John Dos Passos
USA-Trilogie
Der 42. Breitengrad / 1919 / Das große Geld
Rowohlt, 2021
Was ist drin?
Ein Roman über die Lebens- und Gefühlswelt der USA zur Zeit des Ersten Weltkriegs.
- Gesellschaftsroman
- Moderne
Worum es geht
Die vielfältige Stimme der USA
Die USA-Trilogie ist ein Mammutprojekt des US-Schriftstellers John Dos Passos und ein Höhepunkt der literarischen Moderne. In den drei Romanen nimmt Dos Passos viele Merkmale seines Erfolgsromans Manhattan Transfer wieder auf, erweitert und radikalisiert sie. Er verwebt verschiedene Erzähltechniken zu einer Collage, die das Bewusstsein und die Alltagsrealität der USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Eine Unzahl von Figuren und ihre chaotischen Lebenswege erscheinen als Teil des riesigen Organismus Amerika. Somit ist der Hauptakteur der USA-Trilogie die amerikanische Gesellschaft selbst.
Take-aways
- Die USA-Trilogie gilt als Höhepunkt des sozialen Realismus.
- Inhalt: Die USA zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Fainey McCreary tingelt von Job zu Job durch die USA. Johnny Moorehouse arbeitet sich aus ärmsten Verhältnissen zum großen Erfolg in der Werbebranche hoch. Joe Williams, ein Trunkenbold und Seemann, bereist Europa und Amerika. Mary French wird zu einer überzeugten Kämpferin für die Arbeiter. Sie alle und zahlreiche weitere Personen sind auf der Suche nach Glück und Erfolg.
- Die Trilogie besteht aus den Romanen Der 42. Breitengrad, 1919 und Das große Geld.
- Die Romane erschienen zwischen 1932 und 1936 und ab 1937 als Trilogie.
- In der USA-Trilogie unternimmt John Dos Passos eine sozial-realistische Bestandsaufnahme der Lebensrealität der USA.
- Die erzählte Zeit der Trilogie deckt die Zeit zwischen 1900 und 1930 ab.
- Historische Persönlichkeiten und Ereignisse sind in den Romanen sehr präsent.
- In den USA wie in Europa und in der Sowjetunion wurde die Trilogie mit viel Begeisterung aufgenommen.
- Für die Beziehung des Autors zur politischen Linken war die USA-Trilogie der Höhe- und zugleich der Bruchpunkt.
- Zitat: „USA, das ist ein Stück von einem Kontinent. USA, das ist eine Handvoll Beteiligungsgesellschaften, ein Häufchen Gewerkschaften, ein in Kalbleder gebundenes Gesetzbuch, ein Rundfunknetz, eine Kinokette, ein paar auf einer Tafel notierte Börsenkurse, (…) eine öffentliche Bibliothek voll alter Zeitungen und eselsohriger Geschichtsbücher (…)“
Zusammenfassung
Der 42. Breitengrad
Fainey McCreary wächst in armen Verhältnissen in Midtown, Connecticut, auf. Sein Vater hat seine Arbeit verloren, und als die Mutter stirbt, flieht er mit Fainey und dessen Schwester nach Chicago, weil er die Bestattungskosten nicht bezahlen kann. Faineys Onkel, Tim O’Hara, nimmt sie bei sich auf. Er ist Trinker und überzeugter Sozialist – und er besitzt eine Akzidenzdruckerei, in der Fainey arbeitet. Weil Onkel Tim die Gewerkschaften unterstützt, machen ihn die Konkurrenten gemeinsam fertig. Als seine Schulzeit vorbei ist, schließt sich Fainey Doc Bingham an, einem redegewandten Verleger, der durch das Land tingelt, um jedermann seine Bücher anzudrehen. Obwohl er Fainey einen Anteil von jedem verkauften Buch verspricht, sieht dieser keinen Cent. Und irgendwo unterwegs verliert Fainey auch Doc Bingham, als dieser von einem eifersüchtigen Ehemann von dessen Hof gejagt wird. Nun trampt Fainey allein durch die USA und trifft Ike Hall, der genauso sozialistisch denkt wie er. Von ihm erhält Fainey den Spitznamen „Mac“.
