Wolfram von Eschenbach
Parzival
Deutscher Klassiker Verlag, 2006
Was ist drin?
Edle Ritter kämpfen um schöne Frauen und suchen den wundersamen Gral. „Parzival“ ist einer der bedeutendsten literarischen Texte des Mittelalters.
- Heldenepos
- Mittelalter
Worum es geht
Ein Ritter auf der Suche nach dem Gral
Wolfram von Eschenbach erzählt im Parzival aus dem frühen Mittelalter. Bevölkert wird diese uns ferne Welt von schönen und mutigen Rittern, die sich für die Liebe edler Damen in Kämpfe stürzen und dabei ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen können: ihren Gegner mit der Lanze vom Pferd zu werfen. Parzival ist der prächtigste Ritter seiner Zeit. Mit seiner Schönheit nimmt er jeden für sich ein, er ist mutig und im Zweikampf unbesiegt. Doch das gilt nicht von Anbeginn, Parzival muss eine Entwicklung durchlaufen: Vom naiven Jüngling, der mehrfach Schuld auf sich lädt, reift er zum edlen Ritter und verantwortungsbewussten Hüter des Grals heran. Wolframs Versepos gibt einen Einblick in die höfische Welt des Mittelalters, den Ehrenkodex der Ritter und ihr Verhältnis zur Liebe. Der Autor trägt mit seinen bisweilen ironischen Kommentaren nicht nur zur Unterhaltung des Lesers bei, er hat auch mit sich selbst als erzählender Figur eine neue Ebene in die Literatur eingeführt. Wolfram schrieb Parzival in mittelhochdeutschen Versen; in der vorliegenden Übertragung von Dieter Kühn ist das Werk sehr gut lesbar.
Take-aways
- Parzival ist eines der wichtigsten literarischen Werke des Mittelalters. Es beschreibt höfische Gebräuche, Ritterkämpfe und die Suche nach dem heiligen Gral.
- Wolfram von Eschenbach hat das Versepos um 1200 in mittelhochdeutscher Sprache verfasst.
- Parzival ist der Sohn von Gahmuret, dem größten Ritter seiner Zeit. Nach dessen Tod will Parzivals Mutter ihren Sohn vom Rittertum fernhalten.
- Doch Parzival hört nicht auf sie und verlässt sein Zuhause, um Ritter bei König Artus zu werden. Seine Mutter stirbt.
- Bei einem alten Edelmann lernt er ritterlich zu kämpfen und sich höfisch zu benehmen.
- In seiner ersten Bewährungsprobe befreit er die Königin Conduir-amour aus einer Belagerung – und heiratet sie.
- Auf dem Mont Sauvage sieht Parzival den Gral. Weil er den Hausherrn Anfortas nicht nach der Ursache seines Leidens fragt, wird er an dessen Fortdauer schuldig.
- Von seiner Frau getrennt, irrt er fast fünf Jahre unglücklich durch die Welt, um den Gral wiederzufinden.
- Der Gral ist göttlichen Ursprungs und kann ewiges Leben spenden. Seit Generationen wird er von einem Geschlecht bewacht, zu dem auch Parzival gehört.
- Als bester Ritter seiner Zeit wird Parzival vom Gral selbst zu dessen Hüter berufen. Nun erlöst er mit seiner Frage Anfortas von seiner Qual.
- In einem Großteil des Epos werden parallel zur Parzival-Geschichte die Abenteuer des Ritters Gawan erzählt, die von der Haupthandlung weitgehend unabhängig sind.
- Wolfram von Eschenbach hat mit seiner Mischung aus christlicher Mythologie und mittelalterlichen Sagen ein Zeitgemälde geschaffen, das Quelle vieler Rittergeschichten und Opern geworden ist.
Zusammenfassung
Parzivals Eltern
Gahmuret ist der Sohn eines Königs aus dem Haus Anjou in Frankreich. Als sein älterer Bruder nach dem Tod des Vaters zum neuen König wird, sucht Gahmuret in fernen Ländern Abenteuer und Ruhm. Er kämpft als Söldner im Dienst des Kalifen von Bagdad und gelangt nach Sasamanc, ins Reich der dunkelhäutigen Königin Belacane. Gahmuret bietet Belacane an, die Hauptstadt zu befreien, die von fremden Heeren belagert ist. Als Lohn erwartet er ihren Liebesdienst. Er besiegt die gegnerischen Edelleute im ritterlichen Zweikampf mit der Lanze; um am Leben zu bleiben, müssen sie ihm das Ehrenwort geben, sich ihm zu unterwerfen. Belacane wird Gahmurets Frau und verbietet ihm aus Sorge um sein Leben die Teilnahme an Ritterturnieren. Weil Gahmuret aber nicht auf Abenteuer verzichten will, verlässt er heimlich seine Gattin.
