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Onkel Vanja

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Onkel Vanja

Szenen aus dem Landleben in vier Akten

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Tschechows Meisterwerk über Lethargie und unmögliche Liebe in der russischen Provinz.


Literatur­klassiker

  • Drama
  • Realismus

Worum es geht

Ein Mikrokosmos der Vergeblichkeit

Onkel Vanja ist eines der meistgespielten Dramen der neueren europäischen Theatergeschichte. Tschechow präsentiert darin gescheiterte Existenzen, die zu ihrem großen Unglück zur Reflexion fähig sind. Ihr Scheitern ist Teil ihres Lebens, doch es ist weder verarbeitet noch akzeptiert. Es ist erlitten – jeden Tag aufs Neue. Es lähmt die Figuren und hält sie gefangen in einer Gegenwart, aus der sie sich wegwünschen in eine alternative, verklärte Vergangenheit oder in eine glücklichere Zukunft. Doch der Wunsch nach dem Ausweg wird nicht erfüllt. Jede kleine Flucht aus der Starre wird im Keim erstickt. Was aufwallt, beruhigt sich wieder, Chancen werden vertan, Risiken gemieden. So bleibt letztlich alles beim Alten, weil niemand über genug Mut, Entschlossenheit oder Kraft verfügt, etwas zu ändern. Nichtstun zerstört die Menschen und die Welt – das ist die zentrale Botschaft des Stückes. Tschechow lässt uns ohne Trost zurück: Liebe ist eine Illusion, Intellekt eine Qual, Religion ein Versprechen ohne Hoffnung. Doch trotz all der Trostlosigkeit ist Onkel Vanja auch ein Stück mit Humor und Empathie.

Take-aways

  • Onkel Vanja von Anton Tschechow ist bis heute eines der erfolgreichsten Theaterstücke.
  • Inhalt: Ein emeritierter Professor kommt mit seiner jungen Frau Elena aufs Land und geht dort jedermann mit seiner Lethargie und eingebildeten Krankheiten auf die Nerven. Vanja, der Schwager aus der ersten Ehe des Professors, sieht sich um sein Leben betrogen und versucht, den Professor zu erschießen. Der Arzt Astrov macht Elena Avancen, doch die Liebelei endet, bevor sie beginnt. Die Eheleute reisen ab. Das Landleben geht weiter.
  • Das Stück handelt von Resignation, verpassten Chancen und der Vergeblichkeit allen Tuns.
  • Mit dem Motiv der Vergeblichkeit weist Tschechow auf den Existenzialismus voraus.
  • Für Onkel Vanja überarbeitete Tschechow sein eigenes Stück Der Waldschrat.
  • Der Arzt Astrov ist einer der ersten Vertreter des ökologischen Gedankens in der Weltliteratur.
  • Tschechow spielt mit klassischen Bühnencharakteren (etwa aus der Commedia dell’Arte) und bricht diese bewusst.
  • Die Lethargie der Figuren spiegelt die soziale Situation in Russland um 1900.
  • Onkel Vanja hat amerikanische Schriftsteller wie Tennessee Williams oder Arthur Miller beeinflusst.
  • Zitat: „Man muss ein Werk schaffen, Herrschaften! Man muss ein Werk schaffen!“

Zusammenfassung

Langeweile und Weltschmerz auf dem Lande

Auf dem Landgut des emeritierten Professors Serebrjakov unterhalten sich die alte Marina, einst Kindermädchen von Serebrjakovs Tochter Sonja, und der Arzt Astrov. Marina sitzt am Samowar und strickt einen Strumpf, Astrov geht auf und ab. Die beiden kennen sich seit mindestens elf Jahren, aus der Zeit, als Serebrjakovs Frau noch am Leben war. Astrov will von Marina wissen, ob er sich in dieser Zeit sehr verändert habe. Marina bestätigt das. Er habe damals frischer ausgesehen und auch noch nicht so viel getrunken. Astrov beklagt sein Los. Ständig ist er unterwegs, um den Leuten zu helfen. Unter all den verschrobenen Landeiern sei er schließlich selbst eines geworden. Geistig sei er auf der Höhe, aber seine Gefühlswelt sei tot, resümiert er. Willenlos und ohne Liebe sei er, nur die alte Marina könne er vielleicht noch lieben, weil die ihn an sein eigenes Kindermädchen erinnere. Seit ihm vor einiger Zeit ein Patient bei einer Operation gestorben ist, plagt Astrov das Gewissen. Er fragt Marina, wer in kommenden Zeiten noch an die heute Lebenden denken werde. Marina verweist auf Gott. Astrov ist wenig überzeugt.

