John Irving
Owen Meany
Diogenes Verlag, 1992
Was ist drin?
Eine Geschichte von außergewöhnlicher Freundschaft und göttlicher Vorbestimmung: Irvings kleinwüchsiger Held Owen Meany ist ein ganz Großer.
- Roman
- Gegenwartsliteratur
Worum es geht
Der kleine Jesus aus New Hampshire
John Irving gehört zu den beliebtesten amerikanischen Autoren der Gegenwart. Sein Markenzeichen: groteske Situationen, skurrile Typen und unterhaltsame Geschichten. So auch in seinem siebten Roman Owen Meany aus dem Jahr 1989. Owen ist kein "gewöhnlicher" Junge, auch wenn sein Nachname das suggeriert. Von den anderen Kindern wird er wegen seines zwergenhaften Wuchses und seiner schrillen Stimme gehänselt und malträtiert, doch erträgt er diese Anfeindungen mit stoischer Gelassenheit. An dem Tag, an dem er zum ersten Mal einen Baseball schlagen darf, passiert das Unfassbare: Der Ball trifft die von ihm über alles geliebte Mutter seines besten Freundes John: Sie ist sofort tot. Fortan ist Owens Leben nicht mehr dasselbe: Der tief gläubige Junge fühlt sich prädestiniert dazu, die Werke Gottes zu tun. Er spielt nicht nur in einem Krippenspiel das Jesuskind, sondern glaubt auch, dass ihm ein ähnliches Schicksal blüht: In Visionen erfährt er sein Todesdatum und sieht außerdem, dass er sein Leben für vietnamesische Kinder hingeben wird. Irving verschmilzt die Themen Glaube, Religiosität und Menschlichkeit zu einer stimmigen Geschichte, gewürzt mit haarsträubenden Ereignissen zwischen Vietnamkrieg und Reagan-Ära. Auf jeden Fall erwartet den Leser beste Unterhaltung auf hohem Niveau.
Take-aways
- John Irving gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Romanautoren der zeitgenössischen amerikanischen Literatur.
- Owen Meany ist Irvings siebter Roman, er wurde im Jahr 1989 veröffentlicht.
- Im Mittelpunkt steht der kleinwüchsige, schrillstimmige, gleichzeitig brillante und führungsstarke Owen Meany.
- Sein Freund John Wheelwright erzählt rückblickend die gemeinsame Kindheit in New Hampshire.
- Unabsichtlich tötet der kleine Owen mit einem kräftig geschlagenen Baseball ausgerechnet Johns Mutter.
- Fortan bezeichnet der tief gläubige Owen sich als Werkzeug Gottes und hat seltsame Visionen seines eigenen Todes.
- Jahrelang trainiert er mit John einen bestimmten Basketballwurf, weil er ahnt, dass dieser einmal für seinen Tod wichtig sein wird.
- Gemeinsam studieren John und der viel intelligentere Owen an der Universität von New Hampshire, allerdings muss Owen dafür in die US-Armee eintreten.
- Seine Versuche, nach Vietnam in den Krieg zu ziehen, scheitern an seiner geringen Körpergröße.
- Schließlich jedoch erfüllen sich Owens Visionen: Auf dem Flughafen von Phoenix rettet er vietnamesischen Waisenkindern das Leben und stirbt so den Heldentod.
- Der Roman ist ein typischer Irving: skurrile Typen, groteske Situationen, liebenswerte Charaktere und eine Menge Autobiografisches.
- Owen Meany, wie viele andere Irving-Titel ein absoluter Bestseller, wurde unter dem Titel Simon Birch verfilmt.
Zusammenfassung
Der kleine Owen Meany
Owen Meany ist der beste Freund von John Wheelwright, dem Erzähler der Geschichte. Er zeichnet sich nicht nur durch eine geringe Körpergröße aus, sondern vor allem durch seine hohe Stimme, eine Art Falsett, die wie permanentes Schreien wirkt. Owens Vater ist im Granitgeschäft. Neben einem Steinbruch betreibt er einen Laden für Grabsteine und Gravuren in Gravesend in New Hampshire. John Wheelwright gilt als Spross einer aristokratischen Familie. Seine Großmutter gibt in der Stadt den Ton an. Er ist ein uneheliches Kind, dessen Vater unbekannt ist. Seine Mutter hat den Vater angeblich auf einer ihrer allwöchentlichen Bahnreisen nach Boston kennen gelernt, wo sie jeden Donnerstagmorgen Gesangsstunden nimmt. In der Sonntagsschule wird Owen zum Spielball der anderen Kinder: Sie heben ihn über ihre Köpfe hinweg, sodass ihm seine geliebten Baseballkarten aus der Tasche fallen. Doch das ist nicht böse gemeint, am Ende geben sie ihm alles zurück. Owen ist stets ernsthaft und verfügt über einen scharfen Verstand. John sieht in Owen Meany den Grund für seinen festen Glauben an Gott.