„Die große Ehrung freute ihn, / er fühlte sich zugleich bedrückt – / es war die Macht der Liebe: / Sie holt Verstand aus seiner Höhe.“ (über Gahmuret, Bd. I, S. 65)
Seine Reise führt ihn über Spanien nach Wales. Scharen von Rittern haben sich dort versammelt, um ein Turnier auszutragen. Dem Gewinner winkt als Preis die Königin des Landes, Herzeloyde. Gahmuret trifft viele Verwandte und erfährt, dass sein Bruder in einem Zweikampf getötet worden ist. Tief betrübt hält er sich aus den Vorgeplänkeln lange heraus. Als er dann doch mitkämpft, besiegt er sämtliche Gegner. Weil Herzeloyde Gahmuret unbedingt als Gatten haben will, erklärt sie ihn kurzerhand zum Sieger des noch gar nicht zu Ende gegangenen Turniers. Gahmuret würde lieber den Heiratsantrag einer französischen Königin annehmen, doch ein Gerichtsbeschluss verfügt seine Eheschließung mit Herzeloyde. Er heiratet sie unter der Bedingung, dass er weiterhin als Ritter seinen Abenteuern nachgehen darf. So hält es ihn nicht lange in seinem neuen Königreich, und er bricht wieder nach Bagdad auf. Kurz vor der Geburt ihres Sohnes erfährt Herzeloyde vom Tod ihres Gatten: Gahmuret ist in einer Schlacht im Dienst des Kalifen gefallen. In einem Wald, fern der höfischen Ritterwelt, zieht Herzeloyde ihren Sohn auf, um ihm das Schicksal des Vaters zu ersparen.
Parzivals erste Abenteuer
Als der junge Parzival im Wald auf Ritter in voller Rüstung trifft, erscheinen sie ihm als Götter. Er möchte wissen, wer einen Mann zum Ritter machen kann. Auf die Antwort, König Artus könne dies, beschließt Parzival, diesen zu suchen. Herzeloyde kann seinen Aufbruch nicht verhindern. Um ihm sein Vorhaben aber zu erschweren, stattet sie ihn mit bauernhafter Kleidung aus und lehrt ihn ein tölpelhaftes Verhalten. Kurz nach seinem Aufbruch stirbt sie an gebrochenem Herzen.
„Edle Ritter gingen, liefen / dort in ihrem Eisenzeug: / Denen gerbte man das Fell / mit Hufen und mit Keulen – / das gab denn blaue Beulen.“ (Bd. I, S. 131)
Parzival begegnet Sigune, die um einen toten Ritter in ihren Armen trauert. Von ihr, die sich als seine Kusine entpuppt, erfährt er erst die Bedeutung seines Namens: Parzival heiße „mittendurch“. Am Hof von König Artus nimmt man ihm allein wegen seiner großen Schönheit seine edle Herkunft ab. Sogleich bietet sich Parzival Gelegenheit, Ruhm zu erwerben: Ritter Ither, wegen seiner Erscheinung und Bekleidung „der rote Ritter“ genannt, hat Artus und dessen Frau Ginover geringfügig beleidigt. Parzival will für ihre Ehre kämpfen. Er stellt den Ritter und tötet ihn – nicht gerade rittergerecht – mit einem kurzen Wurfspeer. In der Rüstung und mit den Waffen des Toten reitet er in die Stadt zurück. Dort betrauern die Damen den Tod des roten Ritters.
