mord. Bougrelas kämpft tapfer und kann einige Verschwörer töten. Doch schließlich bleibt ihm und seiner Mutter nur noch die Flucht. Sie entkommen in die Berge und verstecken sich in einer Höhle. Dort stirbt die Königin an Erschöpfung. In der Höhle erscheinen dem jungen Bougrelas seine Ahnen. Der erste König seiner Dynastie, Matthias von Königsberg, reicht ihm ein Schwert, damit er Rache an Vater Ubu nimmt.
„Weh! Zu Hilfe! Heilige Jungfrau, ich bin tot.“ (König Wenzeslas, S. 17)
Währenddessen versuchen Mutter Ubu und Hauptmann Bordure Vater Ubu zu überreden, dass er dem Volk Geschenke macht, um nicht gleich wieder gestürzt zu werden. Doch der neue König ist eigentlich zu geizig dafür. Auch das Argument, er sei doch jetzt sehr reich, vermag ihn nicht umzustimmen. Bordure erwähnt nun einen gewaltigen Schatz in einer Kapelle, den man verteilen könnte, aber Ubu lässt ihn abblitzen. Erst als der Hauptmann und seine Frau ihm vor Augen halten, dass das Volk ohne Geschenke auch sicherlich keine Steuern zahlen werde, gibt er nach. Nun rückt er viel Geld heraus, veranstaltet ein Fest, wirft Gold unters Volk und öffnet seinen Untertanen die Türen des Palasts für ein Festmahl. Ubu wird vom Volk bejubelt. Man feiert eine Orgie. Zu seiner Belustigung veranstaltet Ubu Wettrennen um die Goldgeschenke. Das Fest dauert die ganze Nacht.
Der König wird zum Diktator
Vater und Mutter Ubu sind als König und Königin hochzufrieden mit ihrem neuen Leben. Mutter Ubu erinnert ihren Mann daran, dass er Hauptmann Bordure versprochen hat, ihn zum Herzog von Litauen zu machen. Schließlich hätten sie ihren Aufstieg ihm zu verdanken. Doch das interessiert Ubu jetzt überhaupt nicht mehr. Er hört nicht auf die Warnungen seiner Frau, dass solche Undankbarkeit gefährlich sei: Bordure werde sich vermutlich gegen ihn wenden. Auch ihren Rat, dass es klug wäre, Bougrelas durch Geschenke zu gewinnen, schlägt Ubu in den Wind. Er will nicht schon wieder etwas verschenken.
„Noch mal: ich will mich bereichern. Ich rücke keinen Pfennig raus.“ (Vater Ubu, S. 21)
Das Gegenteil ist der Fall: Der neue König von Polen lässt die Adligen seines Reiches kommen, um sie umzubringen. Sie sind ihm zu teuer. Er lässt sie einzeln antreten und ihre Namen sagen, dann wirft er sie durch eine Falltür. Ganz unten angekommen, werden sie „enthirnt“. Anschließend kündigt er an, Justiz und Finanzen des Reichs reformieren zu wollen. Als einige Richter den Gehorsam verweigern, streicht er ihnen das Gehalt. Als sie damit drohen, unter solchen Bedingungen ihre Tätigkeit einzustellen, wirft er auch sie ins Loch. Ihnen folgen die Finanzbeamten, die es gewagt haben, Ubus Pläne für eine Steuerreform in den Dreck zu ziehen. Von nun an kümmert sich der König höchstpersönlich um das Einziehen der Steuern, indem er seine Untertanen einen nach dem anderen mit einer Meute Bewaffneter zur Herausgabe des Geldes zwingt. Das geschundene Volk ruft zum Widerstand auf und proklamiert Bougrelas als rechtmäßigen König.