„Und auch das Leben selbst ist langweilig, dumm und schmutzig … Es schleppt sich so dahin, dieses Leben. Nichts als Käuze um dich her, immer dieselben Käuze; und wenn du zwei, drei Jahre mit ihnen zusammenlebst, wirst du langsam, ohne es zu merken, selber ein Kauz.“ (Astrov, S. 8)

Vojnickij, genannt Vanja, der Bruder der verstorbenen ersten Frau des Professors, kommt verschlafen aus dem Haus. Er beklagt, dass sich das Leben auf dem Gut völlig verändert habe, seit Serebrjakov mit seiner zweiten Frau Elena hergezogen ist. Der Tagesablauf sei auf den Kopf gestellt, die Arbeit als Gutsverwalter habe er völlig seiner Nichte Sonja überlassen. Auch Marina tadelt das Chaos, das der Professor aus der Stadt mit auf das Gut gebracht habe. Da kommt Serebrjakov mit Elena, seiner Tochter Sonja und dem verarmten Gutsbesitzer Telegin von einem Spaziergang zurück in den Garten. Sonja wünscht sich von ihrem Vater einen Ausflug ins nahe gelegene Forsthaus. Vanjas Einladung zum Tee im Garten schlägt der Professor aus; er habe noch zu arbeiten. Elena, Serebrjakov und Sonja gehen ins Haus. Telegin setzt sich zu der kleinen Gesellschaft und schwärmt von der Schönheit des Tages. Vanja macht sich lustig über den Aufzug des Professors, der mit Handschuhen, Mantel und Schirm herumläuft, und bewundert Elenas jugendliche Schönheit.

„Bei so einem Wetter ist es schön, sich aufzuhängen …“ (Vanja, S. 15)

Astrov erkundigt sich bei Vanja nach Neuigkeiten. Alles sei beim Alten, erwidert dieser. Vanjas Mutter Marija, Serebrjakovs ehemalige Schwiegermutter, vergrabe sich in emanzipatorische Weltverbesserungsschriften. Der Professor lebe gegen den eigenen Willen, aus finanziellen Gründen auf dem Gut seiner verstorbenen Frau und leide vor sich hin, während er sinnlose Schriften verfasse. Seit 25 Jahren schwadroniere er über Kunst, ohne etwas zu verstehen, und auf den nicht vorhandenen Erfolg bilde er sich auch noch etwas ein. Astrov hält Vanja für neidisch. Dieser gibt seinen Neid zu. Besonders den Erfolg bei den Frauen neidet er dem Professor: erst Vanjas geliebte Schwester, dann seine Mutter Marija, die nichts auf den Professor kommen lässt, und nun auch noch die bildhübsche Elena, die dem Greis ihre Jugend sinnlos aufopfert.

Eingebildete und echte Krankheiten

Elena und Sonja kommen in den Garten, danach Marija, mit einer Zeitschrift. Astrov erkundigt sich, warum Elena ihn herbestellt habe. Offensichtlich sei doch ihr Mann nicht, wie angekündigt, rheumatisch, sondern gesund. Sein Besuch – und die damit verbundene Anreise – sei mithin sinnlos. Daher bleibe er zumindest zum Essen und über Nacht. Sonja freut sich darüber. Marija, die in ihre Zeitschrift versunken war, fährt auf. Sie wollte Serebrjakov noch eine wissenschaftliche Neuigkeit mitteilen. Vanja versucht, das Thema zu vermeiden. Seine Mutter Marija ist von ihm enttäuscht: Im letzten Jahr habe Vanja sich sehr zu seinem Nachteil verändert. Dieser resümiert bitter, dass er seine Zeit mit Nichtigkeiten vertan und das „wirkliche Leben“ aus den Augen verloren habe. Sonja versucht, den Streit zwischen Marija und Vanja zu schlichten; Elena lenkt mit einer Bemerkung über das Wetter ab.