Das Gürteltier
Johns Mutter Tabitha, genannt Tabby, ist eine sehr hübsche und warmherzige Frau. Alle Freunde von John lieben sie, besonders Owen. Eines Tages kommt ein Mann zum Haus der Großmutter in die Front Street Nr. 80, wo John und seine Mutter leben. Tabitha hat ihn im Zug nach Boston kennen gelernt. Der eher unscheinbare, schlecht gekleidete Mann hat in Harvard studiert und sich nun als Lehrer für Schauspiel an der Gravesend Academy beworben. Während die Erwachsenen sich im Wohnzimmer unterhalten, bleibt der sechsjährige John im Flur. Dan Needham, so heißt der neue Freund seiner Mutter, der einige Jahre später sein Stiefvater wird, hat ihm eine Papiertüte mitgebracht, in der sich eine zweite Tüte befindet. Er soll gut darauf aufpassen und sie auf keinen Fall öffnen. Natürlich kann der Junge der Versuchung nicht widerstehen. Als er in der Tüte ein bösartig aussehendes Tier erblickt, das finster starrend zum Angriff ansetzt, erschrickt er sehr. Zum Glück stellt sich heraus, dass das lebensecht wirkende Gürteltier nur ausgestopft ist. John ist davon begeistert und auch Owen gefällt es sehr. Sie denken sich ein schauriges Spiel aus: Der eine versteckt das gruselige Tier in einem begehbaren Kleiderschrank auf dem Speicher und der andere muss es dann mit Hilfe einer Taschenlampe suchen, wobei er jedes Mal fast einen Herzschlag bekommt.
Der Schlagball
John und Owen sind keine leidenschaftlichen Baseballspieler. Jedes Mal, wenn Owen einen Ball schlägt, verliert er das Gleichgewicht, denn die Schläger sind viel zu groß für ihn. Doch kann er sehr schnell rennen und bringt so der Mannschaft Punkte ein. An einem Nachmittag, an dem ein Baseballspiel sich endlos hinzieht und alle sehnsüchtig auf das Ende warten, wechselt der Trainer Owen als Schlagmann ein. Er fordert ihn auf, ganz fest zuzuschlagen. Owen schlägt weit und kräftig, froh über die einmalige Chance, sein Können unter Beweis zu stellen. Ausgerechnet Johns Mutter wird von dem Ball an der Schläfe getroffen: Sie bricht sofort tot zusammen. Der Ball, den der Polizist als Mordwaffe bezeichnet, verschwindet spurlos. John vermutet, dass Owen ihn mitgenommen hat und ihn irgendwo in seinem Zimmer versteckt. Am nächsten Tag liegen, sozusagen als Entschuldigung für die Tat, sämtliche Kartons mit Owens geliebten Baseballkarten vor Johns Haustür. John berät mit seinem Stiefvater Dan, was er damit tun soll. Er bringt die Karten zurück und stellt - als Zeichen seiner Vergebung - das Gürteltier daneben. Owen gibt das Gürteltier zurück, allerdings ohne die Krallen der Vorderpfoten. So verunstaltet kann es nicht mehr richtig stehen. Erst später begreift John, was Owen ihm damit sagen will: Wenn er könnte, würde er sich für John die Hände abhacken, seine "Mordwerkzeuge", die den Baseball geschlagen haben.
