Rasmus Hougaard
Mindful Business
Wie Sie mit Achtsamkeit wertvolle Zeit gewinnen, erfolgreich arbeiten und zufrieden leben
Ariston, 2018
Was ist drin?
Eine Sekunde entscheidet über Ihre Arbeit, Ihr Leben, Ihr Glück.
Rezension
Achtsamkeit ist bereits seit einiger Zeit ein beliebtes Konzept nicht nur im Lebenshilfebereich, sondern auch in der Geschäftswelt. Was Autor und Achtsamkeitsberater Rasmus Hougaard verspricht, sind effektivere Organisationen mit produktiveren Mitarbeitern dank Achtsamkeit. Ob das realistisch ist, muss sich in der Praxis zeigen. Hougaards Ansatz ist aber immerhin systematisch, leicht anwendbar und wartet mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Untermauerung seiner Grundannahmen auf.
Take-aways
- Multitasking ist eine Illusion.
- Achtsamkeit schärft Ihre Konzentration.
- Eliminieren Sie am Arbeitsplatz alle Ablenkungen.
- Die Grundidee von Achtsamkeit: innehalten, durchatmen, nach innen schauen.
- Hören Sie anderen richtig zu.
- Entspannen Sie sich und machen Sie sich so durchlässig für Ideen aus dem Unbewussten.
- Machen Sie sich Ihre Widerstände gegen Veränderungen bewusst, um eine Umgehensweise dafür zu finden.
- Gehen Sie mit Ihrer geistigen Energie so sorgsam um wie mit Ihrer körperlichen.
- Ändern Sie, was in Ihrer Macht liegt, und nehmen Sie alles andere gelassen hin.
- Mit der ABCD-Atemmethode trainieren Sie Ihre Aufmerksamkeit.
- Sie können sich von Ihren Gefühlen und Gedanken lösen und Ihr Leben selbst bestimmen.
- Achtsamkeit verändert Ihr Leben – und Ihre Firmenkultur.
Zusammenfassung
Multitasking ist eine Illusion.
Sie kennen das sicher: Sie fahren im Auto und telefonieren dabei. Kein Problem, meinen Sie, Sie sind ja multitaskingfähig. Stimmt aber nicht. Das menschliche Gehirn kann nur sequenziell arbeiten. In Wahrheit springt Ihre Aufmerksamkeit hin und her. Das kostet Energie. Trotzdem fühlen Sie sich gut dabei, weil Sie mit einem Schuss Dopamin belohnt werden. Doch Dopamin macht süchtig, sie brauchen immer mehr davon. Vielleicht meinen Sie, dass Ihr hektischer Arbeitsalltag einfach Multitasking verlangt. Doch Forscher haben ausgerechnet, dass wir bei der Arbeit nur zu 53 Prozent bei der Sache sind. Die anderen 47 Prozent schweift unser Geist ab. Schon eine kleine Verbesserung birgt viel Potenzial.
Achtsamkeit schärft Ihre Konzentration.
Achtsamkeit verhilft Ihnen zu einem klaren Blick und zu mehr Konzentration. Sie lernen, präsent und aufmerksam im Hier und Jetzt zu agieren. Dafür gibt es einfache Übungen, die Sie in Ihre täglichen Routinen einbauen können. Es ist ein schwacher Einwand, zu sagen, das lasse der hektische Alltag nicht zu. Der Psychiater Viktor Frankl erkannte, dass wir zwischen Reiz und Reaktion immer die Freiheit haben, zu entscheiden, wie wir reagieren. Wir brauchen dafür nur eine Sekunde der Besinnung. Die schenkt Ihnen Achtsamkeit. Sie müssen nur zwei Regeln verinnerlichen. Regel 1: Sie konzentrieren sich auf genau die Tätigkeit, für die Sie sich entschieden haben. Regel 2: Sie bestimmen, wer oder was Sie ablenken darf. Mails dürfen es nicht, die Chefin schon. Sie bekommt volle Aufmerksamkeit, danach kehren Sie zu Regel 1 zurück. Im Folgenden lernen Sie Methoden kennen, wie Sie mit Achtsamkeit Ihren Alltag bewältigen.
Eliminieren Sie am Arbeitsplatz alle Ablenkungen.
Wenn immer wieder E-Mails Sie aus der Arbeit herausreißen – schalten Sie die Benachrichtigung ab. Checken Sie die Inbox nur zu bestimmten Zeiten und keinesfalls gleich morgens. Das ist die produktivste Zeit des Tages, die Sie nicht mit E-Mails vergeuden sollten. Auch rund die Hälfte aller Meetings ist unnötig. Die andere Hälfte verdient volle Konzentration. Atmen Sie vor Beginn eines Meetings eine Minute lang bewusst und mit voller Konzentration. Das können Sie auch gemeinsam mit den anderen Teilnehmern tun und so Verbundenheit schaffen. Im Meeting sind Ablenkungen wie Mails und Telefonieren natürlich tabu.
