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Transit

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Transit

Aufbau Taschenbuch,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Anna Seghers’ großer Roman über Flucht und die Suche nach Identität.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

In der Zwischenwelt

Tausende Menschen warten in Marseille auf ihre Papiere, um endlich ausreisen zu können. Sie sind vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs geflüchtet, vor den Verbrechen der Nazis, doch ihre Flucht hat in Marseille vorerst ein Ende gefunden. Hier verwandelt sich ihr Leben in eine ganz andere Hölle: Das endlose Warten auf den Fluren der Konsulate, die immer gleichen Berichte in den Cafés und Restaurants am Hafen zehren an den Nerven. Das ständige Auf und Ab zwischen Hoffnung und Todesangst, aber auch die Langeweile sind in Anna Seghers’ Roman immer greifbar. Damit beleuchtet sie eine der bemerkenswertesten menschlichen Eigenschaften: dass man sich an jeden Schrecken irgendwann gewöhnt. Inmitten der Flüchtenden und ihrer vielgestaltigen Geschichten findet der namenlose Protagonist seine große Liebe und entdeckt seine verloren geglaubte Fähigkeit zum Mitleiden wieder. Mit starken Bildern und klarer Sprache führt Anna Seghers den Leser in die zähe Zwischenwelt der Visa, Bescheinigungen und Transits und appelliert ohne erhobenen Zeigefinger an Menschlichkeit und Solidarität – ein Aufruf, der heute so wichtig ist wie vor 75 Jahren.

Take-aways

  • Transit ist eines der wichtigsten Werke der deutschen Exilliteratur.
  • Inhalt: Ein junger Mann entkommt zuerst aus einem deutschen KZ, dann aus einem französischen Gefangenenlager, er flieht aus Paris und gelangt im Herbst 1940 nach Marseille. Er verliebt sich in die Frau eines anderen, nimmt eine fremde Identität an und bemüht sich um Papiere für eine Ausreise nach Mexiko.
  • Der Roman wird als Erfahrungsbericht aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt.
  • Es bestehen zahlreiche Parallelen zwischen dem Protagonisten und der Autorin: Seghers flüchtete ebenfalls 1940 aus Paris und wanderte dann nach Mexiko aus.
  • Doch die autobiografische Lesart greift zu kurz: Die äußeren Umstände bilden nur den Rahmen für den existenziellen Konflikt der Hauptfigur.
  • Der Titel Transit ist eine Metapher für das zähflüssige Leben in einer Zwischenwelt, in der sich die Flüchtenden befinden.
  • Seghers nimmt sich die Freiheit, realistische Darstellung mit künstlerischer Gestaltung zu vermischen, um politische Wirkung zu erzielen.
  • Transit erschien zunächst auf Englisch und Spanisch und erst 1948 auf Deutsch.
  • Ein besonderes Verdienst des Romans ist die Darstellung der Hilfsbereitschaft des mexikanischen Konsulats: Das Land nahm 40 000 Flüchtlinge auf.
  • Zitat: „Vor meinen Augen strömte sie an, mit ihren zerrissenen Fahnen aller Nationen und Glauben, die Vorhut der Flüchtlinge. Sie hatten ganz Europa durchflüchtet, doch jetzt vor dem schmalen, blauen Wasser, das unschuldig zwischen den Häusern glitzerte, war ihre Weisheit zu Ende.“

Zusammenfassung

Odyssee durch Frankreich

Ein junger Deutscher sitzt in einem Restaurant in Marseille und erzählt, wie er dorthin kam und warum ihn die Nachricht, dass die „Montreal“ gesunken ist, persönlich betrifft.

