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Über naive und sentimentalische Dichtung
Buch

Über naive und sentimentalische Dichtung

Tübingen, 1795/96
Diese Ausgabe: Reclam, 2010 Mehr

Literatur­klassiker


Worum es geht

Der Dichter und die Natur

Ob Homers Epen, Shakespeares Dramen oder Klopstocks Lyrik – manche Werke der Dichtkunst sind einfach unsterblich und sorgen auch Jahrhunderte nach ihrer Entstehung noch für Gänsehautmomente. Was macht diese Werke so einzigartig? Wie heben sie sich von der Masse literarischer Eintagsfliegen ab? Diesen Fragen geht Friedrich Schiller in seiner Abhandlung Über naive und sentimentalische Dichtung nach. Er definiert die Natur als Quelle und letztes Ziel aller Poesie und unterscheidet zwei Zugänge: den direkten der Nachahmung, der dem naiven Dichter offensteht, und den reflektierten der Idealisierung, den der sentimentalische Dichter wählen muss, weil er den unmittelbaren Kontakt zur Natur verloren hat. Beide Dichtertypen müssen einen zutiefst moralischen Charakter und ein offenes Herz mitbringen, um wahre Kunst erschaffen zu können. Schillers Ausführungen sind nicht frei von Widersprüchen. Doch wegen seiner ungeheuren Belesenheit, seiner stilistischen Meisterschaft und seines Gefühls für psychologische Details ist die Schrift auch heute noch lesenswert und ermöglicht mitunter einen ganz neuen Blick auf die großen Werke der Weltliteratur.

Zusammenfassung

Sehnsucht nach der Natur

Der Anblick der Natur rührt uns manchmal so tief, dass die Betrachtung eher wie ein Bedürfnis wirkt als wie ein flüchtiges Interesse. Diese Art von Empfindung wird nur durch etwas Natürliches hervorgerufen und auch nur dann, wenn dieses naiv ist, das heißt, wenn es mit der Kunst in Kontrast steht. Natur ist etwas, was aus sich selbst heraus existiert und nicht, wie die Kunst, vom Menschen geschaffen wurde. Diese Unterscheidung macht unseren Naturbegriff zu einer Idee, denn nicht der reine Anblick macht diese Art von Natur aus, sondern das Wissen, dass es sich um etwas handelt, was nach eigenen Gesetzen existiert. Wir erkennen in der Natur eine Art verlorene Kindheit: In grauer Vorzeit haben die Menschen ihr angehört und nun streben sie wieder zu diesem Zustand hin. Die in sich selbst ruhende Natur mit ihrer inneren Notwendigkeit bildet einen Gegenpol zur Wechselhaftigkeit der Menschen. Um für dieses Gefühl empfänglich zu sein, muss man ein moralischer Mensch sein.

Was ist das Naive?

Kennzeichen des Naiven ist immer, dass die Natur über die Kunst triumphiert. Dabei sind zwei Formen möglich. Das Naive der Überraschung ist eine Art von...

Über den Autor

Friedrich Schiller wird am 10. November 1759 in Marbach am Neckar als Sohn eines Offiziers geboren. Auf Befehl des württembergischen Landesherrn Karl Eugen wird er in dessen Eliteschule in Stuttgart aufgenommen. Schiller behagt der militärische Drill im Internat überhaupt nicht, wenngleich die Lehrkräfte und die Ausbildung hervorragend sind. Er studiert zunächst Jura und dann Medizin. Viel stärker lockt den jungen Mann aber die Schriftstellerei. Mehr oder weniger heimlich schreibt er sein erstes Drama Die Räuber, das 1782 in Mannheim uraufgeführt wird. Als er gegen den Willen Karl Eugens die Landesgrenzen überschreitet, wird er mit Haft und Schreibverbot bestraft. Schiller entzieht sich dem Zwang durch neuerliche Flucht und setzt seine schriftstellerische Arbeit fort. Die frühen Dramen erscheinen: Die Verschwörung des Fiesko zu Genua (1783) und Kabale und Liebe (1784). Unter ständiger Geldnot leidend, zieht er 1785 zu seinem Freund und Gönner Christian Gottfried Körner nach Sachsen, wo er unter anderem die durch Beethovens Vertonung bekannt gewordene Ode An die Freude sowie den Dom Karlos (1787) schreibt. Aufgrund seiner viel beachteten Studie Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung schlägt Goethe ihn 1788 für den Lehrstuhl für Geschichte in Jena vor. Hier verfasst Schiller seine ästhetischen und historischen Schriften und heiratet 1790 Charlotte von Lengefeld. Nach seinem Umzug nach Weimar im Jahr 1799 schließt Schiller Freundschaft mit Goethe. Daraus ergibt sich eine der fruchtbarsten Dichterbekanntschaften aller Zeiten: In der Nähe Goethes beendet Schiller sein erstes klassisches Geschichtsdrama, die Wallenstein-Trilogie. Es folgen Maria Stuart und Die Jungfrau von Orleans (beide 1801), Die Braut von Messina (1803) und Wilhelm Tell (1804), aber auch ein umfangreiches lyrisches Werk. 1802 erhält er den Adelstitel. Seine schlechte körperliche Konstitution zwingt ihn immer wieder aufs Krankenlager. Am 9. Mai 1805 stirbt Schiller in Weimar.


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