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Ökonomisch-philosophische Manuskripte

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Ökonomisch-philosophische Manuskripte

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Was ist drin?

Fast der ganze Marx, enthalten in einer kurzen frühen Schrift.


Literatur­klassiker

  • Ökonomie
  • Moderne

Worum es geht

Der junge Marx erklärt Gott und die Welt der Arbeit

Die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte von Karl Marx, auch Pariser Manuskripte genannt, enthalten bereits, in kürzester Form, die Hauptthesen des großen Denkers und sind damit eine Schlüsselschrift für sein Schaffen. Hier verbindet der erst 26-jährige Marx die Kritik der Nationalökonomie mit seiner eigenen Philosophie und legt den Grundstein für seine Theorien über die unermessliche Akkumulation von Reichtum um den Preis der Verelendung jener, die diesen Reichtum erschaffen. Er stellt Zusammenhänge her, die später den Hintergrund für Das Kapital bilden. Doch während er sich dort auf den titelgebenden Einzelaspekt konzentriert, spannt er hier das ganz große Panorama auf. Er entwickelt seine materialistische Geschichtsauffassung – und erklärt nicht nur die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse, mit ihrer Entfremdung in der industriellen Produktion, sondern tatsächlich Gott und die Welt. Und für die Utopie der kommunistischen Gesellschaft geht er, der doch bisweilen ein solch humanes Gesicht zeigt, über Leichen. Heute, da ein global entfesselter Kapitalismus eine nie da gewesene Konzentration von Reichtum in den Händen sehr weniger bewirkt hat, sind viele von Marx’ Gedanken von ungebrochener Aktualität.

Take-aways

  • Die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte sind eine Schlüsselschrift. Sie weisen auf Marx’ späteres Werk voraus, ja enthalten es bereits im Kern.
  • Inhalt : Die Lehren der nationalökonomischen Denker wie Adam Smith oder Thomas Malthus sind fehlerhaft, denn sie können die Widersprüche des Kapitalismus nicht erklären. Die Arbeit ist der wichtigste Produktionsfaktor. Im Kapitalismus wird der Arbeiter ausgebeutet und von seiner Arbeit entfremdet. Nur eine Revolution kann die Verelendung der Arbeiterklasse beenden. Im Sozialismus kann der Mensch ganz neu anfangen.
  • Marx verfasste die auch Pariser Manuskripte genannten Texte 1844 im Pariser Exil. In Preußen drohte ihm die Verhaftung.
  • Die Manuskripte zeigen, wie sich Marx die Gedanken anderer Philosophen erarbeitet und zurechtbiegt – was davon je zur Veröffentlichung gedacht war, ist unklar.
  • Unter anderem wollte Marx sich mit den Manuskripten von Hegels Konzept der Entfremdung abgrenzen.
  • Marx sah sich als Heilsbringer: Er wollte Einheit und Sinnlichkeit an die Stelle von Teilung und Feindschaft setzen.
  • Marx entwirft in den Manuskripten die Utopie des kommunistischen Menschen, der sein eigener Schöpfer und damit gottgleich ist.
  • Einerseits zeigt Marx sich humanistisch und menschenfreundlich, andererseits geht er für die kommunistische Revolution über Leichen – ein nicht aufgelöster Widerspruch.
  • Linke Denker wie Erich Fromm, Herbert Marcuse, Frantz Fanon und Hannah Arendt knüpften an Marx’ Ideen an.
  • Zitat: „Das fremde Wesen, dem die Arbeit und das Produkt der Arbeit gehört, in dessen Dienst die Arbeit, und zu dessen Genuß das Produkt der Arbeit steht, kann nur der Mensch selbst sein. (…) Nicht die Götter, nicht die Natur, nur der Mensch selbst kann diese fremde Macht über d[en] Menschen sein.“

Zusammenfassung

Lohnarbeit knechtet und entfremdet den Arbeiter

Die Notizen entstanden durch die Auseinandersetzung mit Texten französischer, englischer und deutscher Sozialisten sowie nationalökonomischer Denker. Zudem basieren sie auf dem Studium philosophischer und theologischer Werke. Die nationalökonomische Literatur von Denkern wie Adam Smith, David Ricardo, Jean-Baptiste Say und Thomas Malthus krankt daran, dass sie keine Antworten auf die Widersprüchlichkeiten des Kapitalismus bietet. Erst in der Zusammenführung der drei Faktoren Arbeitslohn, Profit aus Kapital und Grundrente liegt jene grundlegende Wahrheit, die diese Autoren nicht aufzudecken vermochten.