Ende 1939 ist er in ein Arbeitslager bei Rouen geraten, nachdem er aus einem deutschen KZ geflohen war. Ins KZ hat ihn eine Auseinandersetzung mit einem SA-Mann gebracht. Als die Wehrmacht kurz vor dem französischen Lager steht, beschließen die Verantwortlichen, abzuziehen und die Gefangenen fliehen zu lassen. Der Deutsche gerät mitten in den riesigen Flüchtlingsstrom, der in diesen Wochen auf Paris zurollt. Die Nazis sind schon dort, doch er findet Aufnahme bei der Familie Binnet, mit der er seit vielen Jahren befreundet ist. Er trifft seinen ehemaligen Mitinsassen Paul Strobel auf der Straße, der ihn bittet, für ihn einen Brief an Strobels Schriftstellerkollegen Weidel zu überbringen. Der Erzähler ist einverstanden, doch als er bei Weidels Hotel eintrifft, teilt man ihm mit, dass der sich das Leben genommen hat. Der Erzähler nimmt Weidels letzte Habe, einen Koffer, an sich. Als Paul nicht zum vereinbarten Treffen erscheint, öffnet er den Koffer und den Brief von Paul. Im Koffer findet er ein unfertiges Manuskript, im Umschlag ein Schreiben von Weidels Frau und die Nachricht, dass im mexikanischen Konsulat in Marseille ein Visum und Reisegeld auf Weidel warten. Alle Versuche, den Koffer beim mexikanischen Konsulat in Paris abzugeben, scheitern – also behält der Erzähler den Koffer samt Inhalt und nutzt ihn für seine Weiterreise.

Das Visum

Zusammen mit Marcel Binnet und anderen Flüchtlingen macht er sich auf den Weg nach Süden. Marcel findet Arbeit auf einer Pfirsichfarm. Mithilfe seiner Freunde erhält der Erzähler einen „Flüchtlingsschein“, den ein anderer Mann zurückgelassen hat; er lautet auf den Namen Seidler. Unter diesem Namen reist er allein weiter nach Marseille. Hierher zieht es alle, die den Kontinent verlassen wollen – es ist der letzte Außenposten der freien Welt. In Marseille erfährt Seidler von dem aufwändigen Prozedere, das man durchlaufen muss, wenn man ins Ausland gelangen möchte. Neben einem Visum für das Zielland, einer Ausreisegenehmigung, und einem Ticket für die Überfahrt benötigt man auch sogenannte Transits, also die Erlaubnis, andere Länder auf der Durchreise zu durchqueren. Die Kunst besteht darin, alle Papiere zusammenzubekommen, bevor eines davon schon wieder abgelaufen ist. Seidler hat nicht vor auszuwandern. Um sich die Zeit zu vertreiben, versucht er jedoch erneut, Weidels Koffer auf dem mexikanischen Konsulat abzugeben. Dort hält man ihn für Weidel selbst. Der wohlwollende Kanzler teilt ihm mit, dass er für die Ausstellung des Visums nur noch den Nachweis brauche, dass der Künstlername Weidel zu ihm, Seidler, gehöre. Seidler lässt sich auf das Spiel ein.

Identitätsbescheinigung

Seidler findet Anschluss bei weiteren Mitgliedern der Familie Binnet: bei Georg und seiner Geliebten Claudine sowie Claudines Sohn. Er lässt sich treiben und verbringt seine Tage in den Cafés und Restaurants der Stadt. Eine kurze Beziehung zu der Verkäuferin Nadine endet so schnell, wie sie begonnen hat. Er muss, um das Aufenthaltsrecht in Marseille zu bekommen, seine Bemühungen um eine Ausreise nachweisen und besucht erneut den mexikanischen Kanzler. Der kann ihm zwar seine Bemühungen bescheinigen, wartet aber weiter auf die Bestätigung, dass Seidler und Weidel identisch sind. In einem Café trifft Seidler Paul Strobel wieder. Der weiß nicht, dass Weidel tot ist, und erzählt von seinen guten Beziehungen in der Stadt. Seidler beschließt, das auszunutzen. Er berichtet Paul von dem Problem der Identitätsfeststellung und bittet ihn, eine Bestätigung zu erwirken, dass Seidler und Weidel ein und dieselbe Person seien. Dies erreicht er, indem er Paul vorflunkert, die Bestätigung sei für Weidel bestimmt, der aber in Wirklichkeit Seidler heiße.

