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Philosophische Bissen
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Philosophische Bissen

Kopenhagen, 1844
Diese Ausgabe: Meiner, 2005 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Philosophie
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Worum es geht

Glaube statt Erkenntnis

Relativ locker und unsystematisch entwirft Kierkegaard in den Philosophischen Bissen das Grundgerüst seiner erkenntnistheoretischen und metaphysischen Ansichten. Die entscheidende Frage borgt er sich bei Sokrates: Wieweit lässt sich Wahrheit lehren? Während der griechische Philosoph annimmt, dass die Wahrheit im Menschen selbst liege und er sich sozusagen nur daran erinnern müsse, glaubt Kierkegaard an einen historischen Moment, in dem der Mensch instand gesetzt werde, seine eigene Unzulänglichkeit zu erkennen. Der Lehrer, der ihn dazu veranlasst, muss ihm nicht nur die Wahrheit bringen, sondern auch die Bedingung, sie überhaupt zu verstehen. Daher kann es sich nicht um einen Lehrer im sokratischen Sinne handeln – denn der könnte die Denkfähigkeit des Schülers nicht grundsätzlich verändern –, sondern nur um Gott, der sich in Menschengestalt zum Schüler herablässt. Was dieser dabei erlebt, lässt sich nicht als Erkenntnis im herkömmlichen Sinn bezeichnen. Wer Kierkegaard liest, muss auf manches Paradox gefasst sein – und auch darauf, dass der Autor bei seinem Ringen um Erkenntnis und Wahrheit letztlich immer beim Glauben landet.

Zusammenfassung

Woher kommt die Wahrheit?

Wieweit lässt sich die Wahrheit lehren? Diese Frage hat bereits Sokrates beschäftigt. Er hat darauf hingewiesen, dass ein Mensch unmöglich suchen kann, was er bereits weiß, aber auch nicht, was er nicht weiß. Im ersten Fall müsste er nicht suchen, und im zweiten wüsste er nicht, wonach er suchen sollte. Sokrates zieht daraus einen entscheidenden Schluss, nämlich dass alles Suchen nach der Wahrheit letztlich nur ein Sicherinnern sei. Die Wahrheit werde dem Menschen nicht von außen mitgeteilt, sondern sei bereits in ihm. Wenn dem so ist, dann kann man die Wahrheit weder von Sokrates noch von irgendeinem anderen Menschen erhalten. Sie ist ewig. Wann aber ist dieses Ewige „geworden“? Es muss einen entscheidenden Augenblick geben, in dem der Mensch sich bewusst wird, dass er sich außerhalb der Wahrheit befindet, dass er also sozusagen die „Unwahrheit“ ist.

Gott als Lehrer, Retter und Erlöser

Weil der Lernende die Unwahrheit ist, kann ihn der Lehrer nicht daran erinnern, dass er die Wahrheit eigentlich schon weiß. Er kann ihm nur den Anlass zur Selbsterkenntnis liefern. Ein wahrhafter Lehrer bringt dem Lernenden also nicht nur die Wahrheit...

Über den Autor

Sören Kierkegaard wird am 5. Mai 1813 als jüngstes von sieben Kindern eines wohlhabenden Kopenhagener Kaufmanns geboren. Schon früh setzt er sich, inspiriert von seinen religiösen Eltern, mit der Bedeutung der christlichen Lehre im alltäglichen Leben auseinander. 1830 immatrikuliert er sich an der Universität Kopenhagen, um Philosophie und Theologie zu studieren. Zeitlebens fühlt sich Kierkegaard geprägt von der Melancholie eines christlichen Schuldbewusstseins, das er über seinen Vater kennen gelernt hat, der den Tod seiner Frau und fünf seiner Kinder als Strafe Gottes ansah. 1841 bittet Sören Kierkegaard seine Verlobte Regine Olsen, das ein Jahr zuvor eingegangene Eheversprechen wieder zu lösen. Er hat Angst, wegen seiner Tendenz zur Schwermut nicht der richtige Mann für sie zu sein. Er bleibt ihr aber bis zu seinem Tod treu. In einem an Ereignissen armen Leben ist dies ein Vorgang, der auch in seinen Schriften Niederschlag findet. Wenige Wochen nach dem Bruch mit Regine fährt Kierkegaard nach Berlin, um dort Schellings Vorlesungen zu hören und sich mit dem Werk Hegels vertraut zu machen. Später kritisiert er den Hegelianismus in seinem ersten großen Buch Entweder – Oder. 1845 lässt er Stadien auf dem Lebensweg folgen. Zwischen 1843 und 1855 erscheinen unter diversen Pseudonymen alle weiteren Bücher Kierkegaards, deren Publikation er aus dem Vermögen seines 1838 verstorbenen Vaters finanziert, darunter Furcht und Zittern (1843), Die Wiederholung (1843), Philosophische Bissen und Der Begriff Angst (beide 1844). 1848 werden die Christlichen Reden veröffentlicht, die Kierkegaards Auseinandersetzung mit der dänischen Kirche einläuten. Er wirft ihr vor, dass das Christsein nicht mehr das Ergebnis einer bewussten Entscheidung sei, sondern ein von der Kirche unterstützter, geradezu mechanischer und mit keiner Mühe verbundener Vorgang. 1855 hat Kierkegaard, der nie einem Broterwerb nachgegangen ist, das Erbe des Vaters nahezu aufgebraucht und bereitet sich auf ein Leben in Armut vor. Am 2. Oktober des gleichen Jahres erleidet er einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 11. November stirbt.


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