Arbeitslohn wird bestimmt durch den feindlichen Kampf zwischen Kapitalist und Arbeiter.“ (S. 5)

Kapital, Arbeit und Natur gehören zusammen, allerdings ist von diesen dreien nur die Arbeit wirklich produktiv. Doch gerade für den Arbeiter, der doch mit seiner Tätigkeit Reichtümer erschafft, ist die Trennung von Kapital, Grundeigentum und Arbeit fatal. Denn er ist dem Besitzenden, dem Arbeitgeber ausgeliefert, der länger ohne den Arbeiter auskommen kann als dieser ohne ihn. Der Mensch wird als Arbeitsressource für die industrielle Produktion selbst zur Ware. Laufen die Dinge schlecht, verlieren beide, laufen sie jedoch gut, profitiert der Arbeiter weit weniger davon als der Kapitalist. Egal wie es um die Konjunktur steht, der Arbeiter befindet sich immer in elender Lage. Selbst eine Hochkonjunktur verleitet ihn nur dazu, sich zu verausgaben. Er erliegt der Versuchung, sich bereichern zu wollen, was aber für ihn nur durch Mehrarbeit und Selbstausbeutung zu leisten ist. Ein Arbeiter erhält immer nur gerade genug zum Leben, und mit diesem Leben kann er nichts weiter anfangen, als weiter zu arbeiten. Das Wesen der Arbeit hat sich dahingehend entwickelt, dass der Arbeiter Werte für andere schafft und ansonsten nur die eigene Knechtschaft verfestigt.

Kapital ist nichts anderes als aufgehäufte und gespeicherte Arbeit

Kapital entsteht aus der Privatisierung dessen, was der Arbeiter durch seine Tätigkeit herstellt. Dieses Produkt der Anstrengung anderer erlangt nun in der ungesunden Dynamik des Kapitalismus absolute Macht. Die Wirtschaft erweist sich als ein System, das sich gegen den Menschen verschwört und das durch Profitmaximierung und Lohndumping alle zum Opfer macht. Anders als Adam Smith behauptet, führt menschlicher Eigennutz eben nicht zum allgemeinen Wohlstand. Vielmehr steht der Kapitalist grundsätzlich gegen die Interessen der Gemeinschaft. Konkurrenzkampf schafft nämlich nicht Vielfalt, sondern bewirkt eine Konzentration von Kapital: Die Großen fressen die Kleinen und schaffen über kurz oder lang alle Konkurrenz ab.

„Also im abnehmenden Zustand der Gesellschaft progressives Elend des Arbeiters, im fortschreitenden Zustand kompliziertes Elend, im vollendeten Zustand stationäres Elend.“ (S. 10)

