Ingo Hamm
Lust auf Leistung
Wie wir Arbeit (wieder) lieben lernen
Vahlen, 2024
What's inside?
Die eigenen Stärken entdecken, seinen Werten folgen und einfach mal machen: So gewinnen Sie wieder Freude an der Arbeit!
Rezension
Der Berufsalltag ist oft gespickt mit Frustrationen. Eine Viertagewoche oder Benefits sind dann, so Ingo Hamm, nur vermeintliche Auswege. Entscheidend ist es, die Lust an der Leistung zurückzugewinnen. Das gelingt, wenn wir die eigenen Stärken entdecken, loslegen und in einen Flow kommen. Seine These, dass wir uns einfach auf die Aspekte unseres Jobs konzentrieren sollen, die wir mögen, ist an sich nicht neu und an manchen Stellen etwas zu einfach. Dennoch kann das Buch helfen, einen neuen Blick auf Leistung zu gewinnen, und dazu motivieren, aktiv etwas für das eigene Wohlbefinden im Beruf zu tun.
Take-aways
- Weniger zu arbeiten, macht uns nicht zufriedener.
- Jeder „Bullshit-Job“ kann zum Glücksberuf werden.
- Im „Flow“ kommt die Leistungslust von ganz allein.
- Wir können uns Leistungslust aneignen, indem wir unseren inneren Antrieb in unserem Beruf finden.
- Die Kunst, mit Rückschlägen umzugehen, lässt sich erlernen.
- Die persönlichen Werte sollten mit denen des Unternehmens übereinstimmen.
- Um Leistungslust zu entwickeln, sollten Sie aktiv werden und sich die richtigen Herausforderungen suchen.
Zusammenfassung
Weniger zu arbeiten, macht uns nicht zufriedener.
Der Zeitgeist lässt uns glauben, dass eine Viertagewoche erstrebenswert ist. Das mache den Menschen glücklich, weil er mehr Zeit mit jenen Dingen verbringen könne, die ihn wirklich erfüllen. Tatsächlich ist vielen die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit verloren gegangen. Dennoch würden laut Umfragen mehr als vier von fünf Menschen weiterhin an ihrem Job festhalten, selbst wenn sie einen Millionengewinn im Lotto machen würden.
Wie zufrieden wir mit unserer Arbeit sind, resultiert vor allem aus der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsalltags und nicht etwa aus einer Work-Life-Balance, die Arbeit und Privatleben als Gegenpole betrachtet. Entscheidend für den Einzelnen ist auch, inwiefern sich die individuelle Lust an der Leistung entfachen lässt. Dazu muss sich der Blick mehr auf einen selbst richten und nicht so sehr auf die äußeren Umstände. Denn Leistungslust entsteht beim Individuum selbst, nicht im Vergleich mit anderen. Bestes Beispiel dafür ist ein Chirurg, der nach einem langen Tag im OP zwar völlig erschöpft ist, aber doch hochzufrieden, weil er seiner Berufung nachgehen konnte.
„Selbstwirksamkeit wird von vielen Psychologen als eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Voraussetzung für nachhaltiges Glück betrachtet.“
In der Lust, zu handeln, tätig zu sein und dabei wirksam zu sein, liegt das Glück. Wir haben es, wenn wir arbeiten, selbst in der Hand. Doch unser Handeln wird im Arbeitsalltag oft untergraben – durch eine überbordende Meeting-Kultur oder durch die Tendenz, immer möglichst alle in Entscheidungen oder Veränderungen miteinbeziehen zu wollen, die sich dann meist dagegenstellen. Wem es dennoch gelingt, im Machen aufzugehen, kommt in jenen fast rauschhaften Zustand, den Kreativitätsforscher als Flow bezeichnen. Letztlich kann jeder Job glücklich machen. Zumindest wenn die Voraussetzung gegeben ist, dass der Einzelne sich voll und ganz aufs Tun konzentrieren kann, will und darf. Das Spannende dabei: Ob es gelingt, hängt vor allem von der inneren Haltung ab.
Jeder „Bullshit-Job“ kann zum Glücksberuf werden.
Die Arbeitsbedingungen sind längst nicht allein entscheidend dafür, ob wir einen Job als furchtbar empfinden – oder ob er uns glücklich macht. Die äußeren Umstände bestimmen auch nicht darüber, ob wir Leistungslust erleben und Zufriedenheit empfinden. Selbst viele Menschen, die einen gut bezahlten Traumjob ausüben, sind im Arbeitsalltag oft unglücklich. Was daran liegt, dass bei ihnen die Vergütung und die Arbeitsbedingungen im Vordergrund stehen. Was jedoch fehlt, ist der innere Antrieb.
