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Pinocchio

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Pinocchio

Diogenes Verlag,

15 Minuten Lesezeit
12 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Die abenteuerlich-fantastische Geschichte einer Holzpuppe: eines der berühmtesten Kinderbücher aller Zeiten – und ein Klassiker der Weltliteratur.


Literatur­klassiker

  • Kinderbuch
  • Moderne

Worum es geht

Der lange Läuterungsweg einer Holzpuppe

Carlo Collodis Märchen Pinocchio gehört bis heute zu den berühmtesten Kinderbüchern. Es erzählt die fantastische Geschichte eines Holzjungen, der immer wieder auf Abwege gerät und damit seinen armen Vater Geppetto in tiefste Verzweiflung stürzt. Obwohl Pinocchio ununterbrochen Besserung verspricht, lässt er sich unter dem Einfluss schlechter Freundschaften ständig dazu verleiten, die Schule zu schwänzen und dem Vergnügen nachzujagen. Dabei wird seine Gutgläubigkeit und seine Begeisterung von skrupellosen Lügnern und Geschäftemachern ausgenutzt. Doch dank seines guten Herzens und der großmütigen Nachsicht Geppettos erkennt er am Ende seine Irrtümer, schwört dem vergnügungssüchtigen Leben ab und erwacht zur Belohnung eines Morgens nicht mehr als Holzpuppe, sondern als richtiger Junge. Pinocchio besticht durch seine erzählerische Frische, seine fantastischen Wendungen und seine lebhaften Dialoge. Außerdem enthält es zahlreiche äußerst witzige Passagen, in denen soziale Institutionen und Figuren wie Justiz, Polizei oder Ärzte karikiert werden. Trotz seiner manchmal etwas penetranten Moral ist Pinocchio bis heute nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene sehr unterhaltsam.

Take-aways

  • Carlo Collodis Pinocchio gehört zu den Büchern mit der weltweit höchsten Auflage.
  • Pinocchio ist ein Märchen, das fantastische, aber auch sozialkritisch-satirische Motive zu einer Geschichte verbindet, deren Moral dem damaligen bürgerlichen Arbeitsethos entspricht.
  • Als der arme Tischler Geppetto eines Tages den Holzjungen Pinocchio schnitzt, stellt er erstaunt fest, dass dieser sprechen und sich bewegen kann.
  • Pinocchio hat zwar ein gutes Herz, hört aber aus Faulheit und Leichtsinn auf die Einflüsterungen von Taugenichtsen und treibt seinen Vater ständig zur Verzweiflung.
  • Obwohl der Holzjunge seine guten Vorsätze Mal für Mal bricht, verzeiht ihm Geppetto immer wieder.
  • In seiner Leichtgläubigkeit lässt sich Pinocchio vom hinterhältigen Diebespaar Fuchs und Katze übertölpeln und bestehlen.
  • Als sich der Holzjunge zu einer Reise ins Land der spielenden Nichtsnutze verleiten lässt, wird er zur Strafe in einen Esel verwandelt.
  • Im Bauch eines Haifisches findet er nach langen Irrfahrten und zahlreichen fantastischen Begegnungen Geppetto wieder, der auf der Suche nach seinem verlorenen Sohn von dem Ungetüm verschlungen worden ist.
  • Nachdem sich der hölzerne Bengel endgültig geläutert hat, erwacht er eines Morgens als richtiger, Fleisch und Blut gewordener Junge.
  • Der Italiener Carlo Collodi (1826-1890) war Journalist, Dramatiker und Kinderbuchautor und beteiligte sich aus patriotischer Überzeugung an den beiden ersten italienischen Unabhängigkeitskriegen.
  • Pinocchio ist das einzige Werk des Schriftstellers mit anhaltender Breitenwirkung.
  • Unter den zahlreichen Verfilmungen stechen Walt Disneys Trickfilmversion (1940) sowie Roberto Benignis Kinofilm (2002) heraus.