Eigentum an Grund und Boden ist nicht rechtens. Die Grundrente ist der Quell allen Übels, denn sie spaltet die Gesellschaft. Mit dem Grundbesitz beginnt die Macht des Privateigentums, die irgendwann alles zur Ware macht: Arbeit, Boden, den Menschen selbst. Das Spannungsverhältnis zwischen Grundbesitzer und Pächter gleicht dem zwischen Kapitalist und Arbeiter. Großgrundbesitzer werden in einem Konzentrationsprozess den Kapitalisten ähnlich, denn sie steigen in die industrielle Produktion ein, wofür sie Arbeitsleistung entsprechend einkaufen müssen; sie nutzen die Markt- und Finanzmechanismen zu ihren Gunsten aus und verleiben sich kleinere Grundeigentümer ein. Solche Prozesse lassen sich zu allen Zeiten und global beobachten, man denke nur an die Sklaverei. Während im Feudalismus galt: „Keine Ländereien ohne Herr“, gilt nun die Regel: „Geld kennt keinen Meister“. Es ist immer das Gleiche: Geld macht die Menschen einander zu Feinden. Den Profit – sei es aus Boden oder Kapital – erarbeiten immer andere. Die industrielle Produktion führt also zur Angleichung, nicht zur Trennung zwischen Industrie und Landwirtschaft und macht Grundbesitzer zu Kapitalisten und Ackerbauern zu Arbeitern. Am Ende gibt es auch im Bereich der Ländereien nur noch zwei Klassen: Arbeiter und Kapitalisten.

Entfremdete Arbeit: von Selbstverwirklichung keine Spur

Eigentlich will sich der Mensch in der Arbeit verwirklichen. Weil ihm aber das Produkt weggenommen wird, wird er durch seine Arbeit entwirklicht und entfremdet. Aus der Entfremdung des Arbeiters vom Gegenstand seiner Tätigkeit folgen weitere Ausprägungen einer solchen zerstörten Beziehung: Entfremdung von sich selbst, seinen Mitmenschen und seiner Gattung. Alles läuft immer wieder auf Teilung als das zentrale Element all dieser Missstände hinaus. Erst in der Entzweiung wird Feindschaft möglich. Lohnarbeit erniedrigt den Menschen zum Tier; im Zustand der „Zwangsarbeit“ kann er nur noch den eigenen Lebenserhalt verfolgen, vielleicht noch seine Triebe ausleben, aber mit einem würdigen, erfüllten Leben hat dies nichts zu tun. Solche Entfremdung beruht auf der Lohnarbeit an sich, nicht auf der geringen Höhe der Entlohnung. Sozialreformen sind also nicht zielführend, die Lösung liegt allein in einer Revolution, die allerdings erst bei vollkommener Verelendung eintreten wird.

Arbeit macht den Menschen gottgleich

Je mehr Reichtum der Arbeiter produziert, desto schlechter geht es ihm. Darin ähneln sich Religion und Kapitalismus: Je mehr man „in Gott setzt“, desto weniger hat man „in sich selbst“. Je mehr der Arbeiter sich in das Produkt seiner Arbeit entäußert, desto widriger wird seine Umgebung, desto ärmer seine innere Welt. Dabei sollte doch Arbeit im Austausch mit der Natur stattfinden, ein sinnliches In-der-Welt-Sein darstellen, in dem der Mensch seinen Körper erfährt. Arbeit macht den Menschen als Gattung aus, und so ist in der selbstbestimmten Arbeit eines einzelnen Menschen die Selbstbestimmung aller Menschen enthalten. Das Wesen des Menschen verwirklicht sich in der Fähigkeit zur gegenständlichen Produktion. Solch praktische, bewusste Tätigkeit unterscheidet den Menschen vom Tier, als schöpferische Aktivität macht sie ihn gottgleich. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Entfremdung durch Arbeit den Menschen seiner göttlichen Wesensmerkmale beraubt. Der Mensch braucht die Verbindung zum Gegenstand seiner Arbeit, um sich seiner eigenen Göttlichkeit bewusst zu werden. Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse trennen aber den Menschen von seiner Göttlichkeit. Im Kommunismus dagegen ist der Mensch das Maß aller Dinge. Wenn er sich selbst als das Absolute erkennt, braucht er keinen Gott mehr und überwindet die Kluft zwischen Gottähnlichkeit und Gottgleichheit.

