- Roman
- Realismus
Worum es geht
Eine erstaunlich moderne Kritik am Kapitalismus
Die zeitgenössischen Rezensenten hatten nicht ganz Unrecht: Gottfried Kellers letzter Roman Martin Salander wirkt etwas steif und moralisierend, zumal er im Unterschied zu früheren Werken des Zürcher Schriftstellers weitgehend humorfrei daherkommt. Und die penetrante Anständigkeit der Hauptfigur kann einem auf die Nerven gehen. Martin Salander verliert sein ganzes Vermögen an den skrupellosen Gauner Wohlwend, kommt in Brasilien wieder zu Reichtum und kehrt in die Heimat zurück, nur um schon am ersten Tag festzustellen, dass ihn Wohlwend abermals in den Ruin getrieben hat. Doch ehrlich währt am längsten: Mit Fleiß und harter Arbeit rappelt sich Salander wieder auf, und dank seiner bodenständigen Gattin und seinem Sohn widersteht er auch den Verlockungen blinder Leidenschaft. Der Roman zeichnet das Bild einer Gesellschaft, deren Ideale materieller Gier zum Opfer gefallen sind. Trotz seiner Mängel besticht das Werk deshalb durch seine überraschend aktuelle Kritik am Kapitalismus. Und obwohl die Sprache stellenweise etwas betulich ist, bietet der Roman auch heute noch eine anregende und spannende Lektüre.
Take-aways
Über den Autor
Gottfried Keller wird am 19. Juli 1819 in Zürich geboren. Als er fünf Jahre alt ist, stirbt sein Vater, ein Drechslermeister. Die Mutter Elisabeth ist mit Gottfried und seiner jüngeren Schwester auf sich allein gestellt; sie heiratet kaum zwei Jahre später erneut, doch die Ehe steht unter keinem guten Stern: Die Scheidung erfolgt 1834 und der Familie fehlt es an Geld. In der Folge muss Gottfried die Armenschule besuchen. Später entschließt er sich, Maler zu werden, und absolviert eine Lehre bei einem Lithografen. Danach besucht er die Kunstschule in München, kehrt aber schon nach zwei Jahren wieder in die Schweiz zurück, wo er sich politisch betätigt (er tritt den Freischärlern bei) und Gedichte verfasst. 1848 erhält er von der Schweizer Regierung wegen des Erfolgs seines Gedichtbands ein Stipendium und reist nach Heidelberg und Berlin, wo er u. a. den Philosophen Ludwig Feuerbach kennen lernt, der ihn stark beeinflusst. Keller beginnt mit der Arbeit an seinem wohl wichtigsten Werk, Der grüne Heinrich (1854/55). Der Dichter hat zeitlebens wenig Erfolg bei den Frauen: Mehrmals verliebt er sich unglücklich, seine Verlobte Luise Scheidegger bringt sich 1865 um. Doch trotz seines ständigen Kummers wegen der Frauen wäre Keller ohne deren Unterstützung kaum zu einem solch gefeierten Schriftsteller geworden: Seine Mutter, bei der er lebt, bis er 31 ist, kommt jahrelang für seinen Unterhalt auf, seine Schwester Regula unterstützt ihn ebenfalls. So kann Keller neben dem Novellenzyklus Die Leute von Seldwyla (1856) weitere literarische Werke verfassen, u. a. die Züricher Novellen (1877) und sein Spätwerk Martin Salander (1886). Gottfried Keller stirbt am 15. Juli 1890, er ist auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich begraben.
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