„Die hohe Herrin Herzeloyde / verlor nun ihre Jungfernschaft. / Sie schonten ihre Lippen nicht, / die machten sie mit Küssen müde, / und hielten Glück vom Unglück fern.“ (Bd. I, S. 171)
Parzival reitet davon und erreicht gegen Abend eine Burg. Von dem weißhaarigen Burgherrn Gournemans erhält er die Kleidung eines Edelmanns, und in den nächsten Wochen wird er zum Ritter ausgebildet. Parzival lernt das Kämpfen mit Lanze und Speer ebenso wie korrektes höfisches Benehmen. Gournemans schärft ihm ein, keine dummen Fragen zu stellen. Nach Ende der Ausbildung reitet Parzival nach Beaurepaire. Die Stadt wird seit Langem von feindlichen Heeren belagert, weil die Königin Conduir-amour das Werben von König Clamidé zurückgewiesen hat. Die Bevölkerung leistet zwar erfolgreich Widerstand gegen die Angriffe, hat aber kaum noch Nahrungsvorräte. Aus dieser Notlage befreit sie Parzival, indem er die gegnerischen Ritter besiegt und deren Heere sich unterwerfen müssen. Schiffe mit Lebensmitteln retten die Bevölkerung vor dem Verhungern, und Parzival heiratet Conduir-amour. In erotischer Hinsicht kann er zunächst nicht viel mit ihr anfangen, doch nach ein paar Tagen finden sich ihre Körper doch.
Der Gral
Parzival bleibt etwa ein Jahr bei seiner Ehefrau, dann bricht er auf zu neuen Abenteuern. Nach einem gewaltigen Tagesritt kommt er erschöpft an einen See und fragt ein paar prächtig gekleidete Fischer nach einer Unterkunft. Ihr Anführer beschreibt ihm den Weg zu einer Burg und sagt, er werde ihn dort später gern bewirten. Parzival findet die Burg und wird freundlich empfangen. Zum Abendessen wird er in einen riesigen Saal geführt, in dem große Feuer brennen. Parzival spürt die traurige Stimmung der versammelten Gesellschaft. Der Hausherr, König Anfortas, wird getragen, weil er nicht gehen und sich nur unter Schmerzen bewegen kann. An 100 Tischen sitzen 400 Ritter, die von ebenso vielen Pagen bedient werden. In höfischem Zeremoniell bringen Edeldamen in mehreren Gruppen nacheinander Besteck und Gefäße herbei. Als Höhepunkt trägt die jungfräuliche Königin Repanse de Joie den Gral in den Saal und stellt ihn vor den Hausherrn. Alle Speisen und Getränke, die an diesem Abend serviert werden, spendet der Gral ohne Unterlass. Gournemans’ Rat befolgend, wagt Parzival es nicht, nach diesem Wunder oder der Krankheit des Hausherrn zu fragen.
„Was uns Bayern so berühmt macht, / sprech ich auch Walisern zu: / Die sind noch blöder als die Bayern / und stehn im Kampf doch ihren Mann. / Wer in diesen Ländern reift, / der wird zum wahren Wunderwerk!“ (Bd. I, S. 207)
Am folgenden Morgen wundert sich Parzival über die menschenleere Burg, und ein wenig zornig über die fehlende Aufmerksamkeit setzt er seinen Weg fort. Erneut trifft er seine Kusine Sigune, die ihm sagt, dass die Burg Mont Sauvage mit dem Gral nur derjenige finde, der sie nicht absichtlich suche. Und sie tadelt ihn: Er hätte Mitleid zeigen und König Anfortas nach seinem Leid fragen müssen.
In König Artus’ Tafelrunde
König Artus hat sich auf die Suche nach Parzival gemacht, weil der ihm einige im Kampf unterworfene Ritter zu seinen Diensten geschickt hatte; dafür will er Parzival danken. Am Fluss Plimizol hat Artus mit seinem Gefolge ein großes Zeltlager aufgeschlagen. In dessen Nähe hinterlässt eine verwundete Gans drei Tropfen Blut im Schnee. Das Muster erinnert Parzival an das Gesicht seiner Frau und löst eine tiefe Sehnsucht nach ihr aus. Wie in Trance reagiert er nicht auf die Aufforderung mehrerer Ritter, seinen Namen zu nennen. Wegen dieser Unhöflichkeit zum Kampf gefordert, besiegt er zwei von ihnen, ohne sich später daran erinnern zu können. Erst der dritte, Gawan, erweckt ihn aus seinem Zustand und führt ihn in Artus’ Lager.