„Seht mal, Mutter Ubu, wie sie sich um das Gold raufen. Eine regelrechte Schlacht.“ (Bordure über das Volk, S. 21)
Bordure ist inzwischen Gefangener von König Ubu. Er hat sich gegen ihn aufgelehnt, weil Ubu ihm nicht den versprochenen Lohn geben wollte. Bordure warnt ihn davor, dass seine Verbrechen ihn einholen werden. Doch Ubu gibt sich unbesorgt. Die königlichen Kerker sind für ihre Ausbruchssicherheit berühmt. Dennoch gelingt Bordure die Flucht nach Moskau. Dort bittet er Zar Alexis um Unterstützung für sein Vorhaben, den kleinen Bougrelas auf den Thron zu bringen und den Usurpator Ubu zu töten. Der Zar ist wegen der Ermordung des polnischen Königs misstrauisch und macht Bordure zum Kosakenleutnant. Als solcher soll er sich zunächst bewähren.
„Ich habe die Ehre, euch zu verkünden, dass ich zur Bereicherung des Königreichs den gesamten Adel vernichten und seine Güter einziehen werde.“ (Vater Ubu, S. 25)
König Ubu befindet sich in einer Sitzung mit seinen Finanzräten. Er zeigt sich zufrieden mit der Lage im Land, die neuen Steuern erzielen den gewünschten Effekt. Mutter Ubu fährt ihrem Mann allerdings in die Parade, indem sie behauptet, die Heiratssteuer bringe so gut wie gar nichts ein, da die Leute nun einfach nicht mehr heiraten und sich auch nicht von Ubu dazu zwingen lassen. Ein Bote platzt herein und überbringt einen Brief von Bordure: Darin kündigt der seinen Plan an, Ubu töten und den rechtmäßigen Thronerben einsetzen zu wollen. Prompt fängt Vater Ubu vor Angst an zu schluchzen. Mutter Ubu rät zum Krieg, und so wird es gemacht, nur mit der Einschränkung, dass Ubu auf keinen Fall Geld dafür ausgeben will. Er zieht selbst mit in die Schlacht und überlässt Mutter Ubu so lange das Regieren. Das „Finanzbuch“ nimmt er freilich mit – aus Misstrauen. Er stellt den Spießknecht Giron als Leibwächter für Mutter Ubu ab.
Schlacht und Flucht
Mutter Ubu ist froh, Vater Ubu endlich los zu sein. Sie schleicht nachts in die Krypta der Kathedrale zu Warschau, auf der Suche nach dem Gold, von dem Bordure gesprochen hat. Sie findet es tatsächlich, hinter einer lockeren Steinplatte, in einer Königsgruft zwischen alten Gebeinen. Allerdings rafft sie nur einen Teil davon zusammen, denn ein merkwürdiges Geräusch macht ihr Angst. Eine Stimme aus einem der Gräber ruft ihr zu: „Nimmermehr, Mutter Ubu!“ Sie nimmt Reißaus.
„Zahlt, oder üch stöck oich in den Sack mit Folter und Abschlagen von Hals und Kopf! Potz Wampenhorn, ich bin doch wohl der König hier!“ (Vater Ubu, S. 30)
Unterdessen sammelt Bougrelas auf dem Marktplatz von Warschau Anhänger um sich. Er verspricht dem Volk, sofort alle von Vater Ubu eingeführten Steuern wieder rückgängig zu machen, wenn er erst den Thron seiner Väter zurückerobert hat. Die Leute lassen ihn hochleben. Mit Bougrelas an der Spitze stürmen sie den Palast und töten dabei Mutter Ubus Beschützer, den Spießknecht Giron. Mutter Ubu selbst kann fliehen.
„Der Zar hat ihn sehr freundlich empfangen, schreibt er, und er beabsichtigt, in deine Lande einzufallen, Bougrelas wieder auf den Thron zu bringen und dich zu töten.“ (Mutter Ubu zu Vater Ubu über Bordure, S. 33)
Ubu marschiert derweil mit seinem Heer durch die Ukraine. Er geht zu Fuß, denn sein Pferd ist unterernährt und kann ihn nicht tragen. Er führt es am Zügel. Als ein Bote ihm die Machtübernahme von Bougrelas meldet, schenkt er ihm schlicht keinen Glauben. Endlich trifft seine Armee auf die der Russen. Ubu feuert seine Soldaten zum Massaker an. Er wird durch einen Pistolenschuss verwundet, was ihn jedoch nicht daran hindert, den ebenfalls verwundeten Hauptmann Bordure zu töten.