Wirtschaftsfaktoren bestimmen den Gang der Geschichte

Das Kapital entfernt sich im Lauf der Geschichte immer weiter von der natürlichen Grundlage des Wirtschaftens und Arbeitens. In diesem Ablösungsprozess wird der Mensch mitgerissen. Die moderne Industriegesellschaft raubt ihm seine Lebensgrundlage. Am Anfang befinden sich Kapital und Arbeit noch im Einklang. Dann entsteht eine Diskrepanz zwischen den beiden, und schließlich kämpft jeder gegen jeden, am Ende herrscht der „Gegensatz jedes gegen sich selbst“. In dieser dritten Phase ist Arbeit in einen Teil Tätigkeit und einen Teil Lohn zerfallen, und Kapital ist nichts anderes als der „sich abhanden gekommene Mensch“. Letztlich steht diese Entwicklung für eine Geschichte der Gier, deren letzte und konsequenteste Verkörperung der Kapitalist darstellt. Die Tür für solch grenzenlose Habsucht öffnet sich in dem Moment, da sich der Doppelcharakter von Waren – Gebrauchswert und Tauschwert – auflöst und die Dinge nur noch durch den Tauschwert charakterisiert werden. Tauschobjekte kann man in unendlicher Menge brauchen, während man von Gebrauchsobjekten irgendwann genügend besitzt, sodass also eine Sättigung eintritt.

Der gewaltsame Weg zum kommunistischen Utopia

Die historische Entwicklung von Kapital und Arbeit führt vom Merkantilismus über die Physiokratie zur Industrie als der „vollendeten Arbeit“. Diese Geschichte läuft auf die Arbeit als letzten verbleibenden Produktionsfaktor zu. Hier steht die kapitalistische Gesellschaft an ihrem Zenit und zugleich am Wendepunkt. Das Eigentum zeigt seine wahre Fratze, die Gier spaltet die Gemeinschaft, und diese gesellschaftliche Zersetzung muss sich in einer historischen Revolution entladen. Was danach wie Phönix aus der Asche ersteht, ist die kommunistische Gesellschaft.

„Das Kapitalist besitzt diese Gewalt, nicht seiner persönlichen oder menschlichen Eigenschaften wegen, sondern insofern er Eigentümer des Kapitals ist. Die kaufende Gewalt seines Kapitals, der nichts widerstehen kann, ist seine Gewalt.“ (S. 20 f.)

Die wahrhaftig sozialistische Gesellschaft entsteht in einem langwierigen und gewaltsamen Prozess. Die Abkehr vom Kapitalismus als äußerster Stufe der Entmenschlichung gleicht einem Wendepunkt. Von hier aus muss die Entfremdung rückabgewickelt werden. Diese Rückabwicklung führt in einem schmerzlichen Entgiftungsprozess durch eine anfängliche Phase des Übels, einen „rohen“ Kommunismus, der die Persönlichkeit des Menschen negiert. Anschaulich wird dies an der Einführung der „Weibergemeinschaft“, die Frauen zum Gemeingut macht. So wie das Privateigentum aufgehoben ist, endet im Kommunismus auch die Institution der Ehe. Sobald Eigentum zum allgemeinen Besitz wird, werden auch die Frauen aus der Ehe in die allgemeine Prostitution überführt und gehören allen. Dieser Kommunismus verbreitet in einer destruktiven Verallgemeinerung erst einmal die bestehenden Missstände, was noch der generellen Vergiftung durch das alte Privateigentum geschuldet ist. Allgemein verbreitete Gier schlägt in Neid um. Was nicht von allen besessen werden kann, wird vernichtet.

Das Endstadium: der Sozialismus

Die nächste Stufe, der sich entwickelnde Kommunismus, basiert auf einer zwar demokratischen, jedoch rücksichtslosen und nicht dialogischen Herrschaft; schließlich wird der Staat komplett abgeschafft. Die letzten Reste von Herrschaft sind Nachwirkungen des Privateigentums. Im vollendeten Kommunismus ist das Eigentum abgeschafft. Der Mensch kann sich des Reichtums seiner bisherigen Entwicklung bewusst werden, zu sich selbst bzw. in die Gesellschaft als „menschlicher Mensch“ zurückkehren und in diesem Sinne noch einmal von vorn beginnen. Er lässt die Geschichte seiner Zivilisation und seiner Selbstentfremdung hinter sich. Das vormals bürgerliche Individuum ist zu einem gänzlich gesellschaftlichen Wesen geworden. In der sozialistischen Einheit gibt es keine Abweichler, kein andersdenkendes Bewusstsein mehr.