Der Todesengel
Vor dem Tod von Johns Mutter hat sich etwas Eigentümliches zugetragen: Owen übernachtete häufig bei John, denn bei ihm zu Hause war es recht trostlos. Eines Nachts erwachte er mit Fieber und klagte über Übelkeit. John schickte ihn zu seiner Mutter ins Schlafzimmer. Neben dem Bett der Mutter stand eine armlose Schneiderpuppe, die stets bekleidet war und in etwa die Figur der Mutter hatte. Tabitha brachte sich oft Kleider aus Boston mit, kopierte die Schnitte und nähte sie sich dann nach, stets in den Farben schwarz und weiß. John rechnete damit, dass die Puppe Owen erschrecken würde. Dieser erschrak auch, sagte jedoch, außer der Puppe sei noch eine weitere Gestalt da gewesen: ein Engel. Owen erklärt John später, er sei durch seinen tödlichen Baseball zum Werkzeug Gottes geworden, weil er damals in der Nacht den Engel bei der Ausübung seiner Pflicht gestört habe: Johns Mutter zu töten. Der Engel war kein Schutz-, sondern ein Todesengel.
Der kleine Herr Jesus
John und Owen besuchen die Episkopalkirche. Vor der Heirat seiner Mutter hat John die Kongregationalistische Kirche besucht, die im Gegensatz zur episkopalen hell und freundlich ist und deren Pastor Lewis Merrill er sehr schätzt. Bei den Episkopalen hingegen gibt es nur einen Rektor (= Gemeindevorsteher), der zudem ein ehemaliger Pilot ist. John findet seine blumigen Predigten wenig glaubwürdig und teilweise grotesk. Weihnachten 1953 ist das erste Weihnachten nach dem Tod seiner Mutter. Zum ersten Mal fährt verbringt er das Fest nicht bei seiner Tante und kann daher am Krippenspiel teilnehmen: als Josef. Bisher hat Owen immer den Engel gespielt und musste an einem Riemen über der Bühne hängen. Dieses Jahr überzeugt er den Rektor, er müsse das Jesuskind sein, da nur er so klein sei, dass er in die Krippe passe. So wird Owen trotz heftiger Grippe am Weihnachtsabend in Windeln gewickelt und auf einen Strohhaufen gelegt. So zusammengeschnürt kann er nur noch seine Arme bewegen. Als ihn die Frau des Rektors küsst, bekommt er eine Erektion. Das Stück endet in einer Katastrophe: Plötzlich erkennt Owen seine Eltern im Publikum und fordert sie erbost auf, sofort zu gehen, denn sein Verhältnis zu ihnen ist sehr gespannt. Als sie sich ängstlich aus der Kirche schleichen, verlangt er von John, ebenfalls hinausgebracht zu werden.
Der Geist der Zukunft
Owen spielt in der von Dan Needham inszenierten Weihnachtsgeschichte Ein Weihnachtslied von Charles Dickens den Geist der zukünftigen Weihnacht. Wie die Rolle des Jesuskindes hat auch die des Geistes keinen Text. Das ist Owen, dessen Stimme stets Spott hervorruft, sehr wichtig. Seine kleine Gestalt in einem dunklen Kapuzenmantel wirkt so gruselig, dass er dem Hauptdarsteller die Show stielt. Noch immer stark erkältet und fiebrig, hat er eine Vision: In seiner Rolle sieht er seinen eigenen Namen auf einem Grabstein. Völlig verstört bricht er zusammen. Als John nach Hause kommt, erfährt er, dass eines der beiden Hausmädchen gestorben ist. Gemeinsam mit der anderen Bediensteten hält er Totenwache, bis Dan nach Hause kommt. Das total verstörte Mädchen verbringt die Nacht in Johns Zimmer, was die Phantasie des Jungen beflügelt. Er glaubt, solche "unreinen Gedanken" seien das Erbe seines unbekannten Vaters.
Die Stimme des Grabes
Owen hilf John immer bei den Hausaufgaben, so wie er es dessen Mutter versprochen hat. John hat Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, doch Legasthenie ist 1959 noch unbekannt; so ersinnt Owen Methoden, um John das Lesen zu erleichtern. Als brillanter Schüler bekommt Owen ein Stipendium für die Gravesend Academy, doch er besucht zusammen mit John, der nicht angenommen wurde, zunächst für ein Jahr die öffentliche Highschool. Als die beiden dann endlich auf die Akademie gehen, wird Owen Chefredakteur der Schülerzeitung The Grave. Er kritisiert die Zustände an der Schule, wobei er ausschließlich Großbuchstaben verwendet, und macht sich zum moralischen Sprachrohr der Schüler. Als Gegner der Katholiken setzt er beispielsweise durch, dass es freitags nicht nur Fisch, sondern auch eine alternative Mahlzeit gibt. Schon bald wird er nur noch "die Stimme" genannt. Gemeinsam üben John und Owen den "Dunking-Sprung" beim Basketball, bei dem John Owen immer assistieren muss, indem er ihn hochhebt. Owen hat die fixe Idee, den Ball in weniger als vier Sekunden im Korb zu versenken. Bei einem Ausflug nach Boston erfahren die beiden, dass Johns Mutter dort jeden Mittwochabend in einer Bar gesungen hat. Ihr Stimmlehrer untersucht Owens Adamsapfel und stellt fest, dass dieser sich nicht auf und ab bewegen kann, sondern sich permanent in der Stellung zum Schreien befindet.