„Sire Ubu, die Russen greifen an.“ (ein Hauptmann zu Vater Ubu, S. 41)
Der Zar gewinnt schließlich die Oberhand – obwohl er einmal schwer in die Bredouille gerät: als er nämlich in einen Graben fällt, über den König Ubu springt. Doch anstatt den Vorteil zu nutzen, hält Ubu eine Lobrede auf sich selbst. Inzwischen befreien die russischen Dragoner den Zaren. Vater Ubu ergreift mit seinen beiden Spießknechten Pile und Cotice die Flucht. In einer Höhle in Litauen suchen sie Schutz. Als ein Bär sie angreift, rettet Ubu sich feige auf einen Felsen, anstatt den anderen zu helfen. Doch Pile und Cotice behaupten sich und töten den Bären. Ubu steigt von seinem Felsen herab, hilft allerdings nicht beim Zerlegen des toten Bären. Er hält sich schlichtweg aus allem heraus, behauptet aber fortwährend, er habe alle gerettet. Seine Spießknechte ertragen ihn nicht mehr und stehlen sich davon, während er schläft.
Flucht nach Frankreich
Auf ihrer Flucht hat Mutter Ubu zufällig in derselben Höhle Unterschlupf gefunden, in der Vater Ubu jetzt schläft. Sie bemerkt ihn zuerst nicht und jammert vor sich hin: Vier Tage lang ist sie vor ihren Verfolgern geflohen, nachdem der Palast gestürmt und Giron getötet wurde, von dem sie glaubt, er sei in sie verliebt gewesen und für sie gestorben. Sie ist erschöpft, sie friert, sie hat Hunger. Außerdem fragt sie sich, was wohl aus Vater Ubu geworden ist, den sie übrigens nach Strich und Faden bestohlen hat. Während sie sich in der Aufzählung ihrer Betrügereien ergeht, wacht Vater Ubu langsam auf. Er wird sich der Situation aber zunächst nicht bewusst. Mutter Ubu erschrickt. Sie kann den Zufall kaum fassen, der sie und ihren Mann hier zusammengeführt hat, und beschließt, die Dunkelheit auszunutzen und Vater Ubu eine Erscheinung vorzugaukeln. Als Engel zählt sie ihm die Vorzüge seiner Ehefrau auf – die er alle bestreitet – und verlangt, er solle ihr verzeihen, dass sie ein wenig Geld auf die Seite geschafft habe. Nun berichtet sie noch viel ausführlicher, wie sie ihm Geld entwendet hat. Allmählich wird es hell und Vater Ubu erkennt seine Frau.
„Wir schaffen alle Steuern wieder ab, die der abscheuliche Vater Ubu eingeführt hat.“ (Bougrelas zum Volk, S. 38)
Sie beschimpfen sich auf übelste Weise und bringen einander danach auf den neusten Stand: dass Vater Ubu auf der Flucht vor den Russen und Mutter Ubu auf der Flucht vor den Polen ist und wer alles getötet wurde. Dann verdrischt Vater Ubu seine Frau, wobei er ihr in allen Einzelheiten ausmalt, wie er sie zu foltern gedenkt.
„Ich neide sie ihm nicht, seine Krone.“ (Vater Ubu über Bougrelas, S. 59)
Sie werden von Bougrelas unterbrochen, der mit Soldaten in der Höhle auftaucht. Alle hauen und verfluchen einander. Schließlich stoßen die Spießknechte Pile und Cotice dazu und befreien die Ubus aus ihrer misslichen Lage. Vater Ubu begrüßt sie als „Ubuisten“. Zuletzt erschlägt er zwei Feinde am Höhleneingang mit dem Bärenkadaver. Bougrelas wird verwundet.
Vater und Mutter Ubu und ihr Gefolge sind wieder auf der Flucht. Bald lassen ihre Verfolger von ihnen ab, weil Bougrelas zu seiner Krönung muss. Vater Ubu will von der Krone inzwischen nichts mehr wissen. Ein Schiff bringt sie nach Frankreich, Ubus Heimatland. Dabei ertrinken sie allerdings fast, weil Vater Ubu größenwahnsinnig das Kommando über das Schiff an sich reißt. Mutter Ubu freut sich auf ihr Schloss.