„Es ist notwendig, daß, was die Wurzel des Grundeigentums ist, der schmutzige Eigennutz, auch in seiner zynischen Gestalt erscheint. (…) Damit tritt dann an die Stelle des mittelalterlichen nulle terre sans seigneur das moderne Sprichwort: l’argent n’a pas de maître, worin die ganze Herrschaft der totgeschlagenen Materie über d[en] Menschen ausgesprochen ist.“ (S. 51)

Der sozialistische Mensch findet sein Heil im Einssein. Aus dem Ende der Entzweiung von Mensch und Natur entsteht eine neue Sinnlichkeit. Der neue Mensch ist umfassend entwickelt und lebt die Sinnlichkeit in allen Aspekten seines Daseins aus, da er nun von verdummenden und verarmenden Einflüssen des Kapitalismus befreit ist. Der Mensch produziert nun auf menschliche Weise, deshalb ist ihm die Natur nicht mehr fremd. Er selbst ist der Schöpfer der Natur und formt sie in dem Maße menschlich, in dem er sein Menschsein in Einheit mit der Gesellschaft entwickeln kann. Es geht nicht mehr darum, etwas zu besitzen, sondern um die „sinnliche Aneignung“ von Dingen. Alle Gegenstände werden dem Menschen zur Vergegenständlichung seiner selbst. Diese Dominanz des Sinnlichen bedingt, dass die Naturwissenschaften den höchsten Rang aller Wissenschaften einnehmen. Eine andere Basis für die Wissenschaft als der Mensch und das Leben ist grundsätzlich Lüge.

„Das fremde Wesen, dem die Arbeit und das Produkt der Arbeit gehört, in dessen Dienst die Arbeit, und zu dessen Genuß das Produkt der Arbeit steht, kann nur der Mensch selbst sein. (…) Nicht die Götter, nicht die Natur, nur der Mensch selbst kann diese fremde Macht über d[en] Menschen sein.“ (S. 65)

Die Frage nach dem Tod und nach dem Anfang allen Seins fällt auf den Fragenden zurück: Nur ein Egoist, in alten Denkstrukturen verhaftet, kann sie stellen. Er verrät sich so als jemand, der in sich selbst wurzelt statt in der kommunistischen Gesellschaft, die Gott, ja selbst den Atheismus nicht mehr braucht. Sie bedarf keiner Vermittlung nach oben und hat alles Übermenschliche abgeschafft.

