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Materie und Gedächtnis
Buch

Materie und Gedächtnis

Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist

Paris, 1896
Diese Ausgabe: Meiner, 1991 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Moderne

Worum es geht

Eine der ältesten Fragen der Philosophie

Die Beziehung zwischen Leib und Seele – heute würde man eher sagen: zwischen Körper und Geist – beschäftigt Philosophen seit den Anfängen ihrer Disziplin. Platons Höhlengleichnis war einer der Ausgangspunkte für eine Debatte, die in ihren Grundzügen bis heute weitergeführt wird: Wenn alles, wie die Naturwissenschaft behauptet, Materie und damit durch die Naturgesetze determiniert ist, was ist dann die Seele? Oder moderner gefragt: Wie kann man dann Willensfreiheit besitzen? Macht das Ich nicht mehr aus als die Gehirnzustände? In dieser Debatte standen sich über Jahrhunderte Materialisten, die alles Geistige rein aus dem Körperlichen erklären wollten, und Idealisten, die alles Materielle rein aus dem Geistigen zu erklären suchten, gegenüber. Bergson positioniert sich zwischen diesen beiden Polen. Wenn es seiner Theorie insgesamt auch oft an Überzeugungskraft fehlt, so sind doch viele einzelne Gedanken aus diesem Werk bis heute bemerkenswert. Die inspirierende Kraft von Bergsons Thesen zeigt sich deutlich in der vielfältigen Wirkungsgeschichte seiner Schriften.

Zusammenfassung

Gedanken sind keine Gehirnzustände

Sowohl der Geist als auch die Materie haben eine eigene Realität. Die vielfältigen Probleme, die in der Geschichte der Philosophie aus dieser dualistischen Annahme erwachsen sind, sind weit weniger unlösbar als angenommen. Sowohl der Idealismus, der die Materie auf die Vorstellung von ihr reduziert, als auch der Realismus, der den Geist rein materialistisch erklären will, haben Unrecht. Statt von Vorstellungen und von Dingen sollte man von Bildern sprechen, die ein Mittleres zwischen den beiden Extremen sind. Sie sind der menschlichen Intuition viel näher. Philosophen gehen im Allgemeinen davon aus, dass der menschliche Geist vollständig auf Gehirnzustände zurückgeführt werden kann, dass man also, wenn man das Gehirn nur genau genug kennt und beobachtet, sagen kann, was genau der Mensch gerade denkt. Diese Grundannahme gilt es infrage zu stellen. Denn Gehirnzustände greifen nur einzelne Elemente des Gedankens auf: Wenn das Denken ein Theaterstück wäre, dann würden die Gehirnzustände den Bewegungen der Schauspieler auf der Bühne entsprechen, was allerdings kaum dabei hälfe, den Inhalt des Stücks zu begreifen.

Das ganze Universum besteht...

Über den Autor

Henri Bergson wird am 18. Oktober 1859 als Sohn des jüdischen Komponisten Michal in Paris geboren. Während seiner Schulzeit wird er für eine mathematische Problemlösung ausgezeichnet. Er beschließt, Literatur und Philosophie zu studieren und besucht von 1877 bis 1881 die berühmte Pariser École normale supérieure. Nach dem Examen in Literatur legt er die Prüfung für eine Gymnasialprofessur in Philosophie ab. Dieses Fach unterrichtet er in den folgenden Jahren, zunächst in Angers, dann in Clermont-Ferrand. Neben seiner Lehrtätigkeit widmet er sich seinen philosophischen Schriften. Sein erstes Hauptwerk ist der 1889 als Teil seiner Promotion an der Sorbonne entstandene Essay Zeit und Freiheit (Essai sur les donnés immédiates de la conscience). Als zweites Hautpwerk gilt das 1896 erschienene Materie und Gedächtnis (Matière et mémoire)Das dritte, Schöpferische Entwicklung (L’Evolution créatrice), erscheint 1907 und bringt Bergson internationalen Ruhm ein. Sein viertes Hauptwerk ist Die beiden Quellen der Moral und der Religion (Les deux sources de la morale et de la réligion, 1932). 1890 kann Bergson nach erfolgreicher Habilitation an ein Pariser Gymnasium wechseln. Zwei Jahre später heiratet er und wird Vater einer Tochter. 1900 erscheint sein Essay Das Lachen (Le rire), der sich mit einer Theorie des Komischen beschäftigt und großen Einfluss auf den Symbolismus haben wird. Bergson erhält einen Lehrstuhl am renommierten Collège de France, wird in die Académie française aufgenommen und hält unter anderem Vorträge in Oxford und Cambridge. Im Ersten Weltkrieg übernimmt er verschiedene diplomatische Missionen, deren wichtigste darin besteht, den US-Präsidenten Wilson zur Unterstützung Frankreichs im Krieg gegen Deutschland zu bewegen. 1927 erhält er den Nobelpreis für Literatur. In seinen letzten Lebensjahren leidet Bergson an einer rheumatischen Erkrankung und lebt zurückgezogen. Obwohl er sich dem katholischen Glauben verbunden fühlt, lässt er sich 1940, nachdem auch in Frankreich antisemitische Tendenzen zunehmen, demonstrativ als Jude eintragen und gibt damit alle Titel, Mitgliedschaften und Auszeichnungen auf. Henri Bergson stirbt am 4. Januar 1941 in Paris.


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