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Soll und Haben
Buch

Soll und Haben

Roman in sechs Büchern

Leipzig, 1855
Diese Ausgabe: Manuscriptum, 2002 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Entwicklungsroman
  • Biedermeier

Worum es geht

Wie viel Programm verträgt Literatur?

Soll und Haben ist ein klassischer Entwicklungsroman. Der junge Anton Wohlfart stammt aus einfachen Verhältnissen, ist strebsam, ehrlich und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Genretypisch wird die Tugend des Helden gründlich auf die Probe gestellt: Anton muss sich in Gefahr begeben, schwierige Entscheidungen treffen, Versuchungen widerstehen und selbstlos handeln, ohne sich dabei aufzuopfern. Das Ideal ist ein Leben als redlicher und fleißiger Kaufmann, das sich durch Mittelmaß und Bescheidenheit auszeichnet. Es ist der Wertekanon des Biedermeier, nach dem Freytag seinen Helden und mit ihm den Leser erziehen will – zum Nutzen Deutschlands. An dieser erzieherischen Absicht stößt man sich bei der Lektüre immer wieder: Das Buch zeigt nicht auf, wie der Mensch ist, sondern wie er sein sollte. So entstehen eher Stereotype als facettenreiche Figuren, eher hölzerne Dialoge als klingende Sprache, kurz: mehr Soll als Haben. Der Roman ist denn auch in erster Linie in seinem geschichtlichen Kontext interessant: Weil er dem Bürgertum des 19. Jahrhunderts aus der Seele sprach, war er damals ein beispielloser Verkaufserfolg.

Zusammenfassung

Der frischgebackene Kaufmann

Nach dem Tod seiner Eltern verlässt der junge Anton Wohlfart seine heimatliche Kleinstadt und geht nach Breslau, um dort eine Kaufmannslehre im angesehenen Handelshaus T. O. Schröter anzutreten. Als Gefährte drängt sich ein ehemaliger Schulkamerad auf, der Jude Veitel Itzig, ein wenig vertrauenerweckender Bursche. Die Geschäfte der Handlung Schröter florieren. In den Kontoren wird emsig gearbeitet. In Kellern und Lagerräumen stapeln sich Waren aus aller Herren Länder. Schnell lebt Anton sich ein; mit seinem ehrlichen, bescheidenen Wesen ist er seinen Kollegen und seinem Chef Herrn Schröter schnell sympathisch. Einzig an die unverschämte Art des jungen Fritz von Fink, eines reichen Erben, der auf Wunsch seines Vaters als Volontär in der Firma angestellt ist, mag sich Anton nicht gewöhnen. Wegen einer abschätzigen Bemerkung des Adligen kommt es um ein Haar zum Duell. Doch der weltläufige Fink beweist Größe, indem er sich öffentlich bei Anton entschuldigt. Aus dem Zwischenfall entwickelt sich eine tiefe Freundschaft.

Eines Tages trifft Anton die adlige Lenore von Rothsattel...

Über den Autor

Gustav Freytag wird am 13. Juli 1816 in der preußischen Provinz Oberschlesien als Sohn eines angesehenen Arztes geboren. In der Provinzhauptstadt Breslau und später in Berlin studiert er klassische Philologie. Mit 22 Jahren wird er promoviert, nur ein Jahr später habilitiert. Bald findet er eine Anstellung als Dozent in Breslau, er gibt seine akademische Karriere jedoch zugunsten der Schriftstellerei wenig später auf. Seine Berufung findet er in der dramatischen Kunst. 1846 wird sein Theaterstück Die Valentine erfolgreich aufgeführt. Obwohl nur mäßig politisch, stellt Freytag sein Schaffen in den Dienst der national-deutschen Idee. Die Gewaltexzesse der Märzrevolution 1848 schrecken ihn jedoch ab. Alles Radikale und Schwärmerische ist ihm zuwider. Gemeinsam mit Julian Schmidt gibt er ab 1848 die Wochenschrift Die Grenzboten heraus, mit dem Ziel, die Aufgabe des gesellschaftlichen Umbruchs dem Bürgertum anzuvertrauen. Außerdem fördert er von Leipzig aus eine Veröffentlichung, die (unter Umgehung der strengen preußischen Zensur) aus dem Landtag in Berlin berichten soll. Sein Engagement macht ihn den Behörden verdächtig. Der liberale Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha stellt den inzwischen berühmten Dramatiker 1854 an seinem Hof als Vorleser an, um ihn vor polizeilichem Zugriff zu schützen. 1855 erscheint Soll und Haben, Freytags erster Roman, mit dem er sich endgültig etabliert. Er sieht sich als Volkserzieher, als Sprachrohr des aufgeklärten Bürgertums. Mit preußischer Pflichttreue nimmt er die selbst gewählte Aufgabe wahr. 1867 lässt er sich gar in den Reichstag wählen, hat jedoch schnell genug von praktischer Politik und widmet sich wieder dem geschriebenen Wort. Mit dem sechsbändigen Monumentalwerk Die Ahnen fiktionalisiert Freytag das zurückliegende Jahrtausend deutscher Geschichte. Etliche kulturhistorische Werke ergänzen sein umfangreiches Schaffen. In seinen letzten Lebensjahren schreibt er gegen den grassierenden Antisemitismus in Deutschland an; seine dritte Frau ist jüdischer Abstammung. Gustav Freytag stirbt 1895 in Wiesbaden.


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