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Männerphantasien
Buch

Männerphantasien

Basel / Frankfurt am Main, 1977/78
Diese Ausgabe: Matthes & Seitz Berlin, 2019 Mehr

Literatur­klassiker

  • Psychologie
  • Moderne

Worum es geht

Faschismus als Angst vor Ich-Auflösung

Als Klaus Theweleits Männerphantasien 1977/78 erschienen, überschlugen sich viele Kritiker vor Lob. Rudolf Augstein sprach im Spiegel gar von der wichtigsten Publikation des Jahres. Das Buch, das sich im linksalternativen Milieu rasch zum Bestseller entwickelte, richtet einen frischen, innovativen Blick auf den Faschismus und interpretiert ihn als zeitloses, gesellschaftsübergreifendes und vor allem männliches Phänomen. Im Zentrum steht nicht Ideologiekritik, sondern die körperliche Wahrnehmung des faschistischen Mannes. Theweleit interessiert sich nicht für politische Überzeugungen und Argumente, vielmehr möchte er verstehen, was der Faschist fühlt, was ihn im Innersten antreibt. Für Theweleit ist es Angst vor der Auflösung des eigenen Ich. Manches an dem ursprünglich als Dissertation verfassten Werk lässt sich kritisieren: der lockere Umgang mit Quellen, die bisweilen ausufernden Zitate, die Neigung des Autors zum Psychologisieren, seine undifferenzierte Kapitalismuskritik. Dennoch lohnt sich die Lektüre des Buches, das auch heute noch überzeugende Erklärungen für bestimmte männliche Verhaltens- und Denkmuster liefert.

Take-aways

  • Klaus Theweleits 1977/78 erschienene Dissertation Männerphantasien gilt als eines der ersten Bücher zur Männerforschung und Körpergeschichte.
  • Inhalt: Der faschistische Mann, der in jeder Epoche und Staatsform vorkommt, ist durch seine erzwungen festen Körpergrenzen gekennzeichnet. Er hat Angst vor Körperauflösung durch Lustempfinden und Entspannung. Frauen teilt er in unantastbare Heilige und schmutzige Huren ein und hält sie sich so vom Leib. Einen Ersatz für lustvolle körperliche Befriedigung findet er in Krieg und Gewalt. Gegen seine Angst vor Ich-Auflösung schafft er Konstrukte wie Staat, Rasse und Nation.
  • Theweleit stützt sich vor allem auf die Freikorpsliteratur der frühen 1920er-Jahre.

Über den Autor

Klaus Theweleit wird am 7. Februar 1942 als Sohn eines Eisenbahnangestellten im ostpreußischen Ebenrode geboren. Gegen Kriegsende flieht er mit seinen Eltern und den fünf Geschwistern nach Schleswig-Holstein, wo er aufwächst. Nach dem Abitur studiert er Germanistik, Anglistik und Musikwissenschaften in Kiel und Freiburg, fühlt sich aber schon bald von dem rein akademischen Zugang zur Literatur abgestoßen. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitet er unter anderem im Hoch- und Tiefbau und auf einer Kieler Werft. Drei Jahre lang ist er Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und Aktivist der 68er-Studentenbewegung. Als die Bewegung in zahlreiche dogmatisch-kommunistische Splittergruppen zerfällt, wendet er sich von der Studentenorganisation ab. Auf der Suche nach neuen Kollektiven gründet er in Freiburg ein Kino und eine Free-Jazz-Band. Nebenbei ist Theweleit als freier Mitarbeiter für den Südwestfunk tätig. Er lernt die Psychoanalytikerin Monika Kubale kennen, die er 1972 heiratet und mit der er zwei Söhne bekommt. 1977/78 erscheint seine Dissertation Männerphantasien, die viel Beachtung findet. Theweleit schreibt noch weitere Bücher, darunter 2004 Tor zur Welt über Fußball. Von 1998 bis 2008 ist er Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Verschiedene Lehraufträge führen ihn unter anderem in die Schweiz und nach Österreich. Darüber hinaus ist er als Gastprofessor an den US-Universitäten Dartmouth College, Santa Barbara und Charlottesville, Virginia. Zusammen mit Rainer Höltschl veröffentlicht er 2008 Jimi Hendrix. Eine Biographie. Seit 2009 lebt Theweleit als Professor im Ruhestand in Freiburg.


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    C. G. vor 6 Monaten
    Passende Zusammenstellung. Das Buch erscheint heutzutage wieder sehr sehr aktuell: siehe "toxische Männlichkeit" und "Incels"...