„Der Mensch ist mit Vernunft und Schöpferkraft begabt, um das zu mehren, was ihm gegeben ist, doch bis heute hat er nichts geschaffen, sondern nur zerstört.“ (Astrov, S. 18)

Ein Knecht ruft Astrov zur Fabrik. Bevor dieser aufbricht, spricht man noch über die Erhaltung des Waldes. Astrov kümmert sich nebenbei um die Aufforstung und Pflege der Wälder in der Region. Dafür erntet er Spott von Vanja, Begeisterung von Sonja und Anerkennung von Elena. Als Sonja den Arzt hinausbegleitet, unterhalten sich Vanja und Elena auf der Terasse. Vanja bejammert Elenas Trägheit und bekennt seine Liebe zu ihr. Sie ist genervt von seinen Zudringlichkeiten und verbittet sie sich.

Schlaflos in der Nacht

Nachts im Esszimmer sitzen Elena und Serebrjakov am offenen Fenster und dösen. Serebrjakov erwacht und beginnt, sich selbst zu bemitleiden. Er ekelt sich vor sich selbst, seit er alt geworden ist. Seinen Aufenthalt auf dem Landgut empfindet er als Verbannung aus der Welt. Er sieht, dass er alle um sich herum unglücklich macht, doch er gedenkt, seinen Mitmenschen nicht mehr lange auf die Nerven zu gehen. Elena erträgt Serebrjakovs Leidenspose kaum. Sonja betritt das Zimmer und tadelt ihren Vater dafür, dass er Astrov hat kommen lassen, ihm nun aber den Zutritt verweigert. Der Professor erklärt Astrov für inkompetent. Während sich ein Gewitter ankündigt, kommt Vanja herein und bietet sich an, die Nachtwache an Serebrjakovs Seite zu übernehmen. Der Professor lehnt vehement ab. Er erträgt Vanjas Gerede nicht. Nun kommt auch noch Marina. Sie erinnert an die Leiden von Serebrjakovs erster Frau, lamentiert über eigene Gebrechen, zeigt Mitleid mit dem Professor und bringt ihn gemeinsam mit Sonja zu Bett. Vanja und Elena bleiben allein zurück.

„Wenn man kein wirkliches Leben hat, lebt man von Illusionen. Das ist immer noch besser als nichts.“ (Vanja, S. 30)

Elena fühlt sich in dem Haus, wo so viel Unzufriedenheit herrscht, höchst unwohl. Sie konfrontiert Vanja damit, dass es doch eigentlich seine Aufgabe als kluger und gebildeter Mann sei, die anderen zu versöhnen. Doch Vanja erneuert nur seine Liebesschwüre. Elena wirft ihm vor, er sei betrunken und langweilig, und geht. Vanja fantasiert sich zurück in die Zeit, in der er Elena kennenlernte. Damals hätte er sie zur Frau nehmen sollen, sinniert er. Aber er hat sich damals voll und ganz der Aufgabe gewidmet, den Professor zu unterstützen. Pausenlos hat er Geld verdient, damit Serebrjakov seine letztlich wertlosen Studien fortsetzen konnte. Vanja fühlt sich vom Leben betrogen und hadert mit der Welt.