„Der Gral war: Frucht der Seligkeit, / Füllhorn aller Erdensüße, / er reichte nah an das heran, / was man vom Himmelreich erzählt.“ (Bd. I, S. 397)
Parzival wird von Artus in dessen erlesene Tafelrunde aufgenommen, in der es nur gleichberechtigte Ritter gibt. Da erscheint Cundrie, die wenig ansehnliche Botin des Grals, und verhöhnt Artus ob seines neuen Gastes. Sie betrachtet Parzival als eine Schande für die Ritterschaft und wirft ihm vor, dem Gralskönig Anfortas die Frage nach der Ursache seines Leidens aus Herzlosigkeit nicht gestellt zu haben. Cundrie verflucht Parzival – seine Schönheit sei nichts wert, Ruhm und Ehre habe er verfehlt – und dieser sagt sich daraufhin los von Gott: Wenn der Herr allmächtig wäre, hätte er ihm diese Schmach erspart. Trotzig beschließt er, den Gral zu suchen und erst nach dem Erfolg dieses Unternehmens zu seiner Gattin nach Beaurepaire zurückkehren.
Das Geheimnis des Grals
Traurig zieht Parzival auf der Suche nach dem Gral durch die Welt. An einem Karfreitag trifft er auf den Mönch Trevrizent, einen Bruder des Anfortas. Aus Kummer über dessen Leid hat Trevrizent sich in eine Waldklause zurückgezogen und sein Leben fortan Gott gewidmet. Er weiht Parzival in die Geheimnisse des Grals ein: Dieser Stein sei einst von Engeln auf die Erde gebracht worden. Er spende nicht nur Nahrung, sondern auch ewiges Leben, denn wer ihn sehe, werde innerhalb der nächsten sieben Tage nicht sterben. Deshalb bleibe auch Anfortas trotz unerträglicher Qualen am Leben, obwohl eine vergiftete Lanzenspitze ihm die Hoden durchbohrt habe. Trevrizent klärt Parzival über dessen verwandtschaftlichen Beziehungen auf: Anfortas ist Parzivals Onkel, ein Bruder seiner Mutter Herzeloyde. Dass diese gestorben ist, erfährt Parzival erst jetzt.
„Ein Unglück, dass er jetzt nicht fragte! / Noch heute leid ich dran – für ihn! / Denn als man ihm das überreichte, / war dies ein Wink: Er sollte fragen.“ (über Parzival, Bd. I, S. 401)
Der Gral, so Trevrizent, spreche zu seinen Hütern durch eine Schrift, die auf ihm erscheine. Auch Parzivals Ankunft auf Mont Sauvage habe er so angekündigt. Trevrizent teilt Parzival außerdem mit, dass Anfortas geheilt worden wäre, hätte Parzival ihm die Frage nach der Ursache seines Leides gestellt. Allerdings dürfe dem Besucher diese Frage nicht nahegelegt werden, sonst sei sie wirkungslos. So weit die Botschaft des Grals. Weil Parzival die Frage nicht gestellt hat, ist er nach Trevrizents Ansicht schuldig geworden – wenn auch unwissentlich. Weitere Schuld habe er durch den Tod seiner Mutter auf sich geladen, die aus Kummer um ihn gestorben sei, und schließlich laste die Tötung des Ritters Ither auf ihm. Nach einer Einführung in die Fundamente des christlichen Glaubens vergibt Trevrizent seinem Neffen dessen Schuld.
Gawans Abenteuer
Ritter Gawan verliebt sich nach etlichen Abenteuern in die schöne Herzogin Orgelleuse, die ihm zwar keine Hoffnung macht, mit Liebe belohnt zu werden, seinen Dienst aber annimmt. Auf Schloss Merveille werden 400 edle Damen von einem Zauber des Königs Klingsor festgehalten, darunter Gawans Mutter und seine Schwester Itonje. Gawan stellt sich dem Kampf. Hunderte von Steinen prasseln auf ihn nieder und er wird mit 500 Pfeilen beschossen. Sein Schild fängt die meisten Geschosse ab. Einen riesigen Löwen tötet er mit seinem Schwert. Schwer verwundet lässt er sich von den vom Zauber befreiten Damen feiern und pflegen.