„Man spricht von tödlichen Wunden, von tödlicher Krankheit, man spricht auch von tödlicher Langeweile. Ich versichere Ihnen, meine Langeweile war tödlich.“ (S. 24)

Marcel stellt ihm für das Frühjahr eine Stelle auf der Pfirsichfarm in Aussicht – den Winter über muss sich Seidler also noch in Marseille durchschlagen. Er trifft Heinz wieder, den er im Lager kennengelernt hat und der im Spanischen Bürgerkrieg ein Bein verloren hat. Seidler beschließt, Heinz mit seinen Kenntnissen bei der weiteren Flucht – dieser hat ein Visum des mexikanischen Konsulats – zu helfen. Kurz darauf erkrankt Claudines Sohn, und Seidler bittet einen deutschen Arzt um Hilfe. Es stellt sich heraus, dass auch der Arzt ein Visum für Mexiko hat, doch auch er braucht noch die benötigten Transits.

Schiffspassage

Am 28. November beobachtet Seidler eine Frau, die in den Cafés und Restaurants am Hafen nach jemandem zu suchen scheint. Seidler ist sofort fasziniert von ihr. In den nächsten Tagen sieht er sie immer wieder. Unterdessen hat Paul Strobel beim mexikanischen Konsulat den Nachweis erbracht, dass „Seidler“ der echte Name von Weidel sei. Der Kanzler schickt Seidler mit seinen Papieren zum amerikanischen Reisebüro, wo seine Überfahrt bereits bezahlt wurde. Mit dem Nachweis seiner gebuchten Überfahrt kann er das Transit beim amerikanischen Konsulat beantragen. Wieder muss er in endlosen Schlangen auf Papiere warten: Die ganze Stadt ist voller Flüchtlinge, die an den verschiedensten Stellen auf Nachweise warten und sich in einem seltsamen Zwischenstadium befinden.

„Vor meinen Augen strömte sie an, mit ihren zerrissenen Fahnen aller Nationen und Glauben, die Vorhut der Flüchtlinge. Sie hatten ganz Europa durchflüchtet, doch jetzt vor dem schmalen, blauen Wasser, das unschuldig zwischen den Häusern glitzerte, war ihre Weisheit zu Ende.“ (S. 67)

Nachdem er seine Angelegenheiten in dem amerikanischen Reisebüro geregelt hat, folgt Seidler aus Langeweile einem kleinen Mann, der mit einem Portugiesen namens Bombello zusammenarbeitet und gute Beziehungen in der Stadt hat. Seidler lässt sich mit den Männern auf Verhandlungen über eine Schiffspassage ein, die er selbst gar nicht benötigt. Als er später beim Arzt von seinen neuen Bekannten erzählt, ist dieser begeistert: Er möchte die Überfahrt für sich und seine Freundin arrangieren. Sie gehen in ein Restaurant, um die Einzelheiten zu besprechen. Da kommt besagte Freundin, Marie, dazu – sie ist die Frau, die Seidler seit Wochen beobachtet.

„Denn Unsinn, Unsinn, Unsinn war dieser Kraftaufwand, um eine brennende Stadt mit einer anderen brennenden Stadt zu vertauschen, das Umsteigen von einem Rettungsboot auf das andere, auf dem bodenlosen Meer.“ (S. 123)

Seidler lässt sich von der Unruhe der anderen Flüchtlinge anstecken und kümmert sich auf dem amerikanischen Konsulat um sein Transit. Dort erfährt er, dass der Autor Weidel in Spanien nicht gern gesehen ist, seit er einen Artikel über eine Massenerschießung veröffentlicht hat. Nun braucht er einen Bürgen, der dafür einsteht, dass Weidel nie wieder etwas Ähnliches schreiben wird. Seidler verweist den Konsul an Paul Strobel.