Zum Text
Aufbau und Stil
König Ubu hat fünf Akte – das ist allerdings Jarrys einziges Zugeständnis an die traditionelle Dramenkunst. Das Stück ist eine Persiflage so ziemlich aller Theaterkonventionen. Auf allen Ebenen stechen äußerste Übertreibung und anarchische Komik hervor. Die Figuren sind bewusst derb und holzschnittartig gezeichnet und erinnern noch an die Ursprünge des Stücks als Marionettentheater. Das Bühnenbild ist dem Willen des Autors zufolge sehr reduziert und allgemein gehalten, ein Schild soll den genauen Schauplatz der einzelnen Szenen anzeigen. Ganze Armeen werden durch wenige raufende Tölpel dargestellt, und wenn einer stirbt, ruft er: „Ich bin tot!“ All das zielt auf Illusionszerstörung. Auch die Sprechweise der Figuren ist stilisiert. Neben grotesker Direktheit und einem Überfluss an Fäkalwörtern gibt es zahlreiche Wortverbiegungen, so gleich beim ersten Wort des Stücks: „Schoiße“ (französisch: „merdre“ statt „merde“). Auch Worterfindungen prägen das Stück, etwa „Finanzhaken“, „Schweinezange“ oder „Physikstock“.
Interpretationsansätze
- Indem König Ubu die niedrigsten menschlichen Gelüste auslebt, trägt er offen zur Schau, was seine Mitmenschen meist hinter bürgerlicher Fassade verborgen halten. Das Buch ist als literarische Karikatur des Typus des heuchlerischen Bourgeois
zu verstehen.
- Die Handlung ist eine Parodie der Königsmorddramen Shakespeares; so spielt die Figur der Mutter Ubu auf Lady Macbeth an und König Ubu kann als Travestie des King Lear gelesen werden.
- König Ubu kann als Kapitalismuskritik gelesen werden, da das kapitalistische System auf dem allgemein menschlichen Impuls zur Selbstbereicherung beruht, der in der Figur des Vater Ubu repräsentiert ist. Auch das Volk bejubelt den Königsmörder Ubu, solange es von ihm beschenkt wird.
- Die sadistischen Exzesse des Diktators und Massenmörders Ubu verdeutlichen die Nachtseite der menschlichen Seele, das Dunkle, Triebhafte. Dieser Aspekt sprach besonders die Surrealisten an. Im Rückblick auf die historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts sprach man dem Stück prophetische Kraft zu.
- Die Grausamkeit ist zugleich komisch: weil Folterszenen sowohl umständlich als auch nebensächlich beschrieben sind, weil man oft nicht weiß, was man sich unter den Folterinstrumenten vorzustellen hat, weil die Opfer selbst verkünden, dass sie nun tot sind, und weil das Geschehen im Ganzen nicht realistisch und der Folterer ein Hanswurst ist. Diese Mischung aus Grausamkeit und Komik macht den Effekt des Grotesken aus.
- Bei allen Figuren sind sämtliche Verhaltenskonventionen außer Kraft gesetzt. Sie handeln und reden irrational. Psychische Vorgänge werden direkt auf die Bühne gebracht. Das macht Alfred Jarry zum Vorläufer des absurden Theaters.
- Jarry wollte seinem Theater größtmögliche Allgemeingeltung verleihen. Deshalb ließ er etliche Einschränkungen weg. Er vermischt Drinnen und Draußen, Jetzt und Früher, Hier und Anderswo. Ort des Geschehens ist mit Polen ein Land, das Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr auf den Karten existierte. „Polen, das heißt nirgendwo“, schrieb Jarry.