Zusammenfassung

Ein Stück Holz, das spricht

Ein armer alter Tischler, wegen seiner leuchtend blauroten Nase Meister Kirsch genannt, nimmt eines Tages ein Holzscheit zur Hand, um daraus ein Tischbein anzufertigen. Doch als er das Holz mit dem Beil bearbeiten will, beginnt es zu seiner Verwunderung zu schreien. Kurz darauf steht Kirschs Berufskollege Geppetto vor der Türe. Er wolle eine Puppe basteln, um sie auftreten zu lassen und sich so ein Stück Brot zu verdienen, sagt er. Als das sprechende Holzscheit Geppetto verhöhnt, glaub dieser, die Beleidigung sei aus Kirschs Mund gekommen, und zwischen den beiden alten Männern bricht eine wüste Schlägerei aus. Schließlich versöhnen sie sich wieder, und Geppetto macht sich mit dem Stück Holz auf den Heimweg. In seiner Werkstatt beginnt er sogleich, die Puppe zu schnitzen, und er beschließt, sie Pinocchio zu nennen. Nachdem er sich an die Augen gemacht hat, stellt er erstaunt fest, dass sie sich bewegen und ihn anblicken. Auch die anderen Teile erweisen sich als äußerst lebendig: Der Mund lacht und spottet, die Hände vergreifen sich an Geppettos Perücke, die Füße versetzen ihm einen Tritt gegen die Nasenspitze. Nachdem der Holzjunge fertig geschnitzt ist, rennt er sogleich auf die Straße. Sein Erschaffer braucht die Hilfe eines Polizisten, um ihn wieder einzufangen – doch da er den strampelnden Pinocchio auf dem Heimweg heftig tadelt, wird er als Kinderschänder verhaftet und ins Gefängnis gebracht.

Gute Vorsätze

Pinocchio kehrt alleine nach Hause zurück. Er entdeckt eine dicke sprechende Grille, welche die Wand hochklettert und ihn ermahnt: Mit Kindern, die sich gegen ihre Eltern auflehnen und davonlaufen, nehme es ein böses Ende. Pinocchio antwortet, er habe weder Lust zur Schule zu gehen, noch wolle er jemals einen Beruf erlernen. Dann, droht die sprechende Grille, werde er unweigerlich im Armenhaus oder im Gefängnis landen. Pinocchio gerät in Wut und tötet das weise Tier mit einem Holzhammer.

„Er nahm sofort das geschliffene Beil und wollte die Rinde abschlagen und das Holz bearbeiten, aber als er den ersten Hieb tun wollte, blieb er mit erhobenem Arm stehen, weil er ein ganz dünnes Stimmchen hörte, das flehentlich bat: ‚Schlag mich nicht so fest!‘“ (S. 12)

Die Nacht bricht herein, und Pinocchio ist hungrig. Er rennt ins Dorf und beginnt an der Türe des erstbesten Hauses Sturm zu läuten. Ein altes Männchen mit einer Schlafmütze öffnet das Fenster, doch statt dem Jungen ein Stück Brot zu schenken, schüttet der Alte eine Wasserschüssel über Pinocchios Kopf. Entkräftet kehrt das Holzbübchen nach Hause zurück, streckt seine nassen Füße auf ein glühendes Kohlebecken und schläft erschöpft ein. Als er anderntags erwacht, sind seine Füße verbrannt. Glücklicherweise erscheint in diesem Moment sein Vater Geppetto, den man inzwischen aus dem Gefängnis entlassen hat. Beim Anblick des in Tränen aufgelösten Holzjungen verraucht die Wut des alten Tischlers binnen Sekunden. Er bietet seinem ungezogenen Sohn drei Birnen zum Frühstück an, obwohl er sie eigentlich selber essen wollte. Pinocchio verspricht, in Zukunft zu gehorchen und fleißig zur Schule zu gehen, worauf ihm Geppetto neue Füße schnitzt. Um seinem Sohn eine Schulfibel zu kaufen, opfert der alte Tischler seine einzige Jacke.