„Das Leben im Allgemeinen liebe ich, aber unser Leben, das hiesige, russische, spießige kann ich nicht ausstehen und verachte es aus ganzer Seele.“ (Astrov, S. 32)

Astrov, vom Gewitter aufgewacht, kommt mit Telegin ins nächtliche Esszimmer. Er verlangt von Telegin, dass der auf der Gitarre spiele. Doch Telegin will die Schlafenden nicht stören. Astrov ist betrunken und konfrontiert Vanja mit seiner Vermutung, dass dieser ein Verhältnis mit Elena habe. Sonja tritt auf und tadelt ihren Onkel dafür, dass er mit dem Doktor getrunken habe. Sie wirft ihm vor, ihr die ganze Arbeit mit dem Gut zu überlassen. Vanja beginnt zu weinen, weil er in seiner Nichte für einen Moment die geliebte verlorene Schwester sieht. Vanja geht und Sonja richtet sich an Astrov: Er solle den Onkel nicht zum Trinken verführen. Sonja und Astrov essen etwas, während er ihr seine Einschätzung der Situation auf dem Gut und dazu sein Weltbild erläutert. Er ist unzufrieden mit seinem Leben: dumme Bauern, Käuze und jammernde, hysterische Intellektuelle – da sei ihm der Wald lieber. Doch auch in die Natur könne sich der moderne Mensch ja nicht mehr flüchten. Sonja bittet Astrov, sich nicht selbst zu zerstören. Er sei zu klug und edel dafür. Sie gesteht ihm indirekt, dass sie ihn liebt, doch er merkt es nicht. Er geht. Sonja leidet, weil sie sich für hässlich hält.

Eine Versöhnung

Elena tritt auf und versichert Sonja, dass sie den Professor aus Liebe geheiratet habe – doch diese Liebe sei eine Illusion gewesen. Von der Hochzeit an habe Elena unter Sonjas Hass gelitten, doch jetzt sei es Zeit für eine Versöhnung. Sonja stimmt zu und vertraut Elena an, dass sie in Astrov verliebt ist. Auch Elena zeigt Zuneigung zum Doktor. Einem Talent wie ihm müsse man Schwächen wie das Trinken vergeben. Elena sieht sich selbst als „Episodenfigur“, die in keinem Lebensbereich mehr als eine Nebenrolle spielt. Sie meint, es gebe kein Glück mehr für sie. In einem Anflug von Leichtsinn will Elena Musik machen. Sie bittet Sonja, von Serebrjakov, den Musik oft reizt, die Zustimmung zu holen. Sonja geht und kommt gleich darauf mit der Meldung zurück: „Es geht nicht!“

„Ich verstehe dieses arme Mädchen. Inmitten verzweifelter Langeweile, wo anstelle von hübschen Menschen nur so graue Flecken umherirren, (…) kommt manchmal er, der anders ist als alle, schön, interessant, attraktiv, so als ginge mitten im Dunkeln der helle Mond auf …“ (Elena über Sonja und Astrov, S. 43)

Anderntags warten im Salon des Hauses Vanja, Sonja und Elena auf Serebrjakov, der etwas verkünden will. Man rätselt, worum es gehen könnte, während Vanja Elena wieder einmal der Trägheit bezichtigt. Elena gibt zu, dass sie sich langweilt. Sonja rät zu einfachen Aktivitäten, doch Elena will und kann sich nicht um das Gut und die Menschen kümmern. Mit ihrer Lähmung stecke Elena alle anderen an, meint Sonja. Vanja arbeite nicht, sie selbst nicht, Astrov auch kaum noch. Vanja macht Andeutungen, er kündigt an, Elena Rosen schenken zu wollen, und geht hinaus. Elena bietet der verliebten Sonja an, sie wolle bei Astrov nachforschen, wie ihre Chancen stehen. Bevor Elena Astrov ins Verhör nimmt, gesteht sie sich selbst ein, dass der Arzt in all der trüben Lethargie vor Ort der einzige Lichtblick ist – sie ist selbst in ihn verliebt. Unter dem Vorwand, Landkarten besichtigen zu wollen, die Astrov selbst angefertigt hat, trifft sie diesen. Astrov zeigt ihr anhand der Karten den landschaftlichen Verfall der Region, das Sterben von Wald und Siedlungen.