Die Grundidee von Achtsamkeit: innehalten, durchatmen, nach innen schauen.
Wundern Sie sich manchmal, warum Sie Ihre Neujahrsvorsätze nicht einhalten? Der Grund ist Ihr Unterbewusstes. Das kennt nur zwei Motive: bekommen, was es mag, und vermeiden, was es nicht mag. Es ist viel mächtiger als Ihr Verstand. Wenn Sie sich mal wieder dabei ertappen, wie Sie gegen Ihre vernünftigen Ziele arbeiten, halten Sie inne, atmen Sie ruhig und fragen Sie sich, was der Grund ist – Glaubenssätze, unbewusstes Verlangen, Abneigung? Wenn Sie das Motiv erkannt haben, betrachten Sie es ruhig und sehen Sie zu, wie es sich unter Ihrer Aufmerksamkeit auflöst. Dasselbe tun Sie, wenn Sie sich bei zielloser Geschäftigkeit ertappen oder wenn Sie ständig Pläne wälzen. Keine Frage, Pläne sind wichtig. Ist ein Plan aber einmal durchgedacht, wechseln Sie ins Hier und Jetzt.
Hören Sie anderen richtig zu.
Effektiv kommunizieren heißt, dass der Empfänger versteht, was Sie senden. Auf Empfängerseite gibt es zwei Hindernisse: Unaufmerksamkeit und kognitive Rigidität. Hier hilft das Akronym STOP: still, teilnehmend, offen und präsent zuhören. Reden Sie dem anderen nicht dazwischen, auch nicht innerlich. Zeigen Sie auch per Körpersprache, dass Sie zuhören. Erlauben Sie sich keine Vorannahmen und gehen Sie davon aus, dass der andere ihnen etwas Nützliches zu sagen hat. Beim Senden hilft das englische Akronym ACT: appropriate, compassionate und timed – angemessen, teilnahmsvoll und zeitbewusst. Sagen Sie nur, was hilfreich ist und nützt. Seien Sie mitfühlend, aber geben Sie auch (konstruktives) Feedback, wenn jemand Fehler macht. Schwafeln Sie nicht.
Entspannen Sie sich und machen Sie sich so durchlässig für Ideen aus dem Unbewussten.
Wenn Picasso kreativ sein wollte, recherchierte er sorgfältig alles rund um ein Thema und nahm dann ein Bad. Entspannung lässt die Ideen sprudeln. In der Achtsamkeitslehre sieht das so aus: Problem formulieren, sich davon lösen, sich Zeit geben, ein Schläfchen machen, spazieren gehen oder sich anderweitig körperlich bewegen – und die Ideen, die das Unterbewusste dann nach oben schickt, gleich aufschreiben.
Machen Sie sich Ihre Widerstände gegen Veränderungen bewusst, um eine Umgehensweise dafür zu finden.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. 95 Prozent unseres Verhaltens gehen auf Gewohnheiten zurück. Gewohnheit gibt uns Sicherheit, während Neues Angst auslöst. Die achtsame Lösung zum Umgang mit Veränderung ist, eine Veränderung zunächst neugierig wahrzunehmen und so viele Informationen wie möglich dazu zu sammeln. Nehmen Sie dann Ihre Widerstände wahr und beobachten Sie sie, forschen Sie nach den Gründen. Sind Ihre Bedenken berechtigt oder nur Angst, etwas Vertrautes loslassen zu müssen? Nun entscheiden Sie, wie Sie mit der neuen Situation umgehen wollen: Sie können sie akzeptieren, beeinflussen, ablehnen, Alternativen vorschlagen – was immer Sie jetzt tun, Sie tun es mit klarem Verstand.
Gehen Sie mit Ihrer geistigen Energie so sorgsam um wie mit Ihrer körperlichen.
Wir wissen, dass der Körper seine Leistungsfähigkeit aus Schlaf, Nahrung und Bewegung bezieht. Doch auch unser Geist beeinflusst – je nachdem, wie wir ihn nutzen – unseren Energiehaushalt. Schlechte Gedanken etwa kosten Energie, ebenso vermeintliches Multitasking oder zielloses Umherwandern des Geistes.