„Kaum hatte er die Augen fertig, stellt euch sein Erstaunen vor, als er bemerkte, dass sie sich bewegten und ihn anstarrten.“ (S. 19)

Auf dem Weg zur Schule hört Pinocchio Musik, die von einem am Meeresstrand gelegenen Dorf herüberweht. Er bleibt stehen, ringt einen Moment lang mit seinem Gewissen und beschließt, den ersten Schulbesuch auf den nächsten Tag zu verschieben. Die Klänge kommen aus einem Kasperletheater. Um den Eintritt zu bezahlen, verkauft Pinocchio seine Schulfibel. Er setzt sich ins Publikum, doch der Harlekin fordert ihn auf, sich zu den Holzfiguren des Theaters zu gesellen. „Es ist unser Bruder Pinocchio! Es lebe Pinocchio!“, schreien die Puppen und überschütten den verblüfften Jungen mit Freundschaftsbezeugungen. Es entsteht ein derartiges Chaos, dass der Puppenspieler Feuerfresser für Ordnung sorgen muss. Dieser, ein riesenhafter, hässlicher Mann, will Pinocchio als Brennholz verwenden, um sich zum Abendessen einen Hammel zu braten. Das Flehen des Unglücklichen erweckt jedoch Feuerfressers Mitleid. Als er sich von Pinocchio verabschiedet, gibt er ihm sogar fünf Goldstücke für den armen Geppetto mit.

Reich werden im Land der einfältigen Gimpel

Auf dem Nachhauseweg trifft Pinocchio einen hinkenden Fuchs und eine blinde Katze. Prahlend zieht er seine Goldstücke hervor, worauf der Fuchs unwillkürlich das angeblich gelähmte Bein streckt und die Katze ihre angeblich blinden Augen aufreißt. Sie erklären ihm, er könne aus seinen fünf Goldstücken 2500 machen, wenn er sie im Land der einfältigen Gimpel in einem gesegneten Feld vergrabe. Pinocchio beschließt, den Fuchs und die Katze zu begleiten. In einem Wirtshaus machen sie Rast und legen sich für ein paar Stunden hin. Als der Junge gegen Mitternacht erwacht, sind seine Begleiter bereits weg, haben ihm jedoch die Rechnung für das Abendessen hinterlassen. Sie würden am Wunderfeld auf ihn warten, richtet der Wirt aus. Pinocchio bezahlt mit einem Goldstück und eilt seinen Gefährten nach. Im stockdunkeln Wald erblickt er plötzlich zwei in Kohlensäcke gehüllte Räuber, die ihn verfolgen. Blitzschnell versteckt er seine vier Goldstücke unter der Zunge. Es kommt zu einem Gerangel, bei dem Pinocchio einem der beiden Tunichtgute die Hand abbeißt. Als er sie ausspuckt, stellt er erstaunt fest, dass es eine Katzenpfote ist.

„‚Heute gehe ich die Pfeifen hören und morgen zur Schule. Um zur Schule zu gehen, ist es immer noch Zeit genug‘, sagte schließlich der Schlingel achselzuckend.“ (S. 43)

Zwar gelingt es dem Holzjungen, vor den Verbrechern davonzulaufen, aber diese verfolgen ihn unerbittlich. Außer Atem gelangt Pinocchio zu einem Häuschen, in dem ein schönes Mädchen mit dunkelblauen Haaren wohnt. Leider könne es die Türe nicht öffnen, da es bereits verstorben sei, behauptet das Mädchen. Schließlich wird der Verfolgte von den Räubern eingeholt. Obwohl sie ihn mit einem Messer bedrohen, weigert er sich standhaft, den Mund zu öffnen. Darauf hängen sie ihn an einer Eiche auf. Sie würden morgen wieder kommen, wenn er hoffentlich tot sei, sagen die beiden. Pinocchio zappelt so lange, bis er den nahenden Tod spürt. Bevor er ohnmächtig wird, denkt er voller Reue an seinen armen Vater.

Eine blauhaarige Fee rettet Pinocchio das Leben

Inzwischen hat das schöne Mädchen Mitleid mit dem Unglücklichen bekommen. Es befiehlt einem Falken, mit seinem Schnabel den Strick zu durchtrennen, an dem Pinocchio aufgehängt ist. Danach lässt sie ihn von einem Pudel in einer Kutsche zu sich bringen und ruft drei Ärzte, die feststellen sollen, ob der Junge tot oder lebendig sei. Die Mediziner widersprechen sich gegenseitig – bis Pinocchio vor Reue über seine nichtsnutzigen Taten in lautes Weinen ausbricht. Es stellt sich heraus, dass das Mädchen eine gütige Fee ist. Pinocchio erzählt ihr seine Abenteuer. Sie fragt ihn nach den Goldstücken, und er behauptet mehrmals, er habe sie verloren. Da stellt er fest, dass seine ohnehin schon lange Nase nach jeder Lüge ein bisschen wächst – bis er sich kaum noch im Zimmer bewegen kann. Er ist über dieses neue Unglück derart verzweifelt, dass das Mädchen abermals von Mitleid ergriffen wird. Es ruft eine Schar Spechte, welche die Nase auf ihre ursprüngliche Länge zurechthämmern. Als Pinocchio der Fee seine Liebe beteuert, antwortet sie, er könne bei ihr bleiben und wie ein Brüderchen mit ihr zusammenleben. Auch Geppetto sei bereits benachrichtigt und werde bald im Häuschen eintreffen. Überglücklich ruft Pinocchio, er wolle seinem armen Vater entgegeneilen.