Dabei haben wir alle etwas, was uns im tiefsten Inneren antreibt. Allerdings ist dieser Antrieb oft verschüttet und wir wissen nicht so recht, wie er sich wiederbeleben lässt. Überraschenderweise verbirgt er sich mitunter dort, wo wir ihn gar nicht vermuten. Ein Beispiel ist ein Mann, der an einer Universität eine Professur für Philosophie innehatte, diese aber kündigte und sein Glück darin fand, als Putzkraft zu arbeiten. Die vermeintlich banale körperliche Arbeit führt jeden Tag aufs Neue zu einem unmittelbar sichtbaren Ergebnis: Sauberkeit. Das kann eine ungeheure Zufriedenheit verschaffen. Der Ex-Professor ist damit nicht allein, denn im konkreten Tun finden viele Menschen eine große Befriedigung.
„Es gibt nicht wenige Menschen, die Leistung als Glück durch Handeln verinnerlicht haben.“
Um also zu entscheiden, was Erfüllung verschafft, jenseits von Verdienst, Ruhm und sozialem Status, ist es wichtig, sich gut zu kennen. Leistung bedeutet keineswegs, immer der Erste und Beste zu sein, sondern Tun, Machen und Bewegen. So wie Kinder oft intuitiv handeln, etwa wenn sie sich einfach ausprobieren. Doch im Erwachsenenalter entscheiden wir uns häufig für das längst Bekannte und betrachten neue Herausforderungen vor allem aus ökonomischer Perspektive: Was bedeutet das für den Gehaltszettel? Dabei kann mit innerem Antrieb jeder noch so unscheinbare Job zu einem erfüllten Leben beitragen.
Im „Flow“ kommt die Leistungslust von ganz allein.
Extremkletterer spüren es, wenn sie am Felsen die Griffe setzen, Kinder kennen es vom Spielen, Künstler, wenn sie musizieren oder malen: das Gefühl, einer Tätigkeit absolut selbstvergessen nachzugehen. Äußere Anreize sind in dem Fall unwichtig, nur der innere Antrieb zählt. Die Tätigkeit an sich ist bereits die höchste Form der Belohnung. Solche intensiven Momente des Tuns lassen sich mitunter selbst bei monotonen Jobs, etwa am Fließband, finden. Doch für einen Flow braucht es Zeit, einen hundertprozentigen Fokus auf die Tätigkeit und ein Feedback durch das Tun selbst.
„Eine ganz entscheidende Abkürzung zum Flow ist die Passung zwischen Aufgabe und Fähigkeiten, also auf gut Deutsch der Schwierigkeitsgrad.“
Um in der Arbeitswelt in einen Flow zu kommen, ist es wichtig, sich nicht zu überfordern. Denn das kann langfristig in ein Burn-out führen. Unterforderung sollte allerdings auch vermieden werden, denn die bringt die Gefahr eines Bore-outs mit sich. Am zuverlässigsten in den Flow führt eine Aufgabe, die einen gerade bis an die Grenze der individuellen Fähigkeiten bringt. Wenn Sie Ihren inneren Antrieb in solchen Aufgaben ausleben können, führt das unweigerlich ins Glück und zu einer Lust an der eigenen Leistung.
Wie aber gelingt es, sich voll und ganz auf eine Aufgabe zu konzentrieren, sich in eine Tätigkeit vollkommen zu vertiefen, selbst wenn der Job unspektakulär ist? Das Zauberwort heißt Job-Crafting. Es meint, die Rahmenbedingungen der Tätigkeit selbstverantwortlich zu verändern. So wie beispielsweise Reinigungskräfte in einem Krankenhaus ihre Arbeit neu gestaltet haben, indem sie mit den Patienten Gespräche führten und sie aufmunterten. Oder wie ein Barista, der eigentlich nur für das einfache Kaffeemachen bezahlt wird, aber die Grenzen seines Jobs erweitert, indem er kleine Kunstwerke in den Milchschaum zaubert.
Job-Crafting kann auch bedeuten, die Beziehung zu seinen Kollegen und Vorgesetzten zu verändern. Oder die eigene Rolle neu zu definieren, sich also nicht nur als Rädchen im Getriebe und Geldverdiener zu sehen. Es geht vor allem um die innere Haltung, die einem sagen sollte: Ich verspüre Leistungslust und mache das Beste aus meinem Job!