Die Einberufung
Der neue Schulleiter der Gravesend Academy kann Owen nicht leiden. Als herauskommt, dass der Junge Wehrpässe gefälscht hat, damit sich seine Mitschüler als volljährig ausgeben und Alkohol konsumieren können, wird er zwei Tage vor den Ferien der Schule verwiesen. Um den Schulleiter lächerlich zu machen, stiftet Owen andere Schüler dazu an, den VW Käfer eines Lehrers auf die Bühne der Aula zu tragen. Bei dem Versuch, das Auto zu entfernen, bleibt der Schulleiter vor aller Augen kopfüber in dem zwischen den Treppengeländern verkanteten Gefährt stecken. Seit ihrem Abschlussball ist Owen mit Johns attraktiver Cousine Hester zusammen, bei der er an den Wochenenden auch übernachtet. John rätselt, ob die beiden "es wirklich tun", denn Owen ist nicht einmal einen Meter fünfzig groß. John selbst hat kein Glück bei Mädchen. Als bester Schüler der Akademie hatte Owen bis zu seinem Schulverweis Aussicht auf Stipendien der angesehenen Universitäten. Doch der Schulleiter warnt die Unis vor Owen. Daher knüpfen sie nun Bedingungen an die Aufnahme. Owen entscheidet sich deshalb gegen Harvard und Yale und geht zusammen mit John auf die Universität von New Hampshire. Das Stipendium erkauft er sich mit dem Eintritt in die Armee. Er belegt militärische Disziplinen und brilliert dort. Am normalen Unterricht beteiligt er sich kaum, da ihn alles langweilt.
„Ich bin dazu verdammt, mit der Erinnerung an einen Jungen mit einer entsetzlichen Stimme zu leben - nicht wegen seiner Stimme, auch nicht, weil er der kleinste Mensch war, der mir je begegnet ist, und nicht einmal, weil er das Werkzeug zum Tod meiner Mutter war, sondern weil er der Grund ist, warum ich an Gott glaube: wegen Owen Meany bin ich Christ geworden.“ (S. 11)
An der Universität fällt John das Lernen viel leichter als auf der Gravesend Academy. Er überflügelt Owen. Dieser will unbedingt nach Vietnam, denn in einem immer wiederkehrenden Traum - in dem seltsamerweise auch John vorkommt - sieht er sich nach der Rettung vietnamesischer Kinder in den Armen einer Nonne einen Heldentod sterben. Ist das seine göttliche Vorbestimmung? 1965 geht Owen für sechs Wochen zur Grundausbildung. Er hört auf zu rauchen und beginnt Bier zu trinken, wie es sich für einen Soldaten gehört. Doch er versagt beim Springen über die Mauer, da er einfach zu klein ist, und bekommt daher keine Auszeichnung. Die Armee schickt Owen zu einem Verwaltungslehrgang, worüber er sehr enttäuscht ist. Während er zum Rückführungsoffizier für die in Vietnam gefallenen Soldaten aufsteigt, bekommt John seinen Musterungsbefehl. Prompt nimmt sich Owen Urlaub und die beiden treffen sich im Grabsteinladen der Meanys. Dort hat Owen schon die Diamantscheibe zum Schneiden von Granit mit Alkohol desinfiziert. Er weiß, dass die Armee niemanden als tauglich einstuft, dem die ersten beiden Glieder des rechten Zeigefingers fehlen. Diese schneidet er John kurzerhand ab.