Das Ende der idealistischen Ideologie

Georg Wilhelm Friedrich Hegel war der Repräsentant jener Philosophie, die den Menschen als rein geistiges, nicht als praktisches Wesen auffasst. In seiner idealistischen Verblendung akzeptiert er die Entfremdung, anstatt sie aufzuheben, und macht damit die Abstraktion zur Wirklichkeit, wo doch nur die Sinnlichkeit der Gegenstände wahr und wirklich ist. Recht hat Hegel allerdings darin, dass sich der Mensch durch Arbeit selbst erzeugt. Wie der Schaden, nämlich die entmenschlichenden Auswirkungen der Industrieproduktion, so kommt auch das Heil aus der Wirtschaft. Durch die sinnliche Aneignung der Dinge werden egoistische in menschliche Bedürfnisse verwandelt. Zentral bleibt, dass bei allem Wirtschaften stets die Bedürfnisse des Menschen im Fokus stehen. Arbeitsteilung liegt dem Handel und dessen Vorbedingung, dem Privateigentum, zugrunde. Geld ist ein Fetisch einer von Profitgier befallenen Gesellschaft, es ist Teufelswerk und ein Instrument für unrechtmäßige Aneignungen fremden Gutes. Demgegenüber sind natürliche Bedürfnisse wie Nahrung, Gesundheit und Privatvergnügen ins Hintertreffen geraten. Doch letztlich lässt sich Liebe nur im Austausch mit Liebe handeln, Vertrauen nur gegen Vertrauen tauschen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Was von den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten zur Veröffentlichung gedacht war und wie sie angeordnet sein sollten, ist unklar. Ihr Notizencharakter ist dagegen offensichtlich. Der Text ist fragmentarisch, zusammengestückelt, mal verkürzt, dann wieder ausschweifend, repetitiv und wenig präzise und voller seitenlanger Zitate. Marx interpretiert die Texte anderer Autoren und entwickelt seine Gedanken beim Schreiben. Das erste und dritte Manuskript sind jeweils etwa 70 Seiten lang. Das zweite ist sehr kurz und bricht einfach ab. Das letzte ist ebenfalls kurz: Es handelt sich eigentlich um Auszüge aus einem Hegel-Text, die Marx ohne Paginierung im dritten Manuskript eingenäht hat. Das erste Manuskript bestand ursprünglich aus drei Spalten mit den Überschriften „Arbeitslohn“, „Profit des Kapitals“ und „Grundrente“; Marx handelte die entsprechenden Themen darin parallel ab. Wo er seine eigenen Thesen zur entfremdeten Arbeit entwickelte, schrieb er über alle drei Spalten hinweg und suggerierte so grafisch die Zusammenführung der drei separaten Faktoren. Etliche Zitate, zum Beispiel aus den Werken von Adam Smith, sind in französischer Sprache . Marx zieht immer mal wieder stark vereinfachende, jedoch prägnante Zwischenfazits und präsentiert wichtige Thesen; die Manuskripte folgen aber keiner stringenten Gesamtargumentation.

Interpretationsansätze

  • Die Manuskripte beschreiben die Utopie des Kommunismus. Marx entwirft hier ein Modell einer postrevolutionären Gesellschaftsordnung. Der Mensch erscheint als sein eigener Schöpfer und damit als gottgleiches Wesen.
  • Der Text ist voller Widersprüche. Der humanistische Marx ist mit der Beschreibung des brutalen, postrevolutionären, „rohen“ Kommunismus nur schwer zusammenzubringen.
  • Marx will um jeden Preis seine Ausgangsthesen bestätigen, was ihn zu einer zweifelhaften Methodik verleitet: Er wählt zitierte Passagen selektiv oder tendenziös aus, er zitiert nicht exakt wörtlich und lässt Dinge aus, er reißt Texte aus ihrem Zusammenhang und gibt Aussagen verfälscht wieder, um sie besser in sein Theoriekonstrukt einpassen zu können. Der angestrebten großen Einheit ordnet er alles unter: Die Wirklichkeit muss der Theorie gehorchen, nicht umgekehrt.
  • Ein Großteil der Aussagen in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten stammt aus der nationalökonomischen Literatur, die Marx seitenweise exzerpiert. Letztlich geht selbst dieser Sammelbegriff auf ihn zurück. Er will die bürgerlichen Theoretiker durchdringen und über sie hinausgelangen. Er übernimmt ganze Konzepte aus der bürgerlichen Nationalökonomie und der politischen Publizistik, deren Kritik er sich vorgenommen hat.
  • Die Auseinandersetzung mit Hegel stellt eine wichtige Antriebskraft für Marx’ Schaffen dar. Die Manuskripte markieren seine Abkehr vom Denken der Linkshegelianer, und in seiner Theorie über die vielfache Entfremdung des Arbeiters deutet er den Hegel’schen Begriff der Entfremdung in historisch-materialistischer Weise um.
  • In den Manuskripten ist der Begriff der Arbeit zentral. Darin leisten sie wichtige Vorarbeiten für Marx’ spätere, bahnbrechende Werke und beeinflussen andere wichtige Denker wie beispielsweise Hannah Arendt, zugleich ist darin jedoch eine starke Geistesfeindlichkeit enthalten.