„Vertraue denen nicht, mein Junge, die dir versprechen, dich von heute auf morgen reich zu machen. Gewöhnlich sind es Narren oder Betrüger! Höre auf mich, kehre um!“ (die sprechende Grille, S. 63)

Auf dem Weg durch den Wald stößt er erneut auf den Fuchs und die Katze. Obwohl dieser eine Vorderpfote fehlt, schöpft Pinocchio keinen Verdacht und lässt sich überreden, die beiden zum Wunderfeld zu begleiten. Sie zeigen ihm, wo er seine Goldstücke eingraben muss. Als er anderntags an die Stelle zurückkehrt, wird er von einem Papagei ausgelacht – Fuchs und Katze hätten das Geld wieder hervorgeholt und seien damit längst über alle Berge. Verzweifelt rennt Pinocchio vor Gericht. Dessen Präsident – ein großer Affe – hört sich zwar seine Geschichte mit Interesse an. Allerdings pflegt er nicht die Verbrecher, sondern deren Opfer zu verurteilen, weshalb der Bestohlene für vier Monate ins Gefängnis wandert.

„‚Wirklich‘, sagte das hölzerne Bübchen zu sich selbst, während es seinen Weg fortsetzte, ‚wie unglücklich sind wir Kinder doch. Alle schimpfen uns aus, alle ermahnen uns, alle geben uns Ratschläge.‘“ (S. 65)

Nach seiner Entlassung nimmt sich Pinocchio vor, nun endgültig ein tugendhaftes Leben zu führen. Er will zur gütigen Fee zurückkehren, fällt jedoch unterwegs einem Bauern in die Hände. Dieser zwingt ihn, als Wachhund auf seinem Hof zu arbeiten. Es gelingt dem Jungen, einige Hühnerdiebe zu überführen, wonach ihn der Bauer zur Belohnung freilässt. Wo früher das Haus der Fee stand, stößt er auf einen weißen Marmorstein, dessen Inschrift verkündet, dass das Mädchen aus Gram über sein Brüderchen verstorben sei. Einmal mehr versinkt Pinocchio in Reue und Verzweiflung. Von einer vorüberfliegenden Taube erfährt er, sein Vater Geppetto wolle in einem kleinen Boot auf hohe See fahren, um ihn in fernen Ländern zu suchen. Der Vogel bringt Pinocchio an den Strand, von wo der Junge mit ansehen muss, wie Geppettos Boot von einer riesigen Welle verschlungen wird. Kurz entschlossen stürzt er sich ins Meer, um seinen Vater zu retten.

Auf der Insel der fleißigen Bienen

Nachdem er sich eine ganze Nacht lang schwimmend über Wasser gehalten hat, erreicht er die Insel der fleißigen Bienen, deren Bewohner allesamt tüchtig und ehrlich sind. Eine junge Frau gibt Pinocchio zu trinken und lädt ihn zu sich nach Hause ein. Plötzlich erkennt der Holzbengel in ihr seine blauhaarige Wohltäterin wieder. Einmal mehr verspricht er, sich zu bessern, gehorsam zu sein und zur Schule zu gehen. Wenn er all diese guten Vorsätze einhalte, werde er sich eines Tages in einen richtigen Jungen aus Fleisch und Blut verwandeln, verspricht die Fee. Eine Zeit lang geht Pinocchio tatsächlich zur Schule, doch dann lässt er sich von nichtsnutzigen Kollegen zu einem Ausflug an den Strand verleiten. Die Jungen beginnen sich zu prügeln, einer wird verletzt, die herbeigeeilten Polizisten halten Pinocchio für schuldig und wollen ihn erneut ins Gefängnis werfen. Als er in Richtung Strand davonrennt, hetzen sie eine Bulldogge auf ihn. Der Fliehende stürzt sich ins Meer, und auch der Hund landet im Wasser. Weil dieser nicht schwimmen kann, muss Pinocchio ihn vor dem Ertrinken bewahren. Die Bulldogge schwört ihrem Retter ewige Dankbarkeit und kann sich schon kurz darauf revanchieren: Sie befreit ihn aus der Gewalt eines Fischers, der ihn für einen Fisch hält und verspeisen will.

