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Poetik
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Poetik

Athen, nach 335 v. Chr.
Diese Ausgabe: Reclam, 2008 Mehr

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Literatur­klassiker

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Worum es geht

Das merkwürdige Vergnügen am Tragischen

In seiner Poetik geht Aristoteles einem offenbar tief in der menschlichen Natur verankerten Phänomen nach: der Lust, die wir beim Verfolgen einer tragischen Handlung erleben. Normalerweise würden wir über uns selbst erschrecken, wenn wir Vergnügen dabei empfänden, andere ins Unglück stürzen zu sehen. Im Theater, im Kino oder beim Lesen hingegen geben wir dem Verlangen nach tragischen Geschichten hemmungslos nach. Aristoteles findet in seiner Poetik eine bemerkenswerte Erklärung für diese Tatsache: Die Tragödie ruft die schädlichen Gefühle Jammer und Schaudern hervor und reinigt uns gewissermaßen von ihnen – wie eine Impfung, die vor Krankheiten schützt. Das Vergnügen an den durch das Bühnengeschehen hervorgerufenen Gefühlen ergibt sich aus einer angeborenen Freude am Nachahmen und am Nachgeahmten. Gerade dieses Element der aristotelischen Poetik erweist sich immer wieder als aktuell, doch auch das Werk als Ganzes, das sich als erstes seiner Art wissenschaftlich der Dichtkunst näherte, überzeugt bis heute mit tiefsinnigen Beobachtungen und Denkanstößen.

Zusammenfassung

Dichtung als Nachahmung

Die Poetik beschäftigt sich mit der Dichtkunst: Sie beschreibt deren Gattungen, die jeweiligen Wirkungen, die diese Gattungen erzielen wollen, und legt dar, was ein poetisches Werk zu einem gelungenen macht. Darüber hinaus soll erklärt werden, aus welchen Teilen ein dichterisches Werk besteht. Die wichtigsten Gattungen sind die Epik, die Tragödie und die Komödie. Grundsätzlich ist jede Dichtung Nachahmung. Die Gattungen unterscheiden sich jedoch darin, welche Gegenstände sie mit welchen Mitteln und auf welche Art und Weise nachahmen.

Zu diesen Mitteln zählen der Rhythmus, die Sprache und die Melodie. Die Epik nutzt nur die Sprache, die Tragödie und die Komödie dagegen verwenden alle drei Mittel. Gegenstand der Nachahmung sind handelnde Menschen. Die nachgeahmten Menschen sind entweder schlechter als der Zuschauer – dann haben wir es mit einer Komödie zu tun – oder besser als der Zuschauer – dann handelt es sich um eine Tragödie. Das dritte Unterscheidungskriterium der Gattungen ist die Art und Weise der Darstellung. Grob gesagt handelt es sich bei der Dichtung entweder um einen Bericht (eine Handlung wird nacherzählt) oder um ein Drama (Handelnde...

Über den Autor

Aristoteles wird 384 v. Chr. in Stageira auf der makedonischen Halbinsel Chalkidike geboren. Er entstammt einer angesehenen Familie und hat von früher Jugend an Zugang zum naturwissenschaftlichen Wissen seiner Zeit. Sein Vater ist Leibarzt des makedonischen Königs. Auch Aristoteles soll Arzt werden und beginnt bereits als Jugendlicher seine Studien an Platons Akademie in Athen. Dort verbleibt er fast 20 Jahre, erst als Schüler, später als Forscher und Lehrer. Als nach Platons Tod dessen Neffe Speusippos zum Nachfolger bestimmt wird, verlässt Aristoteles Athen und geht ins kleinasiatische Assos (in der heutigen Türkei) an den Hof des Hermias, eines früheren Mitschülers, mit dem er befreundet ist. Er heiratet dessen Nichte und Adoptivtochter Pythias. Fünf Jahre später, 342 v. Chr., wird Aristoteles zurück an den Hof Philipps von Makedonien gerufen, um den jungen Kronprinzen Alexander, der später als „der Große“ in die Geschichte eingehen wird, zu unterrichten. Nach der Ermordung Philipps wird Alexander 335 v. Chr. makedonischer König, und Aristoteles kehrt nach Athen zurück, wo er das Lykeion gründet. Diese Bildungsstätte wird auch als die Schule der Peripatetiker (Wandelschule) bekannt, weil die Gespräche zwischen Schülern und Lehrern oft beim Spazieren in den schattigen Laubengängen auf dem Schulgelände stattfinden. Aristoteles befasst sich mit fast allen Wissenschaften und Künsten, er verfasst Werke zu so unterschiedlichen Wissensgebieten wie Physik, Chemie, Biologie, Zoologie, Botanik, Psychologie, Politikwissenschaft, Metaphysik, Ethik, Logik, Geschichte, Literatur und Rhetorik und setzt dabei auf mehreren Gebieten wichtige Grundpfeiler für die westliche Philosophie. Nach Alexanders Tod im Jahr 323 v. Chr. muss Aristoteles Athen wegen der starken antimakedonischen Stimmung verlassen. Wie vor ihm Sokrates wird er offiziell der Gottlosigkeit angeklagt. Daraufhin zieht er sich auf das Landgut seiner Mutter in Chalkis auf der griechischen Insel Euböa zurück. Dort stirbt er 322 v. Chr. im Alter von 62 Jahren.


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