Historischer Hintergrund

Industrialisierung und soziale Frage

Europa befand sich Anfang des 19. Jahrhunderts im Umbruch. Napoleon war über den Kontinent hinweggefegt, und nach seiner Niederlage wurden auf dem Wiener Kongress 1814/15 die Ländergrenzen neu bestimmt. Hier setzte sich die Restauration der alten Strukturen durch, der es um politische Stabilität ging. Auf liberales, antifeudalistisches Gedankengut reagierten die Machthaber mit Zensur und Repression. Die Revolution von 1848 in Deutschland und anderen europäischen Staaten konnten sie nicht verhindern, wohl aber rasch niederschlagen.

Eine weitere epochale Strömung war die Industrialisierung: Die Dampfmaschine, 1712 erfunden von Thomas Newcomen und 1769 entscheidend verbessert von James Watt, machte die Produktion von Gütern in nie dagewesener Größenordnung möglich; Agrarwirtschaft und Handwerk wurden nun zunehmend von industriellen Produktionsmethoden verdrängt; Arbeitsteilung und Spezialisierung in den Fabriken führten zu enormer Produktivitätssteigerung. Im Zuge der Industrialisierung entwickelten sich auch Wissenschaft und Technik rasant, und auch die Bevölkerung wuchs. Der Sog des Fortschritts – verstärkt durch Enteignungen und Privatisierungen auf dem Land – zog immer mehr Menschen in die Städte, die in kürzester Zeit stark anwuchsen.

Hier bildete sich eine neue, unterprivilegierte Klasse aus, die kaum mehr besaßen als ihre körperliche Arbeitskraft: das Industrie- oder Lohnarbeiterproletariat. Diese Menschen mussten für Hungerlöhne arbeiten, die ihnen gerade mal das eigene Überleben sicherten – sie hatten keine Wahl, als weiter und weiter zu arbeiten und die Unternehmer reicher und reicher zu machen. Ein Teufelskreis ohne Aussicht auf Verbesserung für die Arbeiter, die unter sozialen Missständen und langen Arbeitszeiten litten, an Unterernährung und Siechtum – eine Verelendung, die etwa ab 1830 als „soziale Frage“ in den allgemeinen Sprachgebrauch einging und das Aufkommen sozialdemokratischer Politik entscheidend bedingte.

Entstehung

Karl Marx verfasste die Ökonomisch-Philosophischen Manuskripte 1844, mit gerade einmal 26 Jahren, im Pariser Exil, wohin er geflohen war, um der Verhaftung durch die preußischen Behörden zuvorzukommen, und wo er mit der kommunistischen Arbeiterbewegung in Kontakt kam. Der junge Mann brannte vor Ehrgeiz. Er verstand sich als Heilsbringer und wollte in seinem jugendlichen Sturm und Drang nichts Geringeres, als den Großphilosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel vom Thron stoßen und sich einen Platz in der Geschichte erobern. Zugleich brachte ihn die Arbeit an den Manuskripten und das ernsthafte Studium der nationalökonomischen Denker, insbesondere von Adam Smith, von seinem früheren, elitären Kurs ab. Mit einer radikalen Wende des historischen Blicks schlug Marx die Bresche für eine neue Philosophie. Er tat dies in der revolutionären Stimmung des sogenannten Vormärz – die Revolution von 1848 dämmerte schon am Horizont – und nahm sehr wach die Widersprüche zwischen der Liberalisierung im wirtschaftlichen Bereich und der Restauration in der Politik wahr. Marx, der Exilant, sehnte sich nach Unmittelbarkeit, zugleich aber hatte er zu seinen Themen nur mittelbaren Zugang über die Schriften anderer. Seine Empirie war die Theorie: Er las sowohl die Denker der bürgerlichen Nationalökonomie als auch englische, französische und deutsche Sozialisten – seine Wirklichkeit war eine Wirklichkeit der Bücher.