Historischer Hintergrund
Kapitalistische Exzesse Ende des 19. Jahrhunderts
1852 wurde durch eine Volksabstimmung in Frankreich die Kaiserproklamation Napoleons III. bestätigt, der am Ende des Revolutionsjahrs 1848 zunächst zum Präsidenten der Zweiten Republik gewählt worden war. Er regierte autoritär, brachte Frankreich aber zu hohem Ansehen. Unter Napoleon III. erlebte das Land einen wirtschaftlichen Boom und einen Modernisierungsschub. Eisenbahnen, Häfen und Telegrafenlinien wurden gebaut, in Paris schossen Warenhäuser aus dem Boden. Der Bankensektor unterlag nahezu keiner staatlichen Kontrolle. So stand genug Geld für die Finanzierung großer Unternehmungen zur Verfügung. Napoleon III., als geschickter Populist an die Macht gekommen, hatte durchaus ein Gespür für die sozialen Belange des Volks und der Arbeiter, doch die Profiteure des Aufschwungs blieben dennoch die sich schamlos bereichernden großbürgerlichen Schichten. Deren Motto brachte Finanzminister François Guizot auf den Punkt: „Enrichissez-vous!“ („Bereichert euch!“) Genau gegen diese damals entstehende bürgerliche Klasse hatten Karl Marx und Friedrich Engels 1848 ihr Kommunistisches Manifest formuliert. Doch die Oberschicht feierte sich auch im Second Empire unverdrossen selbst, auf Bällen und Pferderennbahnen, in der Oper und im Theater, im endlosen Reigen von Abendgesellschaften. Die Weltausstellung von 1867 bildete einen der Höhepunkte dieser Selbstinszenierungen.
Entstehung
König Ubu geht auf das Stück Die Polen zurück, das der spätere Artillerieoffizier Charles Morin während seiner Schulzeit am Gymnasium in Rennes als Satire auf den Physiklehrer Félix Hébert verfasst hatte. Der schrullige Hébert war die perfekte Zielscheibe für solche Späße, oft verlacht und gequält, ohne jede Autorität bei den Schülern. Der 15-jährige Alfred Jarry war der Klassenkamerad von Charles’ Bruder Henri Morin. Er erkannte das literarische Potenzial in der Figur des Hébert und arbeitete das Pennälerstück 1888 in der sprachlichen Tradition des französischen Renaissanceschriftstellers François Rabelais zu einer grotesken Komödie von größerer Literarizität um, tilgte Insiderscherze und schärfte den dramaturgischen Bogen. Das Stück war für eine Marionettenbühne konzipiert und wurde so auch vor einem amüsierten Publikum mehrmals aufgeführt, auf dem Dachboden im Elternhaus Morin und in der Wohnung von Jarrys Mutter.
Jarry entwickelte das Stück in den folgenden Jahren immer weiter. Als er in der Spielzeit 1896/97 Dramaturg am renommierten Pariser Théâtre de l’Œuvre war, schlug er seinem Chef das Stück zur Inszenierung vor. Dieser willigte nach einigem Zögern ein. Die Satire wurde publiziert, und immerhin ein paar Rezensenten reagierten positiv. Am 10. Dezember 1896 war dann die Uraufführung; das Théâtre de l’Œuvre eröffnete mit Jarrys Stück die Spielzeit. Regie führte der Direktor des Theaters persönlich, Aurélien Lugné-Poe; das Bühnenbild hatten die berühmten Maler Pierre Bonnard und Henri de Toulouse-Lautrec gestaltet, und die Begleitmusik hatte der erfolgreiche Operettenkomponist Claude Terrasse komponiert.
