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Toleranz
Buch

Toleranz

Ein philosophischer Kommentar

Rotterdam, 1686
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2016 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Toleranz als Friedensgarant

Was es bedeutet, seinen religiösen Glauben nicht leben zu dürfen, musste Pierre Bayle am eigenen Leib erfahren. Wie viele französische Protestanten unter Ludwig XIV. floh er vor Verfolgung und Zwangsbekehrung durch die katholische Kirche nach Rotterdam. Dort verfasste er 1686 seine Schrift Toleranz, die zu den radikalsten Plädoyers der Frühen Neuzeit für ein friedliches Miteinander der Religionen zählt. Unter dem Einfluss von Descartes’ Rationalismus geht Bayle von der Begrenztheit der menschlichen Urteilskraft aus: Da jede Religion von sich behauptet, sie sei die wahre, der Streit zwischen ihnen aber nie mit den Mitteln der Vernunft beigelegt werden kann, sollten sie einander mit Toleranz begegnen und ihre Dogmen hinterfragen. Nur so kann der Frieden gewahrt und Bürgerkrieg verhindert werden. In seinem Wunsch nach Pluralismus und Gewissensfreiheit geht Bayle so weit, allen Religionen die gleiche Freiheit zuzugestehen – sofern sie selbst andere Religionen respektieren und sich an die Gesetze halten. Seine Forderung nach einer strikten Trennung von Kirche und Staat ist heute – angesichts christlich- und islamisch-fundamentalistischer Strömungen – durchaus aktuell.

Zusammenfassung

Die Vernunft als oberste Instanz

Im Lukas-Evangelium heißt es: „Und der Herr sprach zu dem Knechte: Gehe aus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, auf dass mein Haus voll werde.“ Diesen Satz interpretiert die katholische Kirche nach Augustinus als Aufforderung, andere mit Gewalt zu missionieren. Doch wenn eine wörtliche Interpretation der Bibel dazu führt, dass Menschen Verbrechen begehen oder in einer Weise handeln, die der Vernunft oder den zehn Geboten widerspricht, muss sie falsch sein.

Oft wird behauptet, die Philosophie sei die Dienerin der Theologie. Das Gegenteil ist richtig: Die Philosophie ist die Königin und die Theologie ihre Dienerin. Alle Theologen – wenn auch nicht mit Worten, so doch mit ihren Taten – beugen sich letztlich der Hoheit der Vernunft, indem sie stets bemüht sind, ihre Glaubensgrundsätze vor dieser zu rechtfertigen. Bei aller Wundergläubigkeit erkennen sie die allgemeinen Prinzipien des Verstandes an, wonach etwa zwei sich widersprechende Sätze nicht gleichzeitig wahr sein können oder das Ganze größer sein muss als jeder seiner Teile. Im Glauben selbst gibt es aber vieles, was mit den Mitteln der Vernunft nicht...

Über den Autor

Pierre Bayle wird am 18. November 1647 im heutigen Carla-Bayle in den Pyrenäen geboren. Der Sohn eines hugenottischen Predigers studiert in Puylaurens und Toulouse. 1669 tritt er zum katholischen Glauben über. Nach 18 Monaten bereut er die Entscheidung und flieht als Renegat ins protestantische Genf. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer und vertieft sich in die Schriften seiner Zeitgenossen, unter anderem in die von René Descartes. Ab 1675 lehrt er Philosophie an der Akademie Sedan in Lothringen. Als Frankreichs Einfluss in Lothringen zunimmt, geht er nach Rotterdam und nimmt eine Stelle am städtischen Gymnasium an. In seinen ersten Werken, die 1682 und 1683 erscheinen, setzt er sich mit dem Glauben an Kometen auseinander. Schon hier entwickelt er die Idee, dass Atheisten durchaus ethische Grundsätze haben können. 1684 bis 1687 gibt er die Zeitschrift Nouvelles de la République des Lettres heraus. 1685 fliehen 200 000 Protestanten aus Frankreich, wo sie nach Aufhebung des Toleranzediktes nicht länger geschützt sind. Im selben Jahr wird Bayles Bruder Jacob inhaftiert und stirbt Monate später im Gefängnis in Bordeaux. Bayle fordert daraufhin umso nachdrücklicher die Trennung von Kirche und Staat und plädiert für Gewissens- und Religionsfreiheit. Das bringt ihm nicht nur den Unwillen der Katholiken, sondern auch den der Protestanten ein. Bayle verliert seine Stelle und konzentriert sich auf sein Mammutwerk, das Historische und kritische Wörterbuch (Dictionnaire historique et critique, 1697). Die letzten Jahre seines Lebens verbringt er damit, auf Einwände gegen das Werk zu reagieren. Bayle gilt heute als einer der wichtigsten Denker der französischen Aufklärung. Er stirbt am 28. Dezember 1706 in Rotterdam


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