- Philosophie
- Mittelalter
Worum es geht
Erstaunlich modern und ermüdend kleinlich
Bacons Kompendium ist eine mutige Streitschrift und ein fast schon aufklärerischer Appell. Die Botschaft: Der Mensch soll sich auf seine Vernunft und seine Erfahrung verlassen, nicht auf die anerkannten Autoritäten. Das klingt nach Emanzipation aus der geistigen Unmündigkeit – ein Gedanke, der erst Jahrhunderte später zum zentralen Gedanken der Aufklärung wurde. Bacons Text zeigt uns heute, was alles im späten Mittelalter bereits gedacht und ausgesprochen werden konnte, ohne dabei allerdings die Wahrheit der Bibel oder die Vormachtstellung der Kirche in Zweifel zu ziehen. Hier wird kein Umsturz gepredigt, hier werden Reformen mit den Mitteln der Logik gefordert und begründet. Der Umfang und der Anspruch von Bacons Vorhaben sind beeindruckend. Die Lektüre ist allerdings für den heutigen Leser kein reines Vergnügen. Der Text ist auch ein besserwisserisches Pamphlet und ein detailversessenes Wörterbuch, das die sprachlichen Kenntnisse des Autors vorführt. Das mag Altphilologen interessieren, für den Laien erschließt sich der Charme des mittelalterlichen Griechischunterrichts eher nicht.
Zusammenfassung
Über den Autor
Roger Bacon wird um das Jahr 1220 im Südwesten Englands geboren. Seine wohlhabende Familie ermöglicht ihm eine Ausbildung in Oxford. Schwerpunkt seiner Studien sind die aristotelischen Schriften. Nach der Erlangung des Magistertitels unterrichtet er dort noch einige Jahre und geht danach an die Universität Paris, wo er als Experte für Aristoteles Vorlesungen hält. In Paris macht er die Bekanntschaft des Naturwissenschaftlers Petrus Peregrinus, der großen Einfluss auf ihn hat. Um 1247 kehrt Bacon nach Oxford zurück und beschäftigt sich ausgiebig mit Mathematik, Geometrie und Optik. Er gilt als Erfinder der Brille und Vordenker für Erfindungen wie Teleskop und Mikroskop. Bacon lernt Griechisch, Hebräisch und Arabisch, um wissenschaftliche und geistliche Schriften im Original studieren zu können. In den 1250er-Jahren tritt er dem Franziskanerorden bei. Hier forscht er weiter, bis ein Wechsel in der Ordensführung ihn zwingt, seine Studien zu beenden. Bacon wird in ein französisches Kloster versetzt, wo er den Kardinal Guy de Foulques, den späteren Papst Clemens IV., kennenlernt. In ihm gewinnt er einen mächtigen Fürsprecher. Bacon verfasst seine drei Hauptwerke Opus maius, Opus minus und Opus tertium, doch bevor die darin vorgetragenen Vorschläge für eine neue Wissenschaft zur Entfaltung kommen können, stirbt Clemens. 1271/72 verfasst Bacon das Kompendium für das Studium der Philosophie (Compendium studii philosophiae), das ihm wegen polemischer Kritik an der vorherrschenden Scholastik viel Missgunst einbringt. Angeblich wird er von seinem Orden 1278 unter Arrest gestellt. Erst um 1290 gewinnt er im Zuge einer allgemeinen Amnestie seine Freiheit zurück. In Oxford schreibt er 1292 sein letztes, unvollendetes Werk Compendium studii theologiae und stirbt im selben Jahr.
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