„Kaum hatte er die Lüge ausgesprochen, wurde sogleich seine Nase, die ohnehin schon lang war, um zwei Finger länger.“ (S. 84)

Pinocchio kehrt zur Fee zurück und besucht fast ein Jahr lang fleißig die Schule. Zur Belohnung soll er in einen echten Jungen verwandelt werden, und um diesen Moment zu feiern, will er seine Freunde zu einem Frühstück einladen. Einer seiner engsten Vertrauten ist ein fauler und nichtsnutziger Junge, den alle Kerzendocht nennen. Als Pinocchio ihn zum Freudenfest einlädt, sagt Kerzendocht bedauernd, dass er noch in derselben Nacht ins „Land der Spielereien“ verreise, wo sich die Kinder den ganzen Tag vergnügen und wo es weder Bücher noch Schulen gebe. Um Mitternacht erscheint ein Wagen, der von einem kleinen Männlein gelenkt und von zwölf Eseln gezogen wird. Pinocchio ist hin- und hergerissen, um am Ende erneut den Kampf gegen sein Gewissen zu verlieren: Von den bereits in der Kutsche sitzenden Jungen angefeuert, schließt er sich dem Abenteuer an.

„Das geschieht mir recht! Leider geschieht es mir recht! (...) Wenn ich ein anständiger Junge gewesen wäre, wie es deren viele gibt, wenn ich Lust zu arbeiten und zu lernen gehabt hätte, wenn ich zu Hause bei meinem Vater geblieben wäre, wäre ich jetzt nicht hier auf dem Feld, um den Wächter für das Haus eines Bauern zu spielen.“ (S. 104)

Während mehrerer Wochen vergnügt sich Pinocchio in einem Schlaraffenland, das ausschließlich von ausgelassen spielenden Kindern bewohnt wird. Doch als er eines Morgens erwacht, stellt er fest, dass ihm Eselsohren gewachsen sind. Genau wie sein Freund und Verführer Kerzendocht verwandelt sich der Holzjunge in einen Esel. Das Männlein, das die Kutsche gesteuert hat, verkauft Pinocchio an einen Zirkusdirektor. Dieser bringt ihm alle möglichen Kunststücke bei, doch als Pinocchio während einer Vorstellung seine geliebte Fee im Publikum erkennt, verletzt er sich beim Sprung durch einen Reifen und bricht zusammen. Da er für den Rest seines Lebens hinken wird, verkauft ihn der Zirkusdirektor an einen Mann, der aus seinem Fell eine Trommel machen will. Dazu stürzt er das Tier mit einer Schlinge um den Hals ins Meer, um es zu ertränken. Als er den Esel herausziehen will, zappelt allerdings der in einen Holzjungen zurückverwandelte Pinocchio am Strick. Um sein Geld nicht zu verlieren, will ihn der Händler auf dem Markt als Brennholz verkaufen, aber Pinocchio stürzt sich ins Wasser zurück und schwimmt eilig davon.

Wiedersehen mit Geppetto

Plötzlich sieht er mitten im Meer einen weißen Felsen, auf dem ein dunkelblaues Zicklein steht und ihm zumeckert. Doch kurz bevor Pinocchio den weißen Felsen erreicht, taucht ein riesiger Hai auf und verschluckt ihn. Im Bauch des Ungeheuers sieht Pinocchio weit entfernt ein flackerndes Licht. Vor Freude überwältigt erkennt er Geppetto, der auf der Suche nach seinem abtrünnigen Sohn verschlungen worden ist und nun an einem – ebenfalls vom Hai verschluckten –Tischchen ausharrt. Die beiden warten, bis der Fisch eingeschlafen ist, um danach durch dessen offenes Maul ins Meer hinauszuschwimmen. Mit letzter Kraft gelingt es ihnen, den Strand zu erreichen. Nachdem sie sich in einer ärmlichen Hütte eingerichtet haben, erscheint der ehemalige Lausebengel wie verwandelt. Er arbeitet unermüdlich, um seinen armen Vater zu ernähren, und in seiner Freizeit lernt er lesen und schreiben. Als er eines Tages erwacht, hat sich alles zum Guten gewendet: Aus der Strohhütte ist auf wundersame Weise ein richtiges Haus geworden, in einer Geldbörse findet er 40 Goldmünzen, die ihm die Fee geschickt hat. Vor allem aber ist Pinocchio keine Holzpuppe mehr, sondern ein richtiger Junge.