Abfahrtspläne

Später trifft er erneut Marie. Auf seine Nachfrage erzählt sie ihm, dass sie nach ihrem Mann sucht. Sie hat mehrere Hinweise bekommen, dass dieser sich in Marseille aufhalten soll, und will ihn dringend finden, weil nur er ihr ein Visum verschaffen kann. Seidler wird plötzlich klar, dass Maries Mann der Autor Weidel ist und dass all die Hinweise, die sie erhalten hat, auf ihn selbst hindeuten. Er behält sein Wissen für sich, ahnt jedoch schon das Unglück voraus, das ihn erwartet, wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Er sagt ihr, er habe gute Beziehungen zum mexikanischen Konsulat, und bietet ihr an, sich darum zu kümmern, dass ihr Name in Weidels Visum eingetragen wird.

„Damals fing ich schon an, in Konsulatsfristen zu rechnen, eine Art von Planetenzeit, in der man irdische Tage für Millionen von Jahren setzt, weil Welten verbrannt sind, ehe das Transit abläuft.“ (S. 141 f.)

Bei seinem nächsten Besuch auf dem mexikanischen Konsulat trifft Seidler Heinz und spürt auf einmal den unbändigen Wunsch, dem alten Bekannten zu helfen. Er vermittelt ihm die Überfahrt nach Portugal, die er eigentlich dem Arzt und Marie zugesagt hat. Als der Arzt davon erfährt, nimmt er die Änderung der Pläne gelassen. Er erzählt, dass Marie mit der Abreise zögert, seit sie in Marseille sind. Es scheint, als könne sie sich nicht zur Abfahrt durchringen, bevor sie ihren Mann nicht noch einmal gesehen hat.

Falsche Hoffnungen

Seidler und Marie treffen sich nun fast täglich; manchmal zufällig, manchmal verabreden sie sich. Sie erzählt ihm von ihrer Heimat und davon, wie sie damals Weidel kennengelernt hat. Als später der Arzt hinzukommt, teilt er den beiden seinen Entschluss mit: Er will das nächste Schiff nehmen, ob Marie ihn begleitet oder nicht. Marie fleht Seidler daraufhin an, ihr schnell zu helfen und sich für ihr Visum einzusetzen. Seidler zögert – er sähe es lieber, wenn der Arzt ohne Marie das Land verlassen würde. Tatsächlich hat dieser bald darauf alle nötigen Papiere für die Abreise beisammen und verabschiedet sich. Als er abfährt, bleibt Seidler mit Marie in deren Zimmer zurück. In Gedanken plant er bereits ihr gemeinsames Leben und will mit ihr zusammenziehen, sobald sie die erste Trauer überwunden hat. Doch daraus wird nichts: Der Arzt kehrt nach wenigen Stunden zurück. Seine Kabine ist von der Militärkommission beschlagnahmt worden, und alle Passagiere mit Kabinen mussten ihre Plätze räumen.

„Da lag sie in einer Ecke des Zimmers, als sei sie mir zugefallen als Beute in irgendeinem Kriegszug. Ich glaube, ich schämte mich damals sogar, daß sie mir allzu leicht zugefallen war, durch Würfel, nicht durch Zweikampf.“ (über Marie, S. 175)

Seidler erfährt, dass Heinz bereits abgereist ist, und erkundigt sich bei dem Portugiesen nach ihm. Er erhält die Antwort, dass sein alter Bekannter gut angekommen sei. Der Arzt hat unterdessen erfahren, dass er das nächste Schiff nach Martinique nehmen kann. Er will alles daransetzen, dass Marie ihn diesmal begleiten kann. Paul Strobel hat inzwischen für Weidel gebürgt und so Seidler ein amerikanisches Transit verschafft. In einem Café kommt Seidler mit einem Mann ins Gespräch, der ihm schon häufiger aufgefallen ist. Der Mann kommt aus dem polnisch-litauischen Grenzgebiet und hat zwar ein Transit, muss aber noch seine genaue Herkunft nachweisen. Er ist des ewigen Wartens müde und würde am liebsten einfach nach Hause zurückkehren – selbst wenn ihn dort der sichere Tod erwartet.