„USA, das ist ein Stück von einem Kontinent. USA, das ist eine Handvoll Beteiligungsgesellschaften, ein Häufchen Gewerkschaften, ein in Kalbleder gebundenes Gesetzbuch, ein Rundfunknetz, eine Kinokette, ein paar auf einer Tafel notierte Börsenkurse, (…) eine öffentliche Bibliothek voll alter Zeitungen und eselsohriger Geschichtsbücher (…)“ (S. 15)
Sie teilen das wenige Geld, das sie besitzen, und schlagen sich gemeinsam mit Gelegenheitsarbeiten durch. In Vancouver verdienen sie nicht schlecht, aber sie hauen ihr ganzes Gehalt immer auf den Kopf. Nachdem sie in Seattle von zwei attraktiven Frauen betrunken gemacht und ausgenommen worden sind, trennen sich die Wege von Ike und Fainey – wenn auch unfreiwillig: Sie wollen auf einen fahrenden Güterzug aufspringen, doch nur Ike schafft es. So muss Fainey sich wieder allein durchschlagen. In San Francisco lernt er Maisie Spencer kennen. Nachdem er damit gescheitert ist, in Nevada eine sozialistische Zeitung aufzubauen, zieht er mit Maisie nach San Diego und arbeitet als Drucker. Sie bekommen eine Tochter namens Rosie. Doch ständige Geldsorgen führen immer wieder zu Streitereien. Eines Tages reicht es Fainey und er verlässt Maisie, um mit einem Kumpel nach Mexiko zu reisen, wo angeblich die Revolution kurz bevorsteht. In Mexiko lernt Mac Concha kennen und lebt mit ihr zusammen. Er arbeitet beim Mexican Herald und fiebert der Revolution entgegen. Ab und an schickt er Geld und Spielsachen für Rosie nach Hause. Schließlich können er und Concha sogar einen eigenen Büro- und Schreibwarenladen betreiben. Das Geschäft läuft gut und Fainey ist zufrieden. Doch dann stehen die revolutionären Zapatistas vor der Stadt. Es heißt, sie würden alle töten. Durch Beziehungen schaffen es Fainey und Concha, mit einem der letzten Züge zu fliehen. Sie lassen sich in Vera Cruz nieder.
Johnny Ward Moorehouse wächst in dem kleinen Kaff Wilmington in Delaware auf. Als sein Vater seinen Job verliert, muss Johnny sein Studium abbrechen und in der Immobilienbranche schuften. Er glaubt daran, durch Fleiß und harte Arbeit den großen Erfolg zu erreichen. Seine erste Ehe mit Annabelle Stang steht unter keinem guten Stern. Sie stammt aus viel besseren Kreisen als Johnny und ist oft fahrig und unberechenbar. Außerdem hat Johnny schon vor ihrer Hochzeit erfahren, dass sie ihn betrogen hat. Die Hochzeitsreise führt das junge Ehepaar nach Europa. Die Künstler und Bohemiens in Paris gefallen Johnny gar nicht. Sie sind in seinen Augen faule Nichtsnutze. Zurück in New York lässt Johnny sich bald scheiden, als Annabelles nächste Affäre auffliegt.
„Du hast dich eindeutig verbessert‘, sagte Annabelle Marie mehrmals. Ward spürte, dass sie die Scheidung ein wenig bereute, was er für sich selbst nicht behaupten konnte. Die Falten in ihrem Gesicht waren tiefer (…) und ihre Stimme war so schrill wie die eines Papageis.“ (S. 299)
Er arbeitet hart, und als er Annabelle einige Jahre später wieder trifft, haben sich ihre beiden Lebenswege unterschiedlich entwickelt: Sie wirkt unglücklich, ihre zweite Ehe ist gerade gescheitert. Johnny dagegen ist glücklich – und erfolgreich. In der Werbebranche hat er es zu Geld und Ansehen gebracht. Außerdem ist er glücklich mit Gertrud Staple verheiratet, die genug Kapital in die Ehe gebracht hat, um Johnnys eigene Werbeagentur zu finanzieren.