Eskalation

Elena ist mit den Gedanken woanders. Astrov bemerkt das und vermutet Desinteresse. Elena konfrontiert ihn mit Sonjas Verliebtheit, doch Astrov ist nicht interessiert, hat nichts bemerkt. Elena teilt ihm mit, er dürfe nicht mehr kommen. Astrov missversteht die Situation, er denkt, Elena wolle sich an ihn heranmachen. Das trifft schon eher seinen Geschmack. Er macht ihr Angebote für ein heimliches Treffen und küsst sie. In diesem Moment betritt Vanja mit Blumen das Haus. Der unangenehm berührte Astrov geht, die nervöse Elena drängt Vanja, alle Vorbereitungen zu treffen, damit sie und ihr Mann noch heute abreisen können. Wenig später kommt Serebrjakov mit Sonja, Telegin und Marina. Sonja erfährt das für sie enttäuschende Ergebnis von Elenas Unterredung mit Astrov.

„Wir haben es hier mit einem Verfall zu tun, der herrührt aus einem die Kräfte übersteigenden Kampf ums Dasein; es ist ein Verfall aus Lethargie, aus Unbildung, aus völligem Mangel an Selbstbewusstsein (…)“ (Astrov, S. 45)

Als alle versammelt sind, teilt Serebrjakov der Familie seinen Plan mit. Er schlägt vor, das Gut zu verkaufen und den Erlös in Wertpapieren anzulegen, damit alle von deren Erträgen leben können. Vanja ist fassungslos: Was sollen seine Mutter, Sonja und er selbst tun, wenn das Gut verkauft wird? Er weist drauf hin, dass es doch ohnehin Sonja gehöre, denn seine Schwester war bis zu ihrem Tod die Besitzerin. Vanja gerät zusehends in Wut. Er habe seine besten Jahre geopfert, um dem Professor seine ziellosen wissenschaftlichen Tätigkeiten zu finanzieren. Er beschimpft Serebrjakov als seinen schlimmsten Feind und verlässt unter Drohungen den Raum. Sonja sucht unterdessen Trost und Schutz bei bei ihrem ehemaligen Kindermädchen. Telegin flüchtet und Elena fordert hysterisch den sofortigen Aufbruch. Nach und nach beruhigen sich die Gemüter ein wenig, und Elena drängt ihren Mann zur Versöhnung mit Vanja. Serebrjakov willigt ein und geht ihn suchen. Während Marina noch die aufgebrachte Sonja beruhigt, hört man einen Schuss. Gleich darauf stürzt Serebrjakov herein, hinter ihm Vanja mit einem Revolver. Erneut schießt Vanja und verfehlt den Professor ein zweites Mal. Er wirft die Waffe weg, alle sind erschüttert.

Die Ruhe nach dem Sturm

Im Gutskontor sitzen Marina und Telegin und wickeln Wolle. Serebrjakov und Elena haben sich zur Abreise bereit gemacht. Sie werden nach Charkov ziehen. Marina freut sich, dass nun wieder Ruhe einkehrt. Vanja und Astrov kommen herein, Vanja schickt Telegin und Marina hinaus. Astrov verlangt von Vanja etwas zurück, was dieser ihm gestohlen haben soll. Vanja leugnet den Diebstahl. Man halte ihn offenbar für verrückt, weil man ihn nicht des versuchten Mordes anklage. Er verlangt vom Arzt ein Mittel gegen seinen Weltschmerz. Astrov sieht keinen Trost für Vanja und sich selbst. Schäbige Kerle seien sie beide geworden. Sonja betritt den Raum und Astrov bittet sie, ihren Onkel davon zu überzeugen, das Gestohlene zurückzugeben. Es ist ein Fläschchen Morphium. Vanja gibt es schließlich heraus und drängt auf sofortige Beschäftigung, um nicht durchzudrehen. Elena kommt und bittet Vanja, sich mit Serebrjakov zu versöhnen. Außerdem will sie sich von Astrov verabschieden. Der Arzt macht einen letzten, vergeblichen Versuch, Elena zum Bleiben und zum Ehebruch zu überreden.