Das spanische Transit

Seidler bittet als Nächstes auf dem spanischen Konsulat um ein Transit. Man weist ihn ab mit dem Hinweis auf die von Weidel veröffentlichte Geschichte über die Massenerschießung. Seidler findet, dass diese Geschichte, auch wenn er sie nie gelesen hat, ein ziemlich gutes Vermächtnis ist, ein Aufbegehren gegen die Verhältnisse.

„Sie musste schon tausend Jahre an diesem Fenster gesessen haben, in kretischen und phönizischen Tagen, ein Mädchen, das vergebens nach seinem Geliebten späht unter den Heeren der Völkerschaften, doch diese tausend Jahre waren vergangen wie ein Tag.“ (über Marie, S. 210)

Er trifft den Arzt und erfährt, dass Marie es zur Bedingung ihrer Abreise gemacht hat, ihn vorher noch einmal zu sehen. Marie teilt ihm dann freudig mit, dass sie endlich ihr mexikanisches Visum hat, aber noch ein Transit braucht. Sie erzählt ihm, wie sie Weidel in Paris zurückließ, um mit dem Arzt zu fliehen. Heute ist sie an ihn gebunden, sucht aber noch immer nach Weidel, mit dem sie einst ihr ganzes Leben verbringen wollte. Seidler unterbricht sie wütend. Immerhin weiß er aus Weidels Nachlass, dass sie sich von ihm trennen wollte. Marie lässt sich aber nicht beirren. Sie glaubt nun, dass Weidel schon vor ihr in Marseille gewesen sein muss und dass er das Land bereits verlassen hat. Sie will die Suche nicht aufgeben. Seidler weiß, dass die Wahrheit irgendwann ans Licht kommen muss, und verspricht dem toten Weidel im Geist, Marie dem Arzt wegzunehmen. Doch dazu braucht er dringend ein Transit für Marie, das er ihr über verschiedene Kontakte beschaffen kann.

Visa de sortie

Seidler braucht nur noch sein Visa de Sortie – die Abfahrtserlaubnis – und sein Ticket. Bei Ersterem kann ihm eine Freundin von Nadine, Rosalie, helfen, doch für die Überfahrt fehlt ihm das Geld. Da kommt ihm der Zufall zu Hilfe: Vor der Tür der Schifffahrtsgesellschaft trifft er den Mann, der ihm vor einiger Zeit eröffnet hatte, nach Hause zurückkehren zu wollen. Der schenkt Seidler sein Ticket und gibt ihm ein bisschen Geld im Tausch gegen die Zusage, dass Seidler ihm etwas von Weidels Geld, das derzeit in Lissabon verwaltet wird, überweist, sobald er Gelegenheit dazu hat. Jetzt endlich hat Seidler alle Papiere beisammen und kann es kaum noch erwarten abzufahren – auf dem gleichen Schiff wie Marie. Er besucht sie, um sich zum Schein von ihr zu verabschieden, nur um sie dann auf dem Schiff zu überraschen. Als sie ihm aber zu verstehen gibt, dass es nicht der Arzt ist, der zwischen ihnen steht, sondern Weidel, entschließt er sich auf einmal, ihr die Wahrheit zu sagen: dass ihr Mann sich in Paris das Leben genommen hat. Doch Marie will ihm nicht glauben: Eine Frau auf der Präfektur – nämlich Rosalie, die Seidler die Abfahrtserlaubnis gegeben hat – hat ihr bestätigt, dass sie Weidel selbst gesehen habe. Seidler widerspricht ihr nicht. Ihm wird klar, dass er gegen den Toten nicht ankommt.

Seidler bleibt zurück

Seidler gibt sein Ticket zurück. Am nächsten Tag sucht er in der Stadt nach Marie, um endgültig Abschied zu nehmen. Als sich die beiden küssen, kommt der Arzt hinzu. Seidler lässt die beiden allein und denkt an Weidel, der wohl nur von ihm betrauert werden wird. Nach einem Besuch bei den Binnets schickt er Weidels Papiere inklusive des unfertigen Manuskripts an den mexikanischen Kanzler. Am gleichen Tag erreichen ihn Grüße von Heinz, der ihm seinen Dank ausspricht. Kurz darauf meldet sich Marcel Binnet: Seidler kann eine Stelle auf der Pfirsichfarm antreten. Nach einigen Wochen auf der Farm kehrt Seidler nach Marseille zurück, um die Binnets zu besuchen. Er erfährt, dass das Schiff, auf dem sich Marie und der Arzt befanden, gesunken ist. Seidler malt sich aus, dass Marie noch immer irgendwo auf der Welt auf der Suche ist.