Die Explosion
Owen überführt eine Leiche aus Vietnam nach Phoenix und bittet John, zu ihm zu kommen. Sie besuchen die Angehörigen des Soldaten, eine zerrüttete Unterschichtfamilie. Der jüngere Bruder des Toten, der 15-jährige Dick Jarvits, ist auffallend unhöflich. Er trägt einen Tarnanzug und wartet nur darauf, auch nach Vietnam zu können und es "den Vietnamesen heimzuzahlen". Als Owen und John am 8. Juli 1968 am Flughafen auf Johns Rückflug warten, kommt eine Gruppe Nonnen mit vietnamesischen Waisenkindern auf sie zu. Die Schwestern bitten Owen, mit den Jungen auf die Toilette zu gehen. Als sie dort sind, betritt plötzlich der fanatische Dick Jarvits den Raum: Er wirft eine Handgranate in Richtung der Kinder. Owen ruft den Kindern auf Vietnamesisch zu, sie sollen keine Angst haben und sich auf den Boden werfen. Blitzschnell springt er in Johns Arme, wie so oft beim Basketball geübt, und klemmt die Granate auf dem drei Meter hohen Fensterbrett fest. Als sie explodiert, reißt sie Owen beide Unterarme ab. Er verblutet im Schoß einer herbeigeeilten Nonne. John erkennt, dass dies Owens Bestimmung war. Seine hohe Stimme und seine geringe körperliche Größe hatten die Kinder beruhigt und deshalb hörten sie auf ihn. Kurz vor der Beerdingung erfährt John von den Meanys, dass Owens Mutter eine unbefleckte Empfängnis gehabt habe. Die Katholiken aber verurteilten Owens Geburt als Sünde, weshalb seine Eltern und er sie so sehr hassten. Seinen Grabstein, erfährt John von Owens Vater, hat Owen eigenhändig bereits ein halbes Jahr zuvor mit dem exakten Todesdatum versehen. Als John mit Pastor Merrill wegen Owens Beerdigung spricht, stellt sich heraus, dass niemand anders als der Pastor Johns Vater ist. Und der verschwundene tödliche Baseball befand sich all die Jahre in seiner Schublade.
Zum Text
Aufbau und Stil
Irving macht Owen Meanys besten Freund John zum Erzähler der Geschichte. In Rückblenden berichtet er in neun Kapiteln über die gemeinsame Kindheit, Schulzeit, Studienzeit und Owens vorherbestimmten Tod. Der Roman ist aus der Perspektive des im Jahr 1987 in Kanada lebenden Lehrers geschrieben, hin und wieder finden sich auch Tagebuchaufzeichnungen Johns, der vor allem die politische Entwicklung mit seinen Schülerinnen diskutiert.
Interpretationsansätze
- Hauptthemen in Owen Meany sind Glaube und Religiosität. Obwohl Irving seinen Helden mit beißender Ironie gegenüber den weltlichen Dienern Gottes nicht sparen lässt, ist Owen doch von einer starken Gottesfürchtigkeit beseelt. Auch John, der selbst eher wankelmütig erscheint, gewinnt durch Owens Vorbild einen festen Glauben. Dass Owen Meany allerdings als eine Art wiedergeborener Jesus Christus erscheint, dürfte als Provokation Irvings gegenüber der Kirche zu verstehen sein.
- Owens ganze Existenz, das steht zum Schluss außer Frage, ist ein Wunder. Dieses Wunder offenbart sich vor allem in seiner Prädestination: Alles was an Owen seltsam und hinderlich wirkt (seine Größe, seine Stimme) und wofür er anscheinend seine Zeit vergeudet (seine Visionen, der Dunking-Sprung), ergibt am Ende einen Sinn: Sein ganzes Leben läuft auf das Ereignis in der Herrentoilette am Flughafen von Phoenix hinaus. Owen Meany ist ein Prophet, ein Werkzeug Gottes.
- Irving verwendet häufig das Motiv der Amputation. Ein krallenloses Gürteltier, eine armlose Schneiderpuppe, eine Madonna, der Owen die Arme absägt, das Abtrennen der beiden Zeigefingerglieder und schließlich die Handgranate, die Owen beide Arme wegreißt: der Verlust dieser wichtigen Extremitäten symbolisiert die Unmöglichkeit, etwas gegen das Schicksal zu unternehmen.
- Anders als seine Mitmenschen nimmt Owen seine Bestimmung an und tut alles, um ihr mutig zu begegnen. Er hat keine Angst vor dem Tod und wird deswegen zu einer Führungspersönlichkeit, die auch den eher lethargischen John mitreißt und verwandelt.