1919
Der ehemalige US-Marine Joe Williams ist in Mexiko gestrandet, ohne Job. Sein letztes Geld gibt er für einen gefälschten Matrosenbrief aus, mit dem er auf der „Argyle“ anheuern kann. Doch der Kapitän, ein Schotte, mag ihn nicht, und als er Joe zum Heizer degradieren will und Joe sich weigert, lässt er ihn kurzerhand in Ketten legen und in Großbritannien an die Polizei übergeben. Es ist gerade Krieg und Joe wird verdächtigt, ein deutscher Spion zu sein. Nach unangenehmen Durchsuchungen, brutalen Befragungen und Drohungen holt ihn schließlich der amerikanische Konsul aus dem Gefängnis. Joe kommt mit einer Geldstrafe davon und muss Großbritannien wieder verlassen. Kurz vor seiner Ausreise verliebt er sich in eine Frau namens Della. Er segelt zurück nach Amerika, bleibt einige Zeit in New York und als das Geld knapp wird, fährt er wieder zur See. Sein Schiff wird von einem U-Boot versenkt und die Mannschaft von einem britischen Aufklärer gerettet. So landet Joe erneut in Großbritannien. Er findet Della in Norfolk und die beiden heiraten. Della hat aber riesige Angst davor, ein Kind zu bekommen, und lehnt es deshalb ab, mit Joe zu schlafen. Als die USA in den Krieg eintreten, liegt Joe mit Denguefieber im Krankenhaus. So hat er bei seiner Entlassung aus dem Spital noch keine Bescheinigung seiner Wehrdienstbefreiung – und wird prompt als Kriegsdienstverweigerer verdächtigt und vorübergehend festgenommen. Nachdem er es geschafft hat, entlassen zu werden, fährt er wieder zur See, bis es ihn erneut nach Norfolk verschlägt, wo Della ihn zunächst freudig empfängt. Doch schnell muss Joe feststellen, dass sie mit anderen Männern ausgeht. Er kehrt in die USA zurück. Am Tag des Kriegsendes sucht er im allgemeinen Freudentaumel eine Freundin auf, findet sie aber mit einem anderen Soldaten tanzend. Aus Eifersucht zettelt er eine Schlägerei an und wird mit einer Glasflasche niedergestreckt.
Eveline Hutchins ist ein wohlbehütetes und verträumtes Mädchen mit einem Talent für Malerei. Als sie nach einer einjährigen Europareise mit ihrer Familie in die USA zurückkehrt, verliebt sie sich in Dirk McArthur. Keiner von beiden hat Lust auf Heirat. Sie wollen frei bleiben. Doch als Dirk immer mehr trinkt und anderen Mädchen hinterherläuft, verlässt Eveline ihn. Finanziert von ihrem Vater eröffnet sie ein Geschäft für Innendekoration in Chicago. Der Erfolg ist mäßig. Sie beginnt eine Affäre mit Freddy Seargeant. Gemeinsam wollen sie in die Theaterbranche einsteigen und Kostüme entwerfen, doch das Ballett, das Freddy in New York zusammenstellt, hebt nicht ab. Während des Krieges meldet sich Eveline freiwillig beim Roten Kreuz. In Paris zieht sie zu ihrer Schwester und lässt sich treiben. Die Stadt ist voller Amerikaner, immer wieder trifft sie auf alte Bekannte und beginnt eine Reihe von Affären. Schließlich wird sie von einem jungen Soldaten namens Paul Johnson schwanger und entschließt sich, das Kind zu behalten. Sie und Paul heiraten.
„Wenn ich doch bloß so abgebrüht wäre, dass mir alles egal ist. Wenn die Geschichte über uns hinwegtrampelt, ist keine Zeit für schöