- Tragödie
- Viktorianische Ära
Worum es geht
Eine reine oder gefallene Frau?
Das tragische Schicksal der jungen Tess Durbeyfield spiegelt die Doppelmoral der viktorianischen Gesellschaft wider: Tess, ein einfaches Bauernmädchen, wird von einem zynischen, neureichen Lebemann missbraucht und von dem vermeintlich aufrechten Pfarrerssohn verlassen. Während es ihr misslingt, sich von ihrer Vergangenheit zu befreien, können sich die Männer, die sie getäuscht haben, immer wieder neu erfinden. Die Handlung schreitet mit der Unerbittlichkeit einer griechischen Tragödie voran: Tess’ angeblich adlige Abstammung löst eine Kette von Schicksalsschlägen aus und erweist sich eher als Fluch denn als Segen. Neben der Schilderung dieser individuellen Tragödie betätigt sich Hardy im Roman auch als schonungsloser Chronist der industriellen Revolution. Eindrücklichen Naturbeschreibungen, die die unberührte Schönheit der Landschaft in Wessex beschwören, stellt er infernalische Bilder von Dreschmaschinen gegenüber. Der Gang der Ereignisse mit etlichen schicksalhaften Zufällen wird häufig melodramatisch und die Naturbeschreibungen mag mancher als langatmig empfinden. Doch eindringlicher kann ein Roman als Plädoyer zur Verteidigung einer unschuldig schuldig gewordenen Frau kaum wirken.
Zusammenfassung
Über den Autor
Thomas Hardy wird am 2. Juni 1840 als Sohn eines Baumeisters in der südenglischen Grafschaft Dorset geboren. Er geht nach der Architektenlehre nach London und eignet sich neben seiner Arbeit als Kirchenrestaurator eine breite philosophische und literarische Bildung an. Aus gesundheitlichen Gründen kehrt er 1867 nach Dorset zurück. 1871 erscheint sein erster Roman, Desperate Remedies, 1872 sein zweiter, Die Liebe der Fancy Day (Under the Greenwood Tree). 1874 wird der erste seiner berühmten Wessex-Romane als Fortsetzungsroman in einem Magazin publiziert: Am grünen Rand der Welt (Far from the Madding Crowd). Im selben Jahr heiratet Hardy Emma Gifford. Das Paar zieht 1878 nach London, wo Hardy bald als bedeutender Schriftsteller gilt. In rascher Reihenfolge erscheinen bis in die 1890er-Jahre zahlreiche Romane und Kurzgeschichten, die häufig in seiner heimatlichen, ländlichen Umgebung angesiedelt sind. Nachdem sowohl Tess (Tess of the d’Urbervilles, 1891) und stärker noch der autobiografisch geprägte Roman Herzen in Aufruhr (Jude the Obscure, 1895) für einen Sturm der Entrüstung sorgen, widmet sich Hardy fortan ausschließlich der Lyrik, die er ohnehin für eine höhere Form der Literatur hält. Nach dem Tod seiner ersten Frau 1912 heiratet Hardy 1914 Florence Dugdale, eine Lehrerin und Kinderbuchautorin. 1913 erhält er die Ehrendoktorwürde der Universitäten Cambridge und Oxford. Als er am 11. Januar 1928 stirbt, hinterlässt er ein umfangreiches Werk, darunter 14 Romane, viele Kurzgeschichten und fast 1000 Gedichte. Sein Grab befindet sich in der Westminster Abbey; nur sein Herz wurde in seiner Heimat Dorset beigesetzt.
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