Wirkungsgeschichte
Die Premiere wurde zum Skandal. Einige Avantgarde-Anhänger im Publikum waren begeistert, die traditionell Gesinnten aber empört. Schon nach dem ersten Fäkalwort waren Schmährufe zu hören und einige Zuschauer verließen das Theater. In der Presse wurde die Aufführung verrissen. Der Kritiker Paul Souday schrieb: „Im Grunde ist König Ubu nur ein Gewebe aus Dürftigkeiten, mit maßlosen Fäkalspäßen eines flachen Geistes. Ubu treibt Verschwörung, tötet den König, macht sich selber zum König, wird seinerseits gestürzt und flieht per Schiff; er ist schmutzig, ungehobelt, gefräßig, habsüchtig, grausam und feige. Das ist alles.“ Der einzige Theaterkritiker, der König Ubu positiv aufnahm, soll angeblich sofort von seiner Zeitung entlassen worden sein. Das Stück wurde schnell vom Spielplan gestrichen. Der fulminante Misserfolg führte zu einem zeitweiligen Bruch zwischen Jarry und dem Theaterdirektor Lugné-Poe. Der Dichter Stéphane Mallarmé gehörte zu den wenigen begeisterten Zeitgenossen. Er schrieb in einem Brief an Jarry: „Sie haben (...) eine erstaunliche Persönlichkeit aus einem seltenen, widerstandsfähigen Material losgelassen, und Sie haben sich dabei als ein sicherer, besonnener dramatischer Bildhauer erwiesen. Die Figur gehört in das erlesenste Repertoire, und sie verfolgt mich bereits.“
Jarrys Werk war weder zu Lebzeiten noch unmittelbar danach großer Ruhm beschert. Immerhin bezeichneten sowohl die Dadaisten, die auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs mit Kulturzerstörung antworteten, als auch danach die fantasieverherrlichenden Surrealisten Jarry als ihren Vorläufer. Zu einer regelrechten Wiederentdeckung kam es dann durch die Dramatiker des absurden Theaters in den 1950er-Jahren. Nun spielten auch große Theater König Ubu. Heute weiß angeblich jeder zweite Franzose, wer Ubu ist, sogar wenn er das Stück selbst nicht kennt. Diese Bekanntheit schlägt sich im Adjektiv „ubuesque“ nieder, das in etwa mit „grotesk“ zu übersetzen ist.
Über den Autor
Alfred Jarry wird am 8. September 1873 im französischen Laval als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns geboren. Bis 1888 geht er in Saint-Brieuc zur Schule, danach besucht er das Gymnasium in Rennes, wo er die Spottschrift eines Mitschülers auf den gemeinsamen Physiklehrer zu dem Stück König Ubu (Ubu roi) umarbeitet. Parallel dazu entsteht auch Ubu Hahnrei (Ubu cocu). 1891 kommt Jarry nach Paris und macht dort sein Abitur. Danach bewirbt er sich mehrmals an der Eliteuniversität Ecole normale supérieure – ohne Erfolg. Er beginnt ein Philologiestudium an der Sorbonne, das er aber abbricht. Es zieht ihn zum Theater und zur Literatur. Er besucht Künstlerkneipen und knüpft wichtige Kontakte, etwa zu den Dichtern Stéphane Mallarmé und Marcel Schwob. Der knapp 20-Jährige veröffentlicht einige lyrische und prosaische Texte, zunächst selbstfinanziert. Damit erntet er freundliche Aufmerksamkeit, vor allem von den Symbolisten. Der Theaterdirektor Aurélien Lugné-Poe holt Jarry in der Spielzeit 1896/97 als Dramaturg an sein Théâtre de l’Œuvre und besorgt selbst die Uraufführung von König Ubu. Nach dem Theaterskandal, den die Aufführung auslöst, ist Jarrys Name in der ganzen Stadt bekannt. Jarry tut ein Übriges, indem er sein Leben zum Kunstwerk erklärt und als Bürgerschreck auftritt. So trägt er in Gesellschaft eine aufgemalte Krawatte, und wenn er Fahrrad fährt, benutzt er keine Klingel, sondern schießt einen Revolver ab. 1899 schreibt er Ubu in Ketten (Ubu enchaîné) als Gegenstück und Fortsetzung von König Ubu. Die Gestalt des Ubu dominiert nicht nur Jarrys Werk, sondern auch sein Leben. Jarry imitiert Ubus Redeweise und unterschreibt Briefe als Ubu. Einige Leute amüsieren sich über seine Streiche, einige Gönner unterstützen ihn, doch wirklich ernst genommen wird sein Werk zu seinen Lebzeiten nicht. Jarry führt das Leben eines hungernden Bohemiens und verfällt dem Alkohol. Am 1. November 1907 stirbt er 34-jährig an den Folgen einer tuberkulösen Hirnhautentzündung.
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