Zum Text

Aufbau und Stil

Pinocchio ist eine Läuterungsgeschichte, deren Spannung dadurch entsteht, dass ihr Wendepunkt bis zum Schluss immer wieder hinausgeschoben wird. Die Hauptfigur fasst ununterbrochen gute Vorsätze und verspricht unermüdlich, sich zu ändern – nur um immer wieder der Versuchung des Spiels, der Bequemlichkeit, des schnellen Reichtums und der Herumtreiberei zu erliegen. Erst auf den letzten Seiten des Buches gelingt es Pinocchio, ein ordentlicher, verantwortungsvoller Mensch zu werden, was durch seine Verwandlung von einer Holzpuppe in einen Jungen aus Fleisch und Blut veranschaulicht wird. Collodis pointierter Stil lehnt sich eng an die Umgangssprache an, die zahlreichen dialogartigen Passagen und die Selbstgespräche des hölzernen Jungen verraten den Einfluss des Puppentheaters. Häufig bedient sich Collodi außerdem kindlich-lautmalerischer Wendungen und sprechender Namen. Die märchenhaften Elemente des Buches wirken oft surrealistisch, sind jedoch stets einfach zu entschlüsseln und verzichten auf jede Tendenz zum Dunklen oder Mystischen.

Interpretationsansätze

  • Das weltberühmte Kinderbuch Pinocchio bündelt traditionelle Elemente des Märchens, der Tierfabel, des Bildungsromans und der Sozialsatire zu einer eigenständigen, fantastisch-surrealistischen Erzählung.
  • Pinocchio fasst ständig gute Vorsätze, um diese jedoch sogleich wieder zu brechen. Sein Schwanken zwischen Tugend und Laster erscheint als ironische Überzeichnung menschlicher Verführbarkeit.
  • Indem er am Ende zu einem Jungen aus Fleisch und Blut wird, erhält Pinocchio für seine hart erkämpfte Läuterung den verdienten Lohn. Charakterschwächen können dank Willenskraft und erzieherischer Ratschläge überwunden werden.
  • Die wichtigsten Tugenden im Leben eines Individuums sind Fleiß, Gehorsam, Genügsamkeit und Ehrlichkeit.
  • Die Sphären des Guten und des Bösen sind klar getrennt, abgesehen vom unbeständigen Pinocchio lassen sich die einzelnen Figuren eindeutig dem einen oder anderen Bereich zuordnen: So stehen etwa Geppetto, die Fee und die sprechende Grille für das Gute, während Kerzendocht oder der Fuchs und die Katze das Verderbliche verkörpern.
  • Auch die Schauplätze der Geschichte sind nach dem Schema von Gut und Böse geordnet: Die Insel der fleißigen Bienen repräsentiert die Arbeitsamkeit, das Land der Spielereien die Ausschweifung, das Haus Geppettos die Genügsamkeit, der Bauch des Haifisches den Überlebenskampf, etc.
  • Das Märchen ist von satirischer Kritik an sozialen Institutionen und Missständen geprägt: Ärzte, Richter und Polizisten erscheinen als dumm und korrupt, Geppetto darbt trotz seiner Herzensgüte in bitterer Armut, der Bauer beutet seine Angestellten aus.
  • Gerechtigkeit und Menschlichkeit können nicht vom Staat oder der Gemeinschaft geschaffen werden, sondern nur von der Reife und Güte einzelner Individuen.