„Du hast mein Leben ruiniert! Ich habe nicht gelebt, nicht gelebt! Deinetwegen habe ich die besten Jahre meines Lebens vergeudet, vernichtet! Du bist mein schlimmster Feind!“ (Vanja zu Serebrjakov, S. 54)

Astrov rät Elena nun auch zur schnellen Abreise. In den vergangenen Wochen habe er gelernt, dass sie und Serebrjakov mit ihrer Trägheit überall Verwüstung stiften. Elena nimmt einen Stift von Astrov als Erinnerung mit. Die zwei verabschieden sich mit Wangenkuss und Umarmung. Serebrjakov versöhnt sich mit Vanja – alles wird so sein wie vorher, Vanja wird weiter für den Professor arbeiten. Auch Vanja und Elena verabschieden sich. Astrov macht sich ebenfalls auf den Weg. Nicht vor dem Sommer werde er wiederkommen, vermutet er. Der unglückliche Vanja klagt sein Leid, und Sonja versucht, ihm Trost zu spenden. Jetzt müssten sie leben, und nach ihrem Tod hätten sie die Muße, auf ihre Leiden mit Rührung zurückzublicken: „Wir werden ausruhen.“

Zum Text

Aufbau und Stil

Onkel Vanja ist ein Drama in vier Akten und mit acht Hauptfiguren. Schauplatz ist das Gut des Professors Serebrjakov irgendwo in Russland. Die Handlung spielt im Garten und in drei verschiedenen Zimmern des Gutshofs. Das gesamte Stück erzählt einen nicht näher bestimmten Zeitraum von Sommer bis Herbst. Alle Figuren sprechen leicht verständliche Prosa und benutzen häufig die für nicht russischsprachige Zuschauer und Leser befremdlichen Anreden mit Verniedlichungen und Vaternamen (etwa Ivan Petrovič für Telegin oder Vanja für Vojnicki). Die Figuren bilden einen in sich geschlossenen Kosmos, der kaum Anregungen von außen erhält. Der Text beschränkt sich im Wesentlichen auf Dialog. Bewegungen oder außersprachliche Handlungen sind in den Regieanweisungen kaum vorgesehen. Einzig Telegin steuert mit seiner Gitarre etwas nonverbale Abwechslung bei. Die Dialoge sind geprägt von Resignation, Bedauern, Vorwürfen und Hadern. Komische Szenen und ernste Monologe stehen nebeneinander, gehen teils ineinander über.

Interpretationsansätze

  • Im Zentrum von Onkel Vanja steht die Unmöglichkeit wirksamen Handelns. Alle Figuren würden gern handeln, können aber aus verschiedenen Gründen nicht. Mit Serebrjakovs absurd wirkungslosem Satz, man müsse „ein Werk schaffen“, Vanjas doppelt misslungenem Mordversuch und dem Ausbleiben jeglicher Konsequenzen in dessen Folge sowie den völlig wirkungslosen Avancen Astrovs und Vanjas in Richtung Elena illustriert Tschechow die Unfähigkeit des Menschen zur bedeutungsvollen Tat.
  • Die Lethargie der Figuren spiegelt die festgefahrene Situation der russischen Gesellschaft um 1900. Der eine Teil der Bevölkerung trauerte vergangener Größe nach, ein anderer träumte von der Revolution. Ebenso bei Tschechow: Die Gegenwart taugt nur dazu, Verpasstes zu bedauern, falsch getroffene Entscheidungen zu verdammen oder auf Kommendes zu hoffen.
  • Mit der Figur des Arztes Astrov bringt Tschechow den Ökologiegedanken in die Weltliteratur. Astrovs Eintreten für den Erhalt der Wälder in Verbindung mit seiner Kritik am menschlichen Raubbau an der Natur nimmt die Kernthemen der ökologischen Bewegung des 20. Jahrhunderts vorweg.
  • Ein zentrales Thema ist die Selbstentfremdung des Menschen. Fast alle Figuren unterdrücken fundamentale Bestandteile ihrer Persönlichkeit und legen sich so quasi selbst lahm. Elena unterdrückt ihre Liebe zur Musik und zu Astrov, Vanja seinen Intellekt, Astrov sein Streben nach Höherem.
  • Die Figuren tragen sprechende Namen. So ist etwa Sonja als russische Koseform von Sophia mit Weisheit konnotiert und Vojnicki/Vanja mit Krieg (russisch „Vojna“). Elena als die Strahlende (griechisch „Helene“) erscheint als Zentralgestirn, um das herum die anderen Figuren kreisen.
  • Die Figuren lassen sich klassischen Bühnenrollen der Commedia dell’Arte zuordnen, die Tschechow allerdings bewusst aufbricht. So erinnert Serebrjakov an die Figur des Dottore, während Telegin an die Figur des Hanswurst angelehnt ist.
  • Mit dem Motiv der Sinnlosigkeit aller menschlichen Existenz nimmt Tschechow existenzialistische Positionen vorweg, wie sie etwa Jean-Paul Sartre oder Albert Camus in der Mitte des 20. Jahrhunderts formulierten.