Historischer Hintergrund
Schlaglichter amerikanischer Geschichte des 20. Jahrhunderts
"Das Weiße Haus, diese Verbrecherbande, diese arroganten Hohlköpfe, die meinen, für sie würden die Gesetze nicht gelten -, sie besudeln die Demokratie mit der Behauptung, sie täten alles, was sie tun, für die Demokratie! Die gehören alle ins Gefängnis! Die gehören alle nach Hollywood!" Das ist nur eine der zahlreichen politischen Bemerkungen, die Irving seinem Erzähler John in dessen Gegenwart 1987 in den Mund legt. Es war die Ära von Ronald Reagan. Unter ihm erreichte der Kalte Krieg mit der Sowjetunion seinen Höhepunkt, die USA und die UdSSR lieferten sich über Jahre einen Aufrüstungswettkampf. Um dem "Reich des Bösen" Einhalt zu gebieten, schreckte Reagan auch vor unsauberen Methoden nicht zurück: Beispielsweise belieferten die USA den Iran und Afghanistan mit Waffen. 1987 erschütterte die Iran-Contra-Affäre die Öffentlichkeit: Regierungsmitglieder hatten Erlöse aus dem illegalen Waffenhandel mit dem Iran dazu verwendet, gegen den erklärten Willen des US-Kongresses die Contra-Guerilla in Nicaragua zu unterstützen. John Wheelwright vergleicht Reagans Politik in der Erzählgegenwart mit den während des Vietnamkriegs begangenen Verbrechen und stellt damit einen Bezug zu der von ihm erzählten Vergangenheit her. In den frühen 60er Jahren schickte die Regierung unter John F. Kennedy militärische Berater nach Vietnam, um die südvietnamesische Regierung im Kampf gegen Nordvietnam zu unterstützen. Als dann 1964 US-Zerstörer von nordvietnamesischen Patrouillenbooten attackiert wurden, griffen die USA auch aktiv in den Krieg ein. Ende 1965 waren bereits rund 180 000 Soldaten vor Ort stationiert. Scheinbare Fortschritte wurden immer wieder durch Rückschläge, Friedensbemühungen durch erneute Eskalationen relativiert. Außerdem formierte sich im Inneren der USA eine Antikriegsbewegung, die gegen das teilweise brutale und selbstgerechte Vorgehen der US-Militärs aufbegehrte. Die US-Truppen mussten 1973 den Kriegsschauplatz verlassen, weil die Regierung unter Richard Nixon einsah, dass der Krieg nicht zu gewinnen war. Nordvietnam überrannte den Süden, am 30. April 1975 fiel Saigon. Schätzungsweise zwei Millionen Vietnamesen verloren ihr Leben. Für die USA wurde der Vietnamkrieg zum nationalen Trauma.
Entstehung
"Schreiben ist wie Ringen. Man braucht Disziplin und Technik. Man muss auf die Geschichte zugehen wie auf einen Gegner." So hat John Irving den Prozess des Schreibens einmal umrissen. Für Owen Meany zapfte Irving wieder einmal seine eigene Biographie an, vor allem bei der Charakterisierung des Erzählers John Wheelwright. Beide Johns wachsen in New Hampshire auf, Gravesend entspricht Irvings Heimatstadt Exeter, die Gravesend Academy der Phillips Exeter Academy. Genau wie Irving ist John der Stiefsohn eines Geschichtslehrers und kennt seinen eigenen Vater nicht. Und genau wie Irving ist John Wheelwright Legastheniker, besucht die Universität von New Hampshire, wandert nach Kanada aus und wird dort Lehrer in einer Mädchenschule. Irving hat neben seinem eigenen Leben auch Vorbilder eher literarischer Natur: Die Art, wie Charles Dickens seine Charaktere gestaltet, hat es ihm nach eigenem Bekunden schon immer angetan; in Owen Meany kommt das berühmte Dickens'sche Weihnachtsmärchen als "Stück im Stück" vor. Es gibt auch ein Vorbild für Irvings Titelgestalt: Seit Irving Günter Grass in Wien kennen gelernt hat, bewundert er nach eigenem Bekunden den deutschen Schriftsteller. Owen Meany hat nicht nur die gleichen Initialen wie Oskar Matzerath aus Grass' Erfolgsroman Die Blechtrommel. Sie haben noch mehr Gemeinsamkeiten: Beide sind kleinwüchsig, erheblich intelligenter als ihre Mitmenschen, besitzen die Fähigkeit, ihre Umgebung zu manipulieren, kennen ihren Vater nicht und haben eine schrille Stimme.