Zum Text

Aufbau und Stil

In zehn Kapiteln entfaltet Anna Seghers die Geschichte eines Mannes, der sich Seidler nennt – sein wahrer Name bleibt unbekannt – und der erst aus einem deutschen Konzentrationslager flieht, dann aus einem französischen Arbeitslager. Er flüchtet nach Paris und schließlich nach Marseille. Die Kerngeschichte umfasst eine Zeit von einigen Monaten im Winter 1940/41, in denen sich der Protagonist entscheiden muss, ob er Frankreich verlassen will oder nicht. Schicksalhafte Begegnungen konterkarieren immer wieder seine Pläne. Strukturiert ist die Geschichte als Bericht: Ein Icherzähler berichtet einem nicht näher beschriebenen Fremden in einem Restaurant von seinen Erlebnissen. So wirkt es, als wende er sich direkt an den Leser. Mit seinen punktgenauen Metaphern (aus dem Hakenkreuz wird eine „schwarze, vierarmige Riesenkrabbe“), seinen kühlen Beobachtungen und einer schlichten, natürlichen Sprache wirkt der Roman äußerst eindringlich.

Interpretationsansätze

  • Die Darstellung des eintönigen Alltags der Hauptfigur hat etwas Verstörendes: Selbst mitten im Grauen des Krieges und der Flucht kann so etwas wie Langeweile einkehren – eine tödliche Langeweile, die den Flüchtlingen die Hoffnung raubt.
  • Im Roman gibt es viele offensichtliche Parallelen zu Anna Seghers’ Leben: Sie musste vor den Nazis zunächst aus Deutschland, später aus Paris fliehen und suchte den Neuanfang in Mexiko. Ihr Mann war in einem KZ inhaftiert, ihre Schriftstellerkollegen Walter Benjamin und Ernst Weiß begingen auf der Flucht Selbstmord. Der Rückgriff auf wahre Geschehnisse entsprang Seghers’ Streben nach einer realistischen Erzählweise.
  • Dennoch greift es zu kurz, wenn man den Roman ausschließlich autobiografisch deuten will: Die äußeren Gegebenheiten können auch als Rahmen für den existenziellen Konflikt der Hauptfigur gelesen werden. Diese droht in der Zwischenwelt der Flucht ihre Identität zu verlieren und gewinnt sie nur durch die Begegnung und den Austausch mit anderen zurück. Der Titel Transit in all seinen Lesarten greift dieses Grundthema auf: Die Zeit, während der der Roman spielt, ist eine Übergangsphase, in der die Menschen erst wieder lernen müssen, den Egoismus zu überwinden und Solidarität mit anderen zu zeigen.
  • Ein oft wiederkehrendes Thema ist das Selbstverständnis des Schriftstellers, der zwischen dem Bedürfnis, seine Geschichte zu teilen, und seinem schlechten Gewissen –weil er aus erlebtem Schrecken Anekdoten macht – schwankt. In diesen Konflikt spielt der Drang hinein, eingreifen zu müssen, wenn auch nur mit einem Bericht oder einer Geschichte: „Heißt das nicht auch, etwas für sein Volk tun?“, fragt sich der Protagonist im Hinblick auf Weidels Darstellung der Massenerschießungen in Spanien.
  • Das Abwägen zwischen realistischer Darstellung und künstlerischer Gestaltung war unter Seghers’ Autorenkollegen ein zentrales Thema. Seghers definierte ihre Herangehensweise so: „Diese Realität der Krisenzeit, der Krieg usw. muss (…) erstens ertragen, es muss ihr ins Auge gesehen werden und zweitens muss sie gestaltet werden.“ Sie nahm sich für ihren Roman literarische Freiheiten: So finden sich in Transit fast surreale Elemente, zum Beispiel die Leichtigkeit, mit der die Hauptfigur an Papiere kommt.

