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Mein Name sei Gantenbein
Buch

Mein Name sei Gantenbein

Frankfurt am Main, 1964
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 1998 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Ich ist ein anderer

Max Frisch führt in Mein Name sei Gantenbein die Brüchigkeit menschlicher Identität vor. Das geht so weit, dass er seine Figuren immer wieder neu erfindet. Der Erzähler selbst tritt in das Geschehen ein, überlegt sich, welche Rolle er annehmen will, und spielt mit der Identität der anderen Personen. Erzählung und Erzähler, Geschichte und Wirklichkeit, wahres und falsches Ich fließen auf verwirrende Art ineinander. Nur die Hauptperson, Gantenbein, bekommt über die Zeit ein greifbares, verfestigtes Ich. Gantenbein gibt vor blind zu sein und freundet sich immer mehr mit dieser Rolle an. Denn plötzlich ändern sich alle seine sozialen Beziehungen: Hinter seiner Blindenbrille kann er die Menschen beobachten, ohne dass sie sich beobachtet fühlen. Sie mögen ihn, weil sie seinen urteilenden Blick nicht zu fürchten haben, und fangen an, sich zu enttarnen. Das Spiel mit den Identitäten gewährt einen entlarvenden Einblick in die moderne Gesellschaft. Die Menschen versuchen, sich selbst und ihre Geschichte als sinnvolles Kontinuum zu erleben und zu erzählen. Beim Erzählen aber, so die Kernaussage, erfindet sich der Mensch erst, mag die Realität auch ganz anders aussehen als deren Rekonstruierung.

Zusammenfassung

Der Erzähler sucht seine Rolle

Ein Mann verlässt hastig eine unterhaltsame Abendgesellschaft und wird später in seinem Wagen tot aufgefunden. Der Ich-Erzähler eröffnet, dass er sich dieses Ende sehr gut für eine seiner Figuren vorstellen könnte: Enderlin vielleicht, oder Gantenbein. Ruhelos verfolgt der Erzähler in verschiedenen Städten Fremde, heftet sich in New York oder Paris an ihre Fersen und geht ihnen so lange nach, bis es entweder zu einer Konfrontation kommt oder er entscheidet, dass sie als Figuren für seine Erzählungen nichts taugen. Während seiner Ruhepausen lauscht er den Erzählungen eines Barkeepers und stellt fest, dass dieser sich seiner Erinnerungen nur gewiss sein kann, wenn er sie als zusammenhängende Geschichte darstellt. Er beneidet den Mann um seine Selbstgewissheit in Bezug auf seine eigene Lebensgeschichte. Der Erzähler dagegen glaubt, dass jede Geschichte eine Erfindung ist: Wenn man über sich selbst erzählt, erfindet man in diesem Moment sein eigenes Ich.

Dann ein Krankenhausaufenthalt: Der Erzähler belästigt eine Krankenschwester und läuft schließlich nackt durch die Straßen von Zürich, überrascht...

Über den Autor

Max Frisch wird am 15. Mai 1911 als Sohn eines Architekten in Zürich geboren. Nach dem Gymnasium beginnt er ein Germanistikstudium, bricht es 1934 ab, arbeitet als freier Journalist, u. a. als Sportreporter in Prag, und verfasst Reiseberichte. Er ist vier Jahre mit einer jüdischen Kommilitonin liiert, die er heiraten will, um sie vor Verfolgung zu schützen, sie lehnt jedoch ab. Ab 1936 studiert er in Zürich Architektur, 1940 macht er sein Diplom. Ein Jahr später gründet er ein Architekturbüro und arbeitet gleichzeitig als Schriftsteller. Er heiratet 1942 seine ehemalige Studienkollegin Gertrud (Trudy) Constance von Meyenburg, mit der er drei Kinder hat. 1951 hält sich Frisch für ein Jahr in den USA und in Mexiko auf. 1954 erscheint sein erster Roman: Stiller. Das Buch ist so erfolgreich, dass Frisch sich nun ganz der Schriftstellerei widmen kann. 1955 löst er sein Architekturbüro auf und bereist die USA, Mexiko, Kuba und Arabien. 1958 erhält er den Georg-Büchner-Preis und den Literaturpreis der Stadt Zürich, ein Jahr später wird seine erste Ehe geschieden. 1960 zieht Frisch nach Rom, wo er fünf Jahre lang mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zusammenlebt – und die 23-jährige Studentin Marianne Oellers kennen lernt. 1961 wird das Theaterstück Andorra uraufgeführt, ein Gleichnis über die fatale Wirkung von Vorurteilen. 1964 erscheint der Roman Mein Name sei Gantenbein. Im Folgejahr übersiedelt Frisch zurück ins Tessin in die Schweiz. 1966 und 1968 unternimmt er größere Reisen in die UdSSR, 1970 folgt wieder ein längerer USA-Aufenthalt. Inzwischen hat er Marianne Oellers, mit der er jahrelang zusammengelebt hat, geheiratet. 1975 veröffentlicht Frisch die autobiografisch gefärbte Erzählung Montauk. Schweizkritische Schriften wie Wilhelm Tell für die Schule (1971) führen in seiner Heimat zu Widerspruch, in Deutschland findet er mehr Anerkennung. 1976 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Max Frisch stirbt am 4. April 1991 in Zürich an Krebs.


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