Wir können uns Leistungslust aneignen, indem wir unseren inneren Antrieb in unserem Beruf finden.
Letztlich ist es mit der Leistungslust wie mit der körperlichen Fitness: Sie ist weniger eine Folge der genetischen Ausstattung, sondern ein Resultat des beständigen Trainings. Doch heutzutage lässt sich an vielen Stellen eine kulturell geprägte Leistungsverweigerung und Leistungsunlust konstatieren.
„Kinder sind extrem leistungsorientiert, oft bedeutend mehr als ihre Eltern – bevor Letztere Ersteren die Leistungslust gründlich austreiben.“
Schüler und Jugendliche finden Leistung oft uncool, weil sie mit Strebertum gleichgesetzt wird. Dabei ist die Lust an Leistung etwas zutiefst Menschliches. Sie muss allerdings bei vielen reaktiviert werden. Dabei sollte der Wunsch nach Erfolg mit der Furcht vor Misserfolg in Einklang gebracht werden. Beides hat seine Berechtigung. Doch wer es sich zu leicht macht und alle Misserfolge umgeht, wird sich auch kaum über seine Erfolge freuen.
Den Anreiz zur Leistung sollte die Tätigkeit selbst bieten. Nicht für Gratifikationen strengen wir uns an, sondern für unser Seelenheil und unser Selbstwertgefühl. Letztlich ist es der Sinn eines erfüllten Lebens: dem inneren Antrieb zu folgen. Doch wohin richtet der sich? Grundsätzlich gibt es 17 Archetypen der beruflichen Tätigkeit, die es schon immer gab und immer geben wird. Dazu zählen unter anderen Handwerker, Händler, Richter, Heiler, Erfinder oder Lehrer. Jeden Menschen sprechen zwei bis drei dieser Tätigkeiten besonders an – und am Ende eine, von der er sagt: „Das genau ist es!“ Zum Glück lässt sich genau diese Tätigkeit, die dem inneren Antrieb entspricht, in vielen Berufen finden. Es gilt also, sie im eigenen Beruf zu entdecken. Eine Kündigung ist dagegen nur sinnvoll, wenn es absolut keine Freiheitsgrade im derzeitigen Job gibt.
Die Kunst, mit Rückschlägen umzugehen, lässt sich erlernen.
Rückschläge gehören zu jedem Berufsleben. Dann gilt es, stressresistent zu sein. Das gelingt jenen Menschen besonders gut, die resilient sind. Resiliente Menschen lassen sich nicht von jedem Rückschlag entmutigen und haben ein soziales Netzwerk, das sie unterstützt, bestenfalls auch einen Mentor.
„Resiliente Menschen sind keine Superhelden. Sie drücken sich lediglich nicht vor Widrigkeiten, sondern packen sie proaktiv an.“
Zwillingsstudien besagen, dass Resilienz zu etwa 50 Prozent vererbt ist. Der übrige Anteil lässt sich erlernen, etwa indem wir aktiv auf den Schmerz zugehen. Der Extremschwimmer André Wiersig testete am eigenen Leib an Land, wie schmerzhaft das Gift der Quallenart ist, die ihn demnächst im unbekannten Gewässer erwartet. So wusste er, welcher Schmerz ihn im Ernstfall erwarten würde, und konnte ihn beim Schwimmen dann auch entsprechend besser ertragen.
Resiliente Menschen fühlen sich natürlich auch mal überfordert, aber ihre innere Stimme sagt ihnen nicht: „Oje, was für ein Riesenproblem!“, sondern: „Da lässt sich doch was machen, ich fange jetzt erst mal an!“ Resilienz hat zudem weniger mit dem tatsächlichen Ausmaß an Stress zu tun, sondern mit den subjektiven Erwartungen und der inneren Einstellung. Insofern ist der Blick nach innen wichtig, denn dort lässt sich die eigene Resilienz entdecken. Wer zusätzlich den Blick nach außen richtet und sich Unterstützung holt, macht alles richtig. Wer auf diese Weise seine Resilienz trainiert, erlebt grundsätzlich weniger Stress als ein fragiler Mensch. Resiliente Menschen, die sich so Steine aus dem Weg räumen, erfahren zudem Leistungslust und Selbstwirksamkeit.
Die persönlichen Werte sollten mit denen des Unternehmens übereinstimmen.