„Ihr sollt Euch schämen, Herrin Liebe, / dass Ihr den Leib so lüstern macht / und dass die Seele Qualen leidet! / Gebieterin, weil Ihr erzwingt, / dass die Jugend altern muss, / deren Jahre viel zu kurz sind, / ist alles, was Ihr tut, infam.“ (Bd. I, S. 485)
Orgelleuse will, dass Gawan den König Gramoflans zum Zweikampf fordert. Der hat einst ihre einzige Liebe, den Ritter Cidegast, getötet. Gawan verabredet sich mit Gramoflans zum Duell. Zugleich soll Gawan für Gramoflans als Brautwerber bei seiner Schwester Itonje auftreten. Die beiden sind, obwohl sie sich nie begegnet sind, in Liebe zueinander entbrannt. Gawan schickt einen Boten zu Artus und bittet ihn, mitsamt seinem gesamten Hofstaat zum verabredeten Zweikampf zu erscheinen. Artus bricht mit seinem Gefolge auf.
„Ich will nie wieder Freude zeigen, / ehe ich den Gral erblicke – / wie lange das auch dauern mag. / Mein Denken treibt mich zu dem Ziel; / ich weiche nicht mehr davon ab, / in meinem ganzen Leben nicht!“ (Parzival, Bd. I, S. 547)
An der Kampfstätte treffen drei Heere ein, um Zeuge des erwarteten Spektakels zu werden. Auch Parzival erscheint. Gawan hält ihn für Gramoflans, greift ihn an und unterliegt ihm nach hartem Kampf. Am Tag darauf meint Gramoflans, Gawan vor sich zu haben, doch tatsächlich kämpft auch er mit Parzival und unterliegt ihm ebenfalls. Die Schwächung der beiden eigentlichen Kontrahenten des Zweikampfs schafft Zeit für Verhandlungen. Artus bringt das überzeugende Argument vor, dass Itonje Gramoflans schlecht lieben könne, wenn der ihren Bruder töten würde. Der Zweikampf wird abgesagt. Gramoflans heiratet Itonje, und Gawan nimmt Orgelleuse zur Frau. Parzival jedoch fühlt sich fremd inmitten des Glücks und verlässt die Gesellschaft.
Parzival wird zum Gralshüter
Bald darauf trifft er auf einen Ritter, dem er einen harten Zweikampf liefert. Die beiden ebenbürtigen Gegner erzählen sich in einer Kampfpause gegenseitig von ihrer Herkunft. So entdecken sie, dass ihrer beider Vater Gahmuret ist. Parzivals Gegner ist sein Bruder Fairefis, der Sohn der Mohrenkönigin Belacane. Seine Haut ist schwarz und weiß gescheckt wie eine Elster. Gemeinsam machen sie sich auf zu Artus’ Zeltlager. Dort überbringt Cundrie die Botschaft, der Gral habe Parzival zum König bestimmt. Gemeinsam mit Fairefis reitet er zum Mont Sauvage. Endlich kann Parzival Anfortas die Frage nach der Ursache seines Leidens stellen, und Anfortas wird geheilt. Parzivals Gattin Conduir-amour trifft mit ihren Zwillingssöhnen Gardais und Lohengrin ein. Auf dem großen Fest kann Fairefis – als Heide – den Gral erst nicht sehen. Doch er verliebt sich in dessen Trägerin Repanse de Joie und lässt sich taufen, um sie heiraten zu können. Der Gral bestimmt daraufhin, dass jeder Angehörige seiner Gemeinschaft künftig die Frage nach seiner Herkunft unterbinden müsse.
„Ich diente einem. Der heißt Gott, / bevor Er, voller Güte, Spott / und Hohn auf mich ergoss.“ (Parzival, Bd. I, S. 743)
Parzival überträgt Gardais die Herrschaft über sein Reich und bestimmt Lohengrin zum Dienst am Gral. Fairefis reist mit seiner Gemahlin in sein Königreich nach Indien. Auch Lohengrin wird es später in die Ferne ziehen: Die Herzogin von Brabant hat geschworen, nur einen Mann zu heiraten, der ihr von Gott bestimmt sei, weshalb der Gral ihr Lohengrin schickt, der von einem Schwan nach Antwerpen getragen wird. Wie ihm aufgetragen, stellt Lohengrin der Herzogin die Bedingung, sie dürfe niemals fragen, wer er sei. So leben sie eine Zeit lang glücklich zusammen, bekommen Kinder und Lohengrin erkämpft sich Ruhm. Schließlich stellt sie ihm doch die Frage nach seiner Herkunft, worauf Lohengrin seine Frau verlässt und zum Gral zurückkehrt.
