- Ökonomie
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Worum es geht
Frühes Plädoyer gegen den Wirtschaftsliberalismus
Als im Zuge der Finanzkrise von 2008 vermehrt die entfesselte Globalisierung und die verselbstständigten Finanzmärkte in die Kritik gerieten, waren plötzlich die Thesen des österreichisch-ungarischen Wirtschaftshistorikers und Soziologen Karl Polanyi wieder aktuell. Bereits während des Zweiten Weltkriegs hatte Polanyi in seinem Hauptwerk The Great Transformation den Kampf zwischen Gesellschaft und Marktsystem untersucht. Der historischen Entstehung der liberalen Marktwirtschaft im 19. Jahrhundert folgend, zeichnet er die zunehmende Verselbstständigung der Wirtschaft gegenüber der Gesellschaft nach. Vor dem Hintergrund einer humanistisch-sozialistischen Weltsicht fordert er die Reintegration des Marktes in eine freie und selbstbestimmte Gesellschaft. Die Idee eines sich selbst regulierenden Marktes ist für ihn notwendig zum Scheitern verurteilt, da sie nur zur völligen Ausbeutung von Mensch und Natur sowie zur Zerstörung von Demokratie und Freiheit führe. Angesichts der politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, aber auch der aktuellen ökologischen Krisen ist Polanyis Hauptwerk eine überraschend aktuelle, spannende und anregende Lektüre über Gesellschaft und Ökonomie.
Zusammenfassung
Über den Autor
Karl Polanyi wird am 21. Oktober 1886 in Wien geboren, wächst allerdings in Budapest auf. Die Familie zählt zum liberalen Judentum und wohlhabenden Bürgertum. Sein Vater ist Eisenbahningenieur und bis 1900 Besitzer einer eigenen Eisenbahnlinie. Die Mutter betreibt intellektuelle Salons in Budapest. Bildung ist der Familie wichtig, die fünf Kinder werden von Privatlehrern aus aller Welt erzogen. Polanyi studiert Jura und Philosophie und engagiert sich in der Arbeiterbildung. 1908 gründet er den Galilei-Kreis, einen Zusammenschluss linksliberaler Intellektueller. Im Ersten Weltkrieg dient er als Leutnant, bis er 1917 zum Invaliden wird. 1919 zieht er nach Wien, wo er an Volkshochschulen und als Redakteur wirtschaftlicher Zeitschriften arbeitet. 1934 reist seine Frau Ilona mit der gemeinsamen Tochter Kari nach Großbritannien aus. Als Polanyi im Jahr darauf seine Anstellung verliert, emigriert er angesichts des immer stärker werdenden Faschismus ebenfalls. In Großbritannien hält er Vorträge und engagiert sich im Rahmen des außeruniversitären Bildungsprogramms der Universitäten London und Oxford in der Arbeiterbildung. 1940 siedelt die Familie in die USA über. Von 1941 bis 1943 vollendet Polanyi dort, unterstützt durch ein Forschungsstipendium der Rockefeller-Stiftung, sein wirtschaftstheoretisches Hauptwerk The Great Transformation. Von 1947 bis 1953 hält er eine Gastprofessur an der Columbia University. Bis 1958 ist er Co-Leiter eines Forschungsprojekts zur ökonomischen Dimension gesellschaftlicher Institutionen. Im Rahmen dieses Projekts entsteht Trade and Market in the Early Empires (1957). Da seine Frau als sozialistische Aktivistin kein Visum für die USA bekommt, zieht die Familie schließlich nach Kanada. Dort wendet Polanyi sich immer stärker der Anthropologie zu. Am 23. April 1964 stirbt er in Pickering, Ontario.
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