Es ist kaum möglich, mit seinem Job glücklich zu werden, wenn die eigenen Überzeugungen mit Füßen getreten werden. Repräsentiert das Unternehmen jedoch die persönlichen Werte, strengen wir uns besonders an. Das wiederum trägt zum Erfolg der eigenen Arbeit und zum individuellen Glücksgefühl bei.
„Richten wir unser Handeln an unseren Werten aus, erfahren wir automatisch und garantiert Leistungslust.“
Das Problem: Werte sollten in sich widerspruchsfrei sein – das aber ist bei den gut gemeinten Vorsätzen vieler Unternehmen längst nicht immer der Fall. So gibt es etwa Konflikte zwischen den oft genannten Werten „Mut“ und „Tradition“. Ebenso zwischen spezifischeren Werten wie „Förderung der selbstständigen Entscheidungsfindung der Mitarbeitenden“ und dem „offenen, breiten und bewussten Teilen von Informationen“. Wenn ein Mitarbeiter selbstständig entscheiden, aber zugleich alle Informationen, die für die Entscheidung relevant sind, vorab kommunizieren soll, ist die Entscheidung in Wahrheit nicht mehr wirklich selbstständig. Unternehmen, denen es gelingt, Werte widerspruchsfrei und eindeutig zu formulieren, haben einen großen Vorteil in Zeiten des Fachkräftemangels. Denn ein solches Wertegerüst wirkt ungemein anziehend auf Menschen.
Auch die sogenannten Metawerte sind sehr wichtig. Jene Werte, die besagen, wie sich ein Mensch grundsätzlich verhalten sollte. Von Kaufleuten wurden solche Metawerte bereits im 16. Jahrhundert als die „Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns“ formuliert. Es sind Werte, die gleichwohl alt wie modern sind, wie etwa: das Gelten des Handschlags, das Übernehmen von Verantwortung für die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung oder das Prinzip von Treu und Glauben. Und sie bestehen alle den Kant’schen Härtetest für moralische Prinzipien: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ In aktuelles Denken übersetzt bedeutet das nichts anderes als: Lass vernünftiges Denken dein Handeln bestimmen.
Um Leistungslust zu entwickeln, sollten Sie aktiv werden und sich die richtigen Herausforderungen suchen.
„Machen macht glücklich“ – so lautet die einfachste Zusammenfassung der Idee von Leistungslust. Wer diesen sieben Maximen folgt, ist auf der richtigen Spur:
- Die „Weniger ist mehr“-Maxime: Es ist wichtig, den Fokus nicht auf das Analysieren, das Entwerfen von Visionen und das Schmieden von Strategien zu legen, sondern auf das Machen und Anpacken. Das macht uns zu glücklichen Menschen.
- Die „Mach trotzdem!“-Maxime: Hindernisse wie „zu teuer, zu gefährlich, keine Zeit“ gilt es zu überwinden, es sind nur Ausreden. Wer sich zum Machen entscheidet und Restriktionen überwindet, wird auf jeden Fall belohnt.
- Die „Mehr statt Meer“-Maxime: Der Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry irrte mit der Vorstellung, dass die Sehnsucht nach dem Meer dazu führt, dass Menschen ein Schiff bauen. Tatsächlich motiviert uns ein Mehr an Herausforderungen, Kompetenz und Verantwortung – und nicht Träumerei.
- Die „Mach’s passend!“-Maxime: Wir sollten uns nicht an den Job anpassen, sondern die Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen unserer Tätigkeit so gestalten, dass die Herausforderungen zu bewältigen sind.
- Die „Arbeit statt Kohle!“-Maxime: Mehr materieller Lohn und Benefits machen nicht zwangsläufig glücklicher. Entscheidend ist vielmehr die konkrete Tätigkeit – und die damit verbundene Wertschätzung.
- Die „Trag was bei!“-Maxime: Wer seine Aufgaben nur abarbeitet und die negativen Seiten des Jobs sieht, wird unglücklich. Dabei lässt sich in jeder Tätigkeit Sinn und Leistungslust finden, man muss nur danach suchen.
- Die Spitzensportler-Maxime: Es gilt, seine inneren Barrieren kennenzulernen und sie zu überwinden, ohne Angst vor Fehlern. Sich also Aufgaben zu suchen, die nicht zu einfach sind, aber auch nicht zu schwer – herausfordernd, aber bewältigbar.
Über den Autor
Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt. Zuvor hat er als Berater für McKinsey und als Manager in einem DAX-Konzern gearbeitet.
Dieses Dokument ist für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
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