Zum Text
Aufbau und Stil
Wolfram von Eschenbachs Parzival ist in Mittelhochdeutsch geschrieben. Diese Hochsprache des Mittelalters bildet den Übergang vom Althochdeutschen zum Frühneuhochdeutschen, der Vorstufe des heutigen Neuhochdeutschen. Das Epos ist in Versform verfasst, die ersten Verse lauten: „Ist zwîvel herzen nâchgebûr, / daz muoz der sêle werden sûr.“ Und die letzten: „ist daz durh ein wîp geschehn, / diu muoz mir süezer worte jehn.“ Erst später teilte man die rund 25 000 Verse in 16 Bücher auf, die nach dem Inhalt gegliedert wurden. In den ersten zwei Büchern wird das Leben von Parzivals Vater Gahmuret erzählt. Die Bücher drei bis sechs beschreiben die Entwicklung Parzivals von einem naiven Jungen zu einem unbesiegbaren Ritter und seine erste Begegnung mit dem Gral. Im neunten Buch wird er in die Geheimnisse des Grals eingeweiht. Mehr als ein Drittel des gesamten Werks widmet der Autor den Abenteuern Gawans. Erst in den letzten drei Büchern steht Parzival wieder im Zentrum der Handlung. Bisweilen greift Wolfram der Handlung vor oder fasst sie kurz zusammen. Er selbst bezeichnet seine Handlungsführung als hakenschlagend, seine Erzählweise aber als geradlinig. Was seine Sprache auszeichnet, ist die Bildhaftigkeit, ihr Reichtum an Pointen und Ironie. Wolfram kommentiert die Handlung und reflektiert manchmal auch seine eigene Situation als Autor, etwa in Bezug auf die beschriebene Art von Liebe, die ihm selbst fremd sei. Mit dieser sehr aktiven Rolle des Erzählers prägte er einen für die damalige Zeit neuen Stil.
Interpretationsansätze
- Im Zentrum des Parzival steht der Reifungsprozess des Titelhelden vom naiven Jüngling zum stärksten Ritter seiner Zeit. Die Krönung ist seine Berufung zum Hüter des Grals. Sein Entwicklungsprozess ist zwar nicht psychologisch fein ausgesponnen, er lässt sich gleichwohl am Handlungsverlauf ablesen. Parzivals Weg, geprägt von der Abwendung und späterer Rückkehr zu Gott, ist auch eine christliche Glaubensgeschichte.
- Zwei verschiedene Konzeptionen von Rittertum stehen sich gegenüber, ohne miteinander in Konflikt zu geraten. In der Welt von König Artus ist es die Bestimmung eines Ritters, um Ruhm, Ehre und Liebe zu kämpfen. Die Ritter des Grals hingegen verteidigen den Gral in einer an Ordensregeln orientierten Gemeinschaft. Personifiziert werden die beiden unterschiedlichen Prinzipien durch Gawan und Parzival.
- In der Welt des Parzival existieren heidnischer Zauber und christliche Wunder nebeneinander: Schloss Merveille und Mont Sauvage. Das Epos ist in einer Zeit angesiedelt, als die Christianisierung Europas noch nicht abgeschlossen war und zahlreiche Mythen – vermutlich keltischen Ursprungs – fortwirkten.
- Wolfram singt immer wieder ein Loblied auf verschiedene Formen der Liebe, nicht selten allerdings – wegen ihrer Vergänglichkeit – mit einem bitteren Grundtenor. Über sich selbst sagt er, dass er die hohe Art der Liebe niemals kennengelernt habe. Seine mittelalterliche Dichtkunst zielt auf ein vorwiegend weibliches Publikum.
- Die Frau spielt in der höfischen Welt des Mittelalters eine große Rolle. Oft ist sie Landesherrin, und die Ritter dienen ihr im Kampf in der Hoffnung auf Liebeslohn. Zudem ist es Parzivals mütterliche Abstammung, die ihn zum Gralskönig werden lässt.
- Wolfram bringt seine Bewunderung für den Reichtum der orientalischen Herrscher zum Ausdruck. Der Orientbezug wurde von Wolfram zur Parzival-Vorlage hinzugefügt und kann als Reflex auf den Einfluss der Kreuzzüge und die daraus resultierende Bereicherung der europäisch-christlichen durch die orientalische Kultur gesehen werden.
Historischer Hintergrund
Die Blüte des Mittelalters
Wolfram von Eschenbach lebte in der Epoche des Hochmittelalters, das etwa von 1050 bis 1250 dauerte. An den Höfen des Adels entwickelten sich die Künste. Die Amtssprache in Deutschland war Latein; erst 1235 wurde zum ersten Mal ein Reichsgesetz auch in Deutsch erlassen. Die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben war fortan nicht länger ein Privileg der Geistlichen, auch der Adel erlernte zunehmend diese für jegliche Bildung grundlegende Fertigkeit. Ein Ziel der Dichter zu Wolframs Zeit war es, eine einheitliche Hochsprache zu schaffen.
Die höfische Kultur des Hochmittelalters wurde stark durch die muslimische bereichert. In weiten Teilen Spaniens herrschten damals die Mauren, Córdoba war eine Millionenstadt und die Blüte islamischer Zivilisation in Europa. Während der Kreuzzüge zwischen 1095 und 1291 prallte die christlich-europäische auf die orientalisch-muslimische Welt. Im ersten Kreuzzug wurde Jerusalem unter christliche Kontrolle gebracht; etliche Kreuzzugsstaaten im Heiligen Land wurden gebildet. Doch die weiteren Kriege waren für die christlichen Heere wenig erfolgreich. Im dritten Kreuzzug ertrank Friedrich I. Barbarossa 1190 in einem Fluss in Anatolien. Neben den ursprünglich religiösen Motiven rückten die wirtschaftlichen und machtpolitischen Ziele immer mehr in den Vordergrund. Eines davon war die Schwächung des byzantinischen Reichs. So kam es im vierten Kreuzzug 1204 zur Plünderung Konstantinopels. Die Kreuzritter waren meist Adlige ohne Erbanspruch, die im Orient Herrschaft und Reichtum suchten und sich in den Ritterorden organisierten.
Die Gesellschaft in Deutschland wie überall in Europa war in jener Zeit als feudales Lehnssystem organisiert. In dieser Herrschaftsform mit König oder Kaiser an der Spitze vergab der Herrscher dem rangniederen Adel Ländereien als Lehen. Der Vasall schuldete seinem Herrn dafür Abgaben, vor allem aber Waffendienste. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation herrschte zu Wolframs Zeit das Geschlecht der Staufer, das ständig damit beschäftigt war, seine Herrschaft gegen Ansprüche rivalisierender Fürsten zu sichern und sich in Auseinandersetzungen mit dem Papsttum zu behaupten.
Entstehung
Aufgrund einiger Indizien lässt sich die Entstehungszeit des Parzival ziemlich genau auf die Jahre zwischen 1200 und 1210 festlegen: Mit der Zerstörung der Weinberge von Erfurt und der Plünderung Konstantinopels durch die Kreuzritter werden Ereignisse erwähnt, die genau in dieses Jahrzehnt fielen. Deutliche Anspielungen im Parzival belegen, dass Wolfram die Werke zeitgenössischer Dichter, etwa jene von Walther von der Vogelweide oder Hartmann von Aue, sehr genau kannte. Wolframs wichtigste Quelle war zweifellos das um 1180 entstandene Fragment Perceval oder die Erzählung vom Gral des Franzosen Chrétien de Troyes. Der Dichter Kyot hingegen, auf den Wolfram sich immer wieder beruft, gilt inzwischen als seine Erfindung. Während Wolfram in den Büchern III bis XIII den Handlungssträngen von Chrétiens Vorlage folgt, ist den ersten zwei Büchern mit der Geschichte von Parzivals Eltern und dem Ende der Gawan-Handlung sowie der Berufung Parzivals zum Gralskönig keine eindeutige Quelle zuzuordnen, sodass sie vermutlich Wolframs Fantasie entstammen. Es ist ausgeschlossen, dass ein so monumentales literarisches Werk wie Parzival ohne finanzielle Unterstützung eines Gönners entstehen konnte. Wolfram selbst nennt seine Auftraggeber nicht. Als Mäzene kommen u. a. ein Graf von Wertheim und der Landgraf Hermann von Thüringen infrage.