„Es ist möglich, das Gehirn mithilfe von Mindfulness so zu trainieren, dass es auf die ständigen Unterbrechungen der heutigen Zeit anders reagiert.“ “
Zum Thema Schlaf: Abends beginnt die Epiphyse das Schlafhormon Melatonin auszuschütten, eine Welle entsteht, deren Höhepunkt gegen zwei Uhr morgens liegt. Wer die Welle möglichst früh erwischt, kann sich von ihr durch die Nacht tragen lassen. Abträglich sind hier Bildschirme aller Art. Deren Licht hat einen großen Blauanteil, was der Melatoninausschüttung entgegenwirkt und uns wach hält. Achtsam einschlafen heißt: sich kurz auf die Bettkante setzen, die Augen schließen und ein kurzes Achtsamkeitstraining machen, die Gedanken ziehen lassen, atmen, entspannen, einschlafen.
„Wenn Sie Ihren Körper entspannen, entspannen Sie auch Ihre Gedanken.“ “
Zum Thema Essen: Hören Sie auf Ihren Magen. Er weiß, wann Sie satt sind. Die meisten Menschen essen aus Gewohnheit weiter. Wenn Sie das nächste Mal Heißhunger haben, halten Sie inne und spüren Sie dem Gefühl nach, ohne darauf einzugehen. Womöglich verschwindet es so ganz von selbst.
Zum Thema Bewegung: Treppensteigen, zu Fuß gehen oder Radfahren mag unbequem sein. Aber es hält Sie fitter als Fahrstuhl, Auto oder Bus.
Ändern Sie, was in Ihrer Macht liegt, und nehmen Sie alles andere gelassen hin.
Ergänzend zu den Methoden der Achtsamkeit gibt es acht Strategien, die eine Brücke zwischen Ihrem Alltag und Ihrem täglichen Training schlagen:
- Leben Sie in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Wenn Sie präsent sind, ist Ihr präfrontaler Cortex (Stirnlappen) aktiv. Schweifen Sie ab, wandert die Aktivität in verschiedene andere Areale des Hirns. Das ist anstrengend und ineffizient. Sie können sich aber bewusst entscheiden, nicht abzuschweifen.
- Ein Moment Geduld in einem Moment des Ärgers erspart tausend Momente Kummer. Grob gesprochen besteht das Gehirn aus dem uralten Reptiliengehirn (Reflexe), dem alten limbischen System (Gefühle) und dem jungen Großhirn (Denken). Wird es stressig, übernimmt das Reptilienhirn die Kontrolle: Das heißt dann Kampf oder Flucht. Wenn Sie sich ärgern, hilft es nicht, den Ärger zu unterdrücken. Nehmen Sie stattdessen das Gefühl wahr, nehmen Sie es an, atmen Sie und entscheiden Sie dann gelassen, wie Sie damit umgehen.
- Freundlichkeit beginnt bei jedem selbst. Behandeln Sie andere so, wie Sie selbst behandelt werden wollen. Freundlich sein heißt nicht nur höflich sein, sondern gütig – das Gegenteil von ärgerlich. Ärger macht nur krank.
- Bewahren Sie Ihren Anfängergeist. Abgeklärt und cool – so reagierte der damalige Nokia-CEO auf das erste iPhone. Ein Nischenprodukt, meinte er. Hätte er es wach und neugierig betrachtet, wäre Nokia vielleicht noch im Rennen. Wer meint, alles gesehen zu haben, sitzt schon in der Falle.
- Akzeptieren Sie, was Sie nicht verhindern können. Was wir nicht mögen, lehnen wir ab. Doch es gilt: Schmerz mal Widerstand gleich Leid. Wenn Sie etwas ändern können, tun Sie es. Wenn nicht, kämpfen Sie nicht dagegen an. Das macht die Sache nur schlimmer. Schonen Sie Ihre Ressourcen für die Dinge, die Sie beeinflussen können.
- Trainieren Sie Gelassenheit. Instinktiv urteilen wir schnell: Mag ich, mag ich nicht. Ersteres ist uns lieber, weil das Gehirn dann Dopamin ausschüttet. Dessen natürlicher Gegenspieler ist Serotonin. Es unterdrückt impulsives Verhalten und schafft Klarheit. Dafür braucht es nur ein kurzes Innehalten zwischen Reiz und Reaktion: eine Sekunde.
- Aktivieren Sie Freude. Denken Sie an jemanden, den Sie mögen. Das fühlt sich gut an. Nun denken Sie an jemanden, den Sie nicht mögen. Das ist eher unangenehm. Fazit: Sie können willkürlich Gefühlszustände herbeiführen. Genauso können Sie entscheiden, ob Sie Ihre Arbeit mögen oder nicht. Das ist nicht immer leicht, lohnt sich aber.