Wirkungsgeschichte
Nach dem durchschlagenden Erfolg von Garp und wie er die Welt sah landeten sämtliche Nachfolgeromane Irvings auf den Bestsellerlisten, so auch Owen Meany (1989). Die Verkaufszahlen lagen sogar noch über denen von Garp. Die Reaktion der professionellen Literaturkritik allerdings fiel weniger euphorisch aus. Es ist der Fluch des zeitgenössischen Autors, den man ja noch fragen kann, wie er das eine oder andere gemeint habe, dass sein Werk immer als etwas minderwertig gegenüber den großen literarischen Entwürfen der Vergangenheit betrachtet wird. Das trifft auf Irving in besonderem Maße zu, weil seine Bücher den Spagat zwischen massentauglichem Unterhaltungsroman und durchaus ernsthafter Literatur meistern. "Mir ist klar, dass ich am Geschmack der zeitgenössischen Kritik vorbeischreibe. Aber ich bin nun mal kein Intellektueller, sondern ein Geschichtenerzähler", kommentierte der Autor. Das amerikanische Magazin Time immerhin lobte Owen Meany in den höchsten Tönen: Irving liefere "ungestüme Charaktere, eine turbulente Geschichte und eine Prosa, deren Qualität sogar von ihren Bewunderern oft unterschätzt" werde. Newsweek hingegen verdammte das Buch und empfahl den Lesern, "so schnell die Flucht zu ergreifen", wie sie nur könnten. Auf die Frage, ob er eine Verfilmung von Owen Meany anstrebe, antwortete John Irving: "Ich glaube nicht daran, dass ein religiöses Wunder in die zweidimensionale Welt des Films überführt werden kann." Der Film wurde dann doch gemacht: Regisseur Mark Steven Johnson musste sich Irving gegenüber allerdings verpflichten, nicht den Originaltitel zu verwenden; Irving selbst schlug den Alternativtitel Simon Birch vor. Die Verfilmung aus dem Jahr 1998 orientiert sich denn auch eher rudimentär am Plot von Irvings Roman.
Über den Autor
John Irving wird am 2. März 1942 in Exeter im US-Bundesstaat New Hampshire geboren. Wie viele seiner Romanfiguren stammt er aus einer Großfamilie. John ist das älteste von vier Kindern. Sein Stiefvater ist Lehrer an Johns Schule. Trotz seiner Legasthenie liest der Junge viel und gern, was seinen Noten eher abträglich ist. Als Teenager beginnt er mit dem Ringen. Sein Coach erkennt bei ihm ganz klar zu wenig Potenzial, um zu den Spitzenringern aufzuschließen, aber John lässt nicht locker und trainiert umso härter. Erst als Irving an der Universität Pittsburgh mit den besten Ringern des Landes trainiert und feststellen muss, dass er wirklich nicht mithalten kann, gibt er seinen Traum auf, Profi zu werden. Er wechselt daraufhin an die Universität New Hampshire, wo er an einem Kurs für kreatives Schreiben teilnimmt und seinen Mentor John Yount kennenlernt, der ihn ermuntert, mit dem Schreiben fortzufahren. Im Rahmen eines Austauschjahres geht Irving nach Wien. Während eines Deutschkurses zur Vorbereitung auf den Austausch lernt er seine erste Frau Shyla Leary kennen. Kurz nach der Hochzeit wird ihr Sohn Colin geboren. Als jung verheirateter Student mit einem Kleinkind entgeht Irving der Einberufung und so dem Vietnamkrieg. 1968 veröffentlicht er seinen ersten Roman Lasst die Bären los! (Setting Free the Bears). Er nimmt eine Stelle als Dozent an einem College in Vermont an und verbringt zwischendurch wieder ein Jahr in Wien, wo auch sein zweiter Sohn Brendan geboren wird. Nachdem sein neuer Verlag 1978 seinen vierten Roman Garp und wie er die Welt sah (The World According to Garp) mit einer großen Kampagne einem Millionenpublikum bekannt gemacht hat, kann Irving von der Schriftstellerei leben – und das von Bestseller zu Bestseller besser. 1985, während er Gottes Werk und Teufels Beitrag (The Cider House Rules) verfasst, trennt er sich von seiner ersten Frau und heiratet später seine Agentin Janet Turnball, mit der er seinen dritten Sohn Everett hat. John Irving lebt mit seiner Familie in Vermont und Toronto.
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