Wirkungsgeschichte
Viele mittelalterliche Dichtungen beziehen ihren Stoff aus dem Umfeld der Artussage, die wohl im romanisch-angelsächsischen Raum ihren Ursprung hat, andere aus der germanischen Sagenwelt rund um das Nibelungenlied. Der Parzival ist die am besten überlieferte Erzähldichtung aus dem Hochmittelalter. Das Epos liegt in einer für diese Zeit ungewöhnlichen Zahl von 80 handschriftlichen (davon 15 vollständigen) Überlieferungen vor – eine Art mittelalterlicher „Bestseller“. Seine große Wirkung vom 13. bis ins 15. Jahrhundert lässt sich aus vielen Anspielungen in den Werken anderer Autoren ableiten. Während sich Wirnt von Grafenberg im Wigalois positiv äußerte („Nie hat ein Laie besser gedichtet“), machte Gottfried von Straßburg in seinem Tristan abfällige Bemerkungen über die Dichtkunst im Parzival. Er bezeichnete das Werk als wild und Haken schlagend. Wolfram von Eschenbach reagierte darauf im Prolog seines Willehalm mit der Bemerkung, manche hätten seine Dichtung gelobt, andere geschmäht, um ihre eigene Dichtung in besseres Licht zu rücken.
Parzival ist der einzige Versroman, der unmittelbar nach Erfindung des Buchdrucks in mehreren Auflagen verlegt wurde. Von einem Straßburger Druck aus dem Jahr 1477 sind noch 37 Exemplare erhalten. Eine Art Renaissance erfuhr das Epos durch die Ausgabe von Karl Lachmann im Jahr 1833. Damit setzte auch die Beschäftigung der Literaturwissenschaft mit Wolfram von Eschenbach ein. Richard Wagner diente der Text des Parzival als Vorlage für seine Oper Parsifal (1882). Wolframs Epos prägt bis heute unser Bild vom Mittelalter, vom Rittertum und der höfischen Welt.
Über den Autor
Über Wolfram von Eschenbach ist nicht viel mehr als sein Name bekannt, den er im Parzival selbst mehrfach nennt. Erkenntnisse über den Dichter können aus Hinweisen in seinen eigenen Werken und aus Äußerungen zeitgenössischer Schriftstellerkollegen abgeleitet werden. Vermutlich lebt Wolfram zwischen 1180 und 1220. Das „von“ in seinem Namen ist kein Adelsprädikat, sondern weist auf seinen Herkunftsort hin. Inzwischen ist die Forschung ziemlich sicher, dass es sich um das mittelfränkische Wolframs-Eschenbach (damals Obereschenbach) bei Ansbach in Bayern handelt. Über Wolframs Stand weiß man nichts, jedoch gilt als gesichert, dass er im Lauf seines Lebens an zahlreichen Höfen in unbekannter Stellung Dienst leistet. Die Manessische Handschrift vom Anfang des 14. Jahrhunderts zeigt ihn als gepanzerten Ritter. Mit den geografisch nahe an seinem Heimatort angesiedelten Grafen von Wertheim (die er auch im Parzival erwähnt) steht Wolfram wohl ebenso in Kontakt wie mit den Edelherren von Dürn, auf deren Burg er möglicherweise einen Teil des Parzival verfasst. Als wahrscheinlich gilt, dass er während der Arbeit an dem Werk in den Dienst des Landgrafen Hermann I. von Thüringen tritt, eines der wichtigsten Förderer deutscher Literatur seiner Zeit. Wolfram nimmt im Parzival auf Werke von Walther von der Vogelweide und Hartmann von Aue, auf die Nibelungensage sowie auf die antike Dichtung Homers Bezug. Auffällig sind seine guten Kenntnisse der französischen Sprache und Literatur. Wolfram verfügt zudem über Grundwissen in Astronomie, Medizin und anderen Wissenschaften. Seine theologischen Reflexionen gehen allerdings nicht über den Stand eines interessierten Laien hinaus. Von Wolfram sind neben Parzival neun lyrische Werke überliefert, die dem klassischen Minnesang zugerechnet werden und als Höhepunkt dieser literarischen Gattung gelten, sowie die beiden Romanfragmente Willehalm und Titurel, die vermutlich im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts geschrieben wurden.
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