Historischer Hintergrund

Frankreich in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs

Nach dem Angriff Deutschlands auf Polen erklärten Frankreich und Großbritannien Deutschland am 3. September 1939 den Krieg. Französische Truppen drangen ins Saarland vor und zwangen die Wehrmacht, sich hinter den stark befestigten Westwall zurückzuziehen. Adolf Hitlers Pläne, eine große Offensive gegen die westlichen Nachbarländer durchzuführen, wurden immer wieder auf Eis gelegt. Nach dem Einmarsch in Polen und der Besetzung Dänemarks und Norwegens richteten sich die deutschen Truppen im Frühjahr 1940 wieder nach Westen.

Am 10. Mai begann ein umfangreicher Feldzug gegen die Niederlande, Belgien und Frankreich. Rotterdam wurde schon wenige Tage später zur Kapitulation gezwungen. Die Deutschen überquerten die von den Franzosen für unüberwindlich gehaltenen Ardennen und erreichten die Somme. Die englischen Streitkräfte wurden derweil nach Dünkirchen zurückgedrängt, von wo aus sie über den Ärmelkanal nach Großbritannien evakuiert wurden, bevor die Deutschen die Stadt einnahmen. Am 14. Juni erreichte die Wehrmacht Paris und besetzte die Stadt, ohne auf Gegenwehr zu stoßen. Das französische Kabinett unter Marschall Pétain bat um einen Waffenstillstand.

Während sich unter Charles de Gaulle, der sich zu dieser Zeit in London aufhielt, der Widerstand formierte, unterzeichneten Frankreich und Deutschland am 22. Juni den Waffenstillstand – ganz Nordwestfrankreich fiel an Deutschland. Der Süden blieb in französischer Hand und wurde unter Pétain von Vichy aus regiert. Die Kriegshandlungen verlagerten sich nach Großbritannien, Afrika und auf den Balkan. Der sogenannte Blitzkrieg hatte wenig mehr als sechs Wochen gedauert und etwa 180 000 Todesopfer gefordert. Tausende flohen aus dem Norden ins „Vichy-Frankreich“ und versuchten, zum Beispiel über Marseille, per Schiff das Land zu verlassen. 1942 nahm Deutschland auch die bisher unbesetzten Teile Frankreichs ein.

Entstehung

Anna Seghers floh 1933 vor den Nazis nach Paris. Als die Wehrmacht Frankreich besetzte, emigrierte sie mit ihrer Familie nach Mexiko. Mit der Arbeit an Transit begann sie im März 1941 in Marseille, wo sie sich etwa drei Monate aufhielt. Ihr damals 15-jähriger Sohn bestätigte später, dass auch Seghers’ Familie sich lange um Papiere für die Überfahrt nach Mexiko bemühen musste. Wie der Protagonist in Transit musste auch Seghers auf verschiedenen Konsulaten ihre Identität nachweisen, da viele ihrer Papiere auf ihren Künstlernamen ausgestellt waren. Über den Winter 1940/41 schrieb sie später: „Ich hab das Gefühl, ich wäre ein Jahr lang tot gewesen.“

Im Gegensatz zu anderen, meist dokumentarischen Werken dieser Zeit, etwas Lisa Fittkos Mein Weg über die Pyrenäen oder Exil in Frankreich von Alfred Kantorowicz, entschied sich Anna Seghers zu einer Verarbeitung ihrer Erlebnisse in Form einer fiktionalen Erzählung. Ihrer Überzeugung nach durfte antifaschistische Literatur durchaus frei mit Stilmitteln und Gestaltungselementen umgehen, wenn sie nur die richtige Wirkung erzielte. In der sogenannten Realismusdebatte der späten 30er-Jahre setzte sie sich mit dieser Haltung unter anderem von der Theorie des Ungarn Georg Lukács ab. Ihre ganz eigene Mischung aus realen Begebenheiten und literarisch verfremdeten Episoden zeigte die Autorin schon in den Prosasammlungen Reise ins elfte Reich (1939) und Die drei Bäume (1940), während in der Erzählung Das Obdach (1941) wahre Erlebnisse im Mittelpunkt stehen.