Historischer Hintergrund

Größe, Erstarrung und drohende Revolution

Um das Jahr 1900 hatte das Russische Reich die größte territoriale Ausdehnung seiner Geschichte erreicht und war der größte Flächenstaat der Welt. Das Herrschaftsgebiet des Zaren erstreckte sich zwischen dem Deutschen Reich und dem Pazifik, zwischen Schweden und Persien. Russland war trotz des verlorenen Krimkriegs gegen das Osmanische Reich die größte – wenn auch nicht die mächtigste – Weltmacht. Einzig das britische Empire, jedenfalls inklusive aller Kolonien, hatte eine größere Ausdehnung. 125,7 Millionen Einwohner wurden in Russland bei Volkszählung im Jahr 1897 einer ermittelt, über 80 Prozent davon lebten im europäischen Teil westlich des Ural.

86,6 Prozent der russischen Bevölkerung lebten auf dem Land. Die Städte waren im Vergleich mit westeuropäischen Metropolen industriell und infrastrukturell wenig entwickelt. Schuld daran trug auch Zar Alexander III., der nach der Ermordung seines Vaters 1881 dessen Reformen komplett zurücknahm und mit harter Hand regierte. Weite Teile des gebildeten Bürgertums verfielen daraufhin in Resignation. Die Unzufriedenheit mit dieser rückwärtsgewandten Politik führte zur Bildung vieler kritischer Zirkel und politischer Gruppen bis hin zur Gründung der Vorgängerpartei der KPdSU im Jahr 1898 durch Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin.

Entstehung

Onkel Vanja ist eine überarbeitete Version von Tschechows wenig erfolgreichem Drama Der Waldschrat von 1889, das nur in kleiner Auflage gedruckt wurde. In diesem Stück, das als Komödie deklariert ist, ranken sich viele Handlungsstränge rund um geschäftliche Intrigen, Heiratspläne, wechselnde Paarkonstellationen und Selbstmord. Eine der Figuren indes will nicht so recht ins umfangreiche Figurenkabinett des Waldschrat passen: Vanja, der sich im dritten Akt umbringt. Ihn machte Tschechows zur Titelfigur von Onkel Vanja.

Als Remake eines bereits vorhandenen Textes ist das Stück in Tschechows Werk einzigartig und für die Forschung ein Glücksfall. Denn hier lassen sich die Veränderungen im Stil und hinsichtlich der thematischen Schwerpunkte Tschechows nachvollziehen. Tschechow verhinderte den Abdruck des Waldschrat in einer Zeitschrift im Jahr 1890, da er wusste, dass er mit dem Text noch etwas vorhatte. Bei seiner Überarbeitung des Stücks strich Tschechow fast alle komödiantischen Aspekte, reduzierte das Personal auf weniger als die Hälfte, ließ Nebenhandlungen weg und ersetzte den Höhepunkt – den Selbstmord Vanjas – durch den misslungenen Mordversuch an Serebrjakov.

