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Strukturale Anthropologie
Buch

Strukturale Anthropologie

Paris, 1958
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2015 Mehr

Literatur­klassiker

  • Anthropologie
  • Moderne

Worum es geht

Einsamer Rufer im Urwald

„Wir Barbaren“, titelte Die Zeit 2008 zu Claude Lévi-Strauss’ 100. Geburtstag. Gemeint war damit eine mörderische Stammeskultur, deren Zerstörungswahn in der Geschichte der Menschheit ohne Beispiel ist: die westliche Zivilisation. 1958, zu einer Zeit, da die vermeintlich primitiven Völker bestenfalls als lebende Fossilien belächelt und schlimmstenfalls systematisch ausgerottet wurden, stellte der französische Strukturalist in seinem programmatischen Werk Strukturale Anthropologie indirekt die Frage: Wer sind die wahren Wilden? Er hatte im südbrasilianischen Urwald in den 1930er-Jahren Eingeborene getroffen, die ihrer Umwelt mit intellektueller Neugierde begegneten und versuchten, sie mit Sinn zu erfüllen; ihre komplexen Mythen und Riten erschienen ihm kaum minderwertiger als die politischen Ideologien der westlichen Barbaren. Damals war das eine Provokation. Obwohl der Strukturalismus im postmodernen Getöse seiner Nachfolger an Schärfe und Gewicht verloren hat, lohnt es sich, die Theorien seines Pioniers nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Zusammenfassung

Das historische Paradox

Zwischen Geschichte und Ethnologie besteht ein scheinbar unvereinbarer Widerspruch: Die Vergangenheit schriftloser Kulturen lässt sich nicht anhand von Dokumenten rekonstruieren. Aus Mangel an Gegenbeweisen folgen einige Historiker deshalb der Vorstellung, die abendländische Zivilisation sei die Spitze der menschlichen Entwicklung, während sogenannte primitive Kulturen nur ein Überbleibsel früherer Stadien darstellten. Man sollte aber die Geschichte nicht ganz aus der ethnologischen Forschung verbannen, so wie es viele empirisch arbeitende Ethnologen tun: Sie vergleichen erst und verallgemeinern dann. Richtig wäre der umgekehrte Weg: Man filtert erst unbewusste, allgemeine Strukturen in Bräuchen und Institutionen heraus, um sie dann einander kulturübergreifend gegenüberzustellen.

Verwandtschaft und Sprache

Die strukturale Sprachwissenschaft gibt die Richtung vor: So wie die Beziehungen zwischen Lauten das System Sprache bilden, basiert das System Gesellschaft auf Verwandtschaftsbeziehungen, Heiratsregeln usw., die unbewusste Ausprägungen des Denkens sind. Überprüfen lässt sich diese Analogie anhand eines Vergleichs zwischen Verwandtschaftsbeziehungen...

Über den Autor

Claude Lévi-Strauss wird am 28. November 1908 als Sohn eines jüdischen Kunstmalers in Brüssel geboren. 1914 siedelt die Familie nach Versailles um. Im Alter von 18 Jahren besucht der junge Lévi-Strauss die Sorbonne in Paris, wo er erfolgreich ein Philosophie- und Jurastudium absolviert. Nach zweijähriger Tätigkeit als Gymnasiallehrer folgt 1934 seine Berufung zum Professor für Soziologie an die Universität im brasilianischen São Paulo. Bei ausgedehnten Expeditionen nach Zentralbrasilien widmet sich Lévi-Strauss ethnologischen Studien. 1939 kehrt er nach Frankreich zurück, muss aber aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1941 aus der von den Deutschen besetzten Heimat fliehen. Bis zum Kriegsende ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der New School for Social Research. 1946/47 arbeitet Lévi-Strauss als Kulturattaché an der französischen Botschaft in den USA, bevor er nach Paris zurückkehrt, wo 1949 sein Werk Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft (Les Structures élémentaires de la Parenté) veröffentlicht wird. Ein Jahr später wird der Ethnologe zum Direktor der Abteilung Anthropologie an der École Pratique des Hautes Études gewählt. 1955 erscheint Traurige Tropen (Tristes Tropiques), 1958 folgt der erste Band seiner Strukturalen Anthropologie (Anthropologie structurale); der zweite erscheint 1973. Vom Collège de France wird er 1959 zum Professor für Sozialanthropologie ernannt. Dieser Aufgabe widmet sich der zurückgezogen lebende Lévi-Strauss bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1982. Weitere wichtige Werke des Autors sind Das Ende des Totemismus (Le Totémisme aujourd’hui, 1962), Das wilde Denken (La Pensée sauvage, 1962) sowie Mythologica (Les Mythologiques, 1971). Als Erster seines Faches wird Lévi-Strauss 1973 Mitglied der Académie Française. Für seine Arbeit erhält er mehrere Ehrendoktortitel und Auszeichnungen. Claude Lévi-Strauss stirbt am 30. Oktober 2009 in Paris, einen Monat vor seinem 101. Geburtstag.


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