Historischer Hintergrund

Der Kampf um Italiens Unabhängigkeit

Wie in zahlreichen europäischen Ländern war das 19. Jahrhundert auch in Italien vom zunehmenden Einfluss liberaler und demokratischer Gruppierungen geprägt, deren Ziel in der Schaffung eines unabhängigen Nationalstaates bestand. Die patriotischen Ideale der Risorgimento-Bewegung veranlassten auch den Schriftsteller Carlo Collodi, an den ersten beiden italienischen Unabhängigkeitskriegen teilzunehmen. 1848 kam es in zahlreichen Fürstentümern des Landes zu Aufständen. Die Lombardei sagte sich von Österreich los und erklärte ihren Anschluss an das Königreich Sardinien-Piemont, während in Venedig die Republik ausgerufen wurde. Im Ersten Italienischen Unabhängigkeitskrieg (1848) zwischen Piemont und der den Norden des Landes beherrschenden habsburgischen Besatzungsmacht eroberten österreichische Truppen unter General Josef Wenzel Radetzky die zuvor verlorenen Gebiete zurück. Dennoch wurde das Königreich Piemont zum Hoffnungsträger der Einigungsbewegung. Im Verlauf der 1850er Jahre gelang es dessen liberalkonservativem Ministerpräsidenten Camillo Benso von Cavour, den französischen Kaiser Napoleon III. für das Anliegen der italienischen Unabhängigkeit zu gewinnen, wofür er allerdings Nizza und Savoyen an Frankreich abtreten musste. 1859 brach der Zweite Italienische Unabhängigkeitskrieg aus, der mit einem Sieg der piemontesisch-französischen Streitkräfte endete. Dennoch verblieb Venetien vorerst in österreichischer Hand. 1860 befreite Giuseppe Garibaldi mit einer Freiwilligenarmee den Süden des Landes von der Herrschaft der spanischen Bourbonen. Am 17. März 1861 wurde in Turin das neue, unabhängige Italien ausgerufen; zur Enttäuschung der demokratischen Kräfte sollte es allerdings ein Königreich unter piemontesischer Vorherrschaft werden. Im Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg (1866) gelang der jungen Nation dank preußischer Hilfe die Eroberung Venetiens. Vier Jahre später marschierten italienische Truppen im Kirchenstaat ein, womit die Einigung des Landes vollendet war. 1871 wurde die italienische Hauptstadt von Florenz nach Rom verlegt.

Entstehung

Pinocchio erschien zwischen 1881 und 1883 als Fortsetzungsgeschichte in der italienischen Kinderzeitung Giornale dei Bambini. Das Märchen steht in der Tradition des deutschen Struwwelpeters (1847) und der englischen Alice im Wunderland. Die ersten Folgen trugen den Titel Die Geschichte einer Marionette; sie endeten mit der Szene, in der Pinocchio sterbend und reumütig am Ast einer großen Eiche hängt. Die Begeisterung des jugendlichen Publikums war derart groß, dass Collodi das Abenteuer des Holzjungen in einer zweiten Serie zu Ende erzählte. Als Buch wurde Pinocchio 1883 in Florenz mit den Federzeichnungen des bekannten zeitgenössischen Illustrators Enrico Mazzanti veröffentlicht. Obwohl es von der moralisierend-pädagogischen Schulbuchliteratur des 19. Jahrhunderts beeinflusst ist, vermochte es dank seiner sprachlichen Unmittelbarkeit und seiner fantasievollen erzählerischen Frische innerhalb des Märchengenres neue Akzente zu setzen. Daneben enthält es auch Elemente, die auf die sozialkritisch-realistische Erzählweise eines Charles Dickens oder eines Giovanni Verga verweisen – etwa die Schilderung von Hunger und Armut sowie die Episoden, die von Grausamkeit und Gewalt geprägt sind.