Über den genauen Entstehungszeitraum von Onkel Vanja ist nichts bekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass Tschechow den Waldschrat während seines Studienaufenthalts auf der sibirischen Gefängnisinsel Sachalin im Jahr 1891 umgearbeitet haben könnte. Vorherrschend ist jedoch die Annahme, dass Onkel Vanja erst nach Fertigstellung des Dramas Die Möwe und somit nach 1895 entstand. Onkel Vanja steht damit zwischen Tschechows früher, eher konventioneller Schaffensphase, zu der Stücke wie Ivanov gehören, und seiner meisterlichen Phase, die mit Die Möwe begann. Die offizielle Uraufführung erlebte das Stück in Moskau 1899 unter der Regie von Konstantin Stanislawski und mit Olga Knipper, Tschechows späterer Frau, in der Rolle der Elena. Vor der Uraufführung hatte es bereits einige Aufführungen an russischen Provinztheatern gegeben. Der Waldschrat wurde dem Lesepublikum erst postum in einer Werkausgabe zugänglich gemacht.

Wirkungsgeschichte

Tschechows Onkel Vanja wurde bei seiner offiziellen Uraufführung verhalten aufgenommen. Es gab Zustimmung, aber auch Kritik am Stück sowie an der Inszenierung. Doch schon bald entwickelte sich Onkel Vanja zu einem viel gespielten Drama am Moskauer Künstlertheater. Ab den 1920er-Jahren wurde es zu einem der meistgespielten russischen Dramen weltweit. Zahllose Aufführungen mit nationalen und internationalen Stars von Laurence Olivier bis Cate Blanchett zeugen von der zeitlosen Faszination, die das Spiel um Lethargie und Resignation bis heute erzeugt.

Onkel Vanja hatte, wie auch die anderen späten Stücke Tschechows, einen großen Einfluss auf die psychologisch interessierten amerikanischen Theaterdichter wie Arthur Miller, Tennessee Williams oder Thornton Wilder, die das Tschechow’sche Stilmittel des Subtextes oder der indirekten Handlung aufgriffen und weiterentwickelten. Auch filmisch wurde das Stück mehrfach umgesetzt. Die berühmtesten Verfilmungen sind Laurence Oliviers Uncle Vanya von 1963 und Louis Malles Vanya on 42nd Street von 1994.

Über den Autor

Anton Tschechow wird am 29. Januar 1860 in Taganrog am Asowschen Meer geboren. Sein Vater ist in seiner Kindheit noch ein Leibeigener gewesen. Mit diesem Makel behaftet, wächst Tschechow in einer kleinbürgerlichen Umgebung auf und besucht das Gymnasium. In Moskau studiert er Medizin und praktiziert danach einige Zeit als Arzt. Ab 1880 schreibt er für humoristische Zeitschriften. In den 1890er-Jahren wird der zunächst unpolitische Tschechow durch die Verschärfung der sozialen Widersprüche im Zarismus politisiert. 1890 unternimmt er eine Reise zu der sibirischen Insel Sachalin, um über die Zwangsarbeit der Verbannten zu berichten. Er organisiert Hilfsmaßnahmen für Opfer von Hunger- und Choleraepidemien und übt immer lauter Kritik an den herrschenden Zuständen. Tschechow verfasst Erzählungen und Dramen und entwickelt beide Gattungen maßgeblich weiter. Zu seinen bekannten Novellen zählen Die Steppe (1888), Eine langweilige Geschichte (1889), Das Duell (1891) und Die Dame mit dem Hündchen (1899). Für die Bühne schreibt er zunächst possenartige Einakter, dann lange Zeit gar nichts. Die große Anerkennung als Dramatiker findet er erst mit den Stücken Die Möwe, Onkel Vanja, Drei Schwestern und Der Kirschgarten, die zwischen 1896 und 1904 entstehen. Ab 1884 leidet Tschechow an Lungentuberkulose, weshalb er ab 1898 in Jalta auf der Krim lebt. 1901 heiratet er die Schauspielerin Olga Knipper. Sie begleitet ihn zur Kur ins deutsche Badenweiler, wo er am 15. Juli 1904 stirbt. Beerdigt ist er in Moskau.

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