Wirkungsgeschichte

Transit erschien zunächst 1944 auf Englisch und 1945 auf Spanisch. Erst 1948 kam die deutsche Buchausgabe auf den Markt. Von Anfang an gab der vielschichtige Roman den Kritikern und Lesern Anlass zu ganz verschiedenartigen Interpretationen. Die Autorin Christa Wolf sagte über den Roman: „Transit gehört zu den Büchern, die in mein Leben eingreifen, an denen mein Leben weiterschreibt, so daß ich sie alle paar Jahre zur Hand nehmen muß, um zu sehen, was inzwischen mit mir und mit ihnen passiert ist.“ Anna Seghers selbst hielt sich zu den verschiedenen Deutungen bedeckt und stachelte die Diskussion damit zusätzlich an.

Der Roman wurde vor allem in den 70er- und 80er-Jahren viel rezipiert. Er gilt bis heute als eines der wichtigsten Werke der deutschen Exilliteratur. Ein besonderes Verdienst des Romans ist die Darstellung der im öffentlichen Gedächtnis wenig bekannten Hilfsbereitschaft des mexikanischen Konsulats: Das Land nahm 40 000 Flüchtlinge auf.

Über die Autorin

Anna Seghers wird am 19. November 1900 in Mainz als Netty Reiling in eine großbürgerliche jüdische Familie hineingeboren. Schon als Kind schreibt sie Geschichten. Später studiert sie Kunstgeschichte, Sinologie und Geschichte in Heidelberg und Köln. 1924 promoviert sie in Heidelberg zum Thema Jude und Judentum im Werk Rembrandts. 1925 heiratet sie den ungarischen Soziologen und Kommunisten László Radványi und zieht mit ihm nach Berlin. 1926 und 1928 werden ihr Sohn bzw. ihre Tochter geboren. 1928 erscheint – unter dem Pseudonym Anna Seghers – auch ihr erstes Buch, Aufstand der Fischer von St. Barbara, und sie wird Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Als Kommunistin und als Jüdin doppelt von den Nationalsozialisten bedroht, flieht sie 1933 mit ihrer Familie nach Paris. Dort ist sie literarisch äußerst produktiv und zugleich politisch im antifaschistischen Widerstand engagiert. Sie veröffentlicht die Romane Der Kopflohn (1933), Der Weg durch den Februar (1935) und Die Rettung (1937) und verfasst in dieser Zeit Das siebte Kreuz (publiziert 1942). Als auch Frankreich zu weiten Teilen von den Nazis besetzt ist, flüchtet Seghers 1941 in letzter Minute mit ihrer Familie nach Mexiko. Ihr Mann ist zuvor bereits in einem französischen KZ inhaftiert gewesen, Seghers hat aber seine Freilassung bewirken können. Ihre Mutter allerdings kann sie nicht retten; diese wird 1942 in ein Getto bei Lublin deportiert und dort ermordet. Seghers bleibt auch im mexikanischen Exil literarisch und politisch aktiv. 1943 wird sie von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Manche halten den Unfall für ein Attentat. 1947 kehrt Anna Seghers nach Deutschland zurück, im gleichen Jahr bekommt sie den Büchnerpreis für Das siebte Kreuz. 1950 entscheidet sie sich als Kommunistin für ein Leben in Ostberlin. Auch in der DDR ist sie als Schriftstellerin erfolgreich. Lange Zeit ist sie Vorsitzende des Schriftstellerverbands und ab 1950 Mitglied des Weltfriedensrats. Nach dem Tod ihres Mannes 1978 zieht sie sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Am 1. Juni 1983 stirbt sie in Berlin.

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    l. vor 5 Jahren
    Danke sehr für Ihre Zeit

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