- Üben Sie, loszulassen. Ein einzelner Gedanke, der in Ihrem Kopf auftaucht – die Tibeter nennen ihn „Nam“ – tut nichts. Doch er zieht weitere Gedanken nach sich – „Tok“ genannt –, oft ganze Kaskaden. Die sind selten hilfreich. Der Trick: Lassen Sie den Nam los, bevor die Toks kommen. Sonst kommen Sie ins Grübeln – und das bringt nichts.
Mit der ABCD-Atemmethode trainieren Sie Ihre Aufmerksamkeit.
Eine wichtige Fähigkeit ist die der gebündelten Aufmerksamkeit – sich auf etwas konzentrieren zu können, ohne sich ablenken zu lassen. Mit der ABCD-Methode lässt sich diese Fähigkeit trainieren. Beginnen Sie mit fünf Minuten und steigern Sie sich:
- A steht für Anatomy und meint die richtige Körperhaltung: beide Füße fest am Boden, aufrechter Rücken, Nacken, Schultern und Arme sind entspannt, Händen auf den Knien oder im Schoß. Schließen Sie nun die Augen und atmen Sie durch die Nase ein und aus.
- B steht für Breathing. Ihrem Atem gehört Ihre volle Aufmerksamkeit. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Bauch, der sich wölbt und zusammenzieht, oder auf Ihre Nasenflügel.
- C steht für Counting, das Zählen der Atemzüge. Atmen Sie ein, dann aus und zählen Sie „eins“. Nächster Atemzug, „zwei“. Zählen Sie bis zehn, dann rückwärts bis eins und wieder von vorn bis zehn. Das Zählen hält Sie bei der Sache. Wenn Sie abschweifen oder sich verzählen, fangen Sie einfach von vorn an.
- D steht für Distracted, also abgelenkt sein. Nehmen Sie eine Ablenkung wertfrei zur Kenntnis, lösen Sie sich und kehren Sie zum Atmen zurück.
Sie können sich von Ihren Gefühlen und Gedanken lösen und Ihr Leben selbst bestimmen.
Eine weitere wichtige Fähigkeit ist die des offenen Gewahrseins, die es Ihnen ermöglicht, Ihren Geist zu beobachten und selbst über Ihr Leben zu entscheiden. So üben Sie diese Fähigkeit: Nehmen Sie eine bequeme Haltung ein und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Öffnen Sie Ihre Wahrnehmung. Taucht ein Gedanke auf? Beobachten Sie ihn so neutral, wie Sie vorhin Ihren Atem beobachtet haben. Nehmen Sie ihn wahr, aber befassen Sie sich nicht mit ihm. Er wird verschwinden. Kommen zu viele Gedanken, entspannen Sie sich und kehren Sie zu Ihrem Atem als Anker zurück. Können Sie einen Gedanken nicht neutral betrachten, benennen Sie ihn. So verschieben Sie die Gewichte: Angst, Schmerz oder Ärger sind immer noch da, aber Sie versinken nicht mehr darin. Im Lauf des Trainings werden Sie erkennen: Ob Sie gerade glücklich oder unglücklich sind – alles ist ständig im Fluss. Ob Glück oder Unglück – es ist Ihre Entscheidung. Und: Sie sind nicht mit Ihren Gedanken identisch. Oft werden Sie beim In-sich-Hineinhorchen nicht sagen können, welcher Teil von Ihnen gerade spricht. Kurz: Es gibt kein klar umrissenes Selbst, dafür viele Möglichkeiten – es gibt nichts anderes als Potenzial.
Achtsamkeit verändert Ihr Leben – und Ihre Firmenkultur.
Am besten, Sie nehmen sich ein Zehn-Wochen-Programm vor: Fünf Wochen lang üben Sie gebündelte Aufmerksamkeit, fünf Wochen lang offenes Gewahrsein. Nach den ersten beiden Wochen nehmen Sie sich jede Woche eine andere mentale Strategie vor (Präsenz, Geduld usw.). Am Arbeitsplatz führen Sie ab der vierten Woche je eine andere Methode ein (E-Mails, Meetings usw.). So wie Achtsamkeit Ihr Leben verändert, bewirkt es auch einen Kulturwandel im Unternehmen. Der darf aber nicht von oben vorgegeben sein. Nicht nur der CEO, auch die übrigen Führungskräfte müssen davon überzeugt sein. Es muss eine Verbindung zur Kernstrategie, zu Grundsätzen und Zielen des Unternehmens geben. Kulturwandel braucht mindestens vier Monate Zeit. Zuletzt: Predigen Sie nicht Achtsamkeit – leben Sie sie vor.
Über den Autor
Rasmus Hougaard ist Gründer und Leiter der Beratungsfirma The Potential Project sowie Buchautor.
Dieses Dokument ist für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
Kommentar abgeben