Wirkungsgeschichte

Pinocchio wurde unmittelbar nach seinem Erscheinen zu einem großen Erfolg. Als Collodi 1890 starb, hatte sein Buch bereits die fünfte Auflage erreicht, 1891 erschien es in Großbritannien, 1898 in den Vereinigten Staaten. 1905 verfasste der Journalist und Schriftsteller Otto Julius Bierbaum unter dem Titel Zäpfel Kerns Abenteuer eine deutsche Neugestaltung des italienischen Märchenstoffes. Bis heute gehört Pinocchio zu den bekanntesten Kinderbüchern der Weltliteratur, seine Gesamtauflage wird auf über sechs Millionen Exemplare geschätzt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Kritiker dem Werk gelegentlich Wiederholungen und ein allzu unverblümtes Moralisieren vorgeworfen haben. Entscheidend zu seiner internationalen Verbreitung hat die Trickfilmversion beigetragen, die Walt Disney im Jahre 1940 schuf. Insgesamt diente der Stoff rund zwanzig Mal als Vorlage für Verfilmungen, wobei die älteste auf das Jahr 1911 zurückgeht. 1932 wurde Pinocchio Hauptfigur in einem japanischen Puppenspielfilm, dessen Regisseur Noburo Ofuji neue experimentelle Techniken ausprobierte. Herausragend ist die Verfilmung des irischen Regisseurs Steve Barron aus dem Jahre 1996 sowie jene, die der italienische Regisseur und Komiker Roberto Benigni im Jahre 2002 auf die Leinwand brachte. Von den Abenteuern des Holzjungen ließ sich der russische Schriftsteller Aleksej N. Tolstoj zu seinem 1936 erschienenen Buch Das goldene Schlüsselchen oder die Abenteuer des Burattino inspirieren, das allerdings vor allem im zweiten Teil erheblich vom italienischen Original abweicht. Pinocchio wurde ferner von zahlreichen bekannten Illustratoren gezeichnet und erscheint als Hauptfigur in Liedtexten, Musicals, Videospielen und in einer 2001 entstandenen Oper des Italieners Pierangelo Valtinoni. Heute kümmert sich die italienische Nationalstiftung Carlo Collodi um die weltweite Verbreitung des Werks. Zahlreiche Episoden aus dem Kinderbuch sind außerdem zu eigenständigen Motiven und festen Redewendungen geworden – etwa, dass einem beim Lügen die Nase wächst oder dass Kinder, welche die Schule zu wenig ernst nehmen, eines Morgens mit Eselsohren erwachen. Der italienische Regisseur Federico Fellini hielt Pinocchio für „größer als Manzonis Verlobte.“

Über den Autor

Carlo Collodi wird am 24. November 1826 in Florenz als Sohn einer Kochs und einer Hausangestellten geboren. In Wirklichkeit heißt der Schriftsteller Carlo Lorenzini, sein Pseudonym verweist auf den Geburtsort der Mutter. Collodis Familie ist arm und wird von zahlreichen Schicksalsschlägen heimgesucht, sterben doch von zehn Kindern sechs bereits in den ersten Lebensjahren. Dank der finanziellen Unterstützung einer reichen Florentiner Familie kann der Junge ein Priesterseminar besuchen, in dem er als lebhaft und neugierig, aber auch als rebellisch und eigensinnig auffällt. Im Alter von 20 Jahren entscheidet er sich für eine Laufbahn als Journalist und Schriftsteller. Er unternimmt zahlreiche Reisen und erwirbt sich umfassende literarische, sprachwissenschaftliche sowie musikalische Kenntnisse. Zunächst schreibt Collodi Rezensionen für den Katalog einer florentinischen Buchhandlung, außerdem verfasst er Artikel für verschiedene Zeitungen. Später gründet er eine eigene Satirezeitschrift, die vorübergehend verboten wird. In den Jahren 1848 und 1859 nimmt Collodi aus patriotischer Überzeugung an den ersten beiden italienischen Unabhängigkeitskriegen teil. Daneben arbeitet er als Dramaturg, Präfekturangestellter und Schriftsteller; sein besonderes Interesse gilt dem lyrischen Theater und der Prosa. Die zahlreichen Romane und Theaterstücke, die in den 1850er und 60er Jahren entstehen, sind allerdings von geringem künstlerischem Wert. 1875 erhält er von einem Verleger den Auftrag, die bekanntesten französischen Fabeln ins Italienische zu übersetzen, womit Collodis Schaffen als Kinderbuchautor beginnt. Außerdem verfasst er Schulbücher und schreibt regelmäßig für eine der ersten italienischen Kinderzeitschriften. Seine witzige und fantasievolle Art, den Schülern Wissen zu vermitteln, macht ihn innerhalb des italienischen Schulsystems zu einer bekannten und angesehenen Figur. 1890 stirbt Collodi völlig überraschend in Florenz. Er wird auf dem Gedenkfriedhof San Miniato al Monte begraben.

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