Wirkungsgeschichte

Die Ökonomisch-philosophischen Manuskripte wurden zu Marx’ Lebzeiten nicht veröffentlicht, nach seinem Tod lagerten sie jahrzehntelang in den Archiven der deutschen SPD in Berlin. Teile der Manuskripte waren 1928 in der russischen Ausgabe der Werke von Marx und Engels enthalten, wurden 1955 aus der zweiten Ausgabe aber wieder getilgt. Auf Deutsch erschienen sie erstmals 1932. Die DDR publizierte sie 1953 und 1955 in zwei Teilen, getrennt in einen „philosophischen“ und einen „ökonomischen“ Teil, und erst 1968 vollständig.

In der BRD entfaltete der „humanistische Marx“ als Leitbild der Linken große Wirkung. Erich Fromm, Herbert Marcuse und andere predigten einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz und setzten dem bolschewistischen Sozialismus mit Marx selbst, insbesondere mit seinen Frühwerken, etwas entgegen. Zugleich reagierten linke Denker auf die Horrorszenarien des „rohen“ Kommunismus in den Manuskripten mit Unglauben – passten sie doch gar nicht ins gemäßigte Bild, das man sich von Marx gemacht hatte. Auf der politischen Ebene waren die Manuskripte für orthodoxe Marxisten ein Stein des Anstoßes, für die weniger orthodoxen jedoch eine Gedankenbasis für einen menschlicheren Sozialismus, der sich vom hässlichen, mörderischen des postrevolutionären Russlands unterscheiden sollte. Die These, dass der Weg zum sozialistischen Heil schmerzhaft und langwierig sein müsse, beeinflusste Denker wie Frantz Fanon, der sich in seiner Beschreibung einer gewaltsamen Dekolonialisierung auf Marx berief.

Über den Autor

Karl Marx wird am 5. Mai 1818 in Trier geboren. Seine Familie ist jüdisch, konvertiert jedoch zum evangelischen Glauben, damit der Vater seinen Juristenberuf weiter ausüben kann. Nach dem Abitur 1835 an einem Trierer Gymnasium studiert Marx in Bonn und ab 1836 in Berlin Jura, Philosophie und Geschichte. 1841 promoviert er an der Universität Jena. Anschließend wird er Redakteur bei der Rheinischen Zeitung, wo er Probleme mit der Zensur bekommt; 1843 wird die Zeitung verboten. Im gleichen Jahr heiratet Marx seine Jugendfreundin Jenny von Westphalen. Bis 1845 weilt er im liberalen Frankreich, lernt dort Heinrich Heine kennen und ist Mitherausgeber der Deutsch-Französischen Jahrbücher. Auf Druck der preußischen Regierung wird er aus Frankreich ausgewiesen und geht nach Brüssel. 1844 lernt er den Fabrikantensohn Friedrich Engels kennen. 1849 siedelt er nach London über, nachdem er erneut aus Preußen und aus Paris ausgewiesen wurde. In London muss ihn sein Freund Engels finanziell unterstützen, denn Marx zeigt sich nicht unbescheiden: Die Tochter soll Klavierunterricht bekommen, seine Frau Urlaub an der See machen und er selbst gönnt sich den Luxus eines Privatsekretärs. Außerdem spekuliert er, wie einem Brief an seinen Onkel zu entnehmen ist: „Ich habe, was dich nicht wenig wundern wird, spekuliert, teils in amerikanischen Funds, namentlich aber den englischen Aktienpapieren, die wie Pilze in diesem Jahr hier aus der Erde wachsen. Diese Art von Operationen nimmt nur wenig Zeit fort, und man kann schon etwas riskieren, um seinen Feinden das Geld abzunehmen.“ In London beginnt Marx ein intensives Studium, dessen Frucht sein Hauptwerk ist: Das Kapital, eine Kritik der politischen Ökonomie und zugleich seine Begründung des historischen Materialismus. 1881 stirbt seine Frau, 1883 seine älteste Tochter Jenny, wenig später, allen Lebensmutes beraubt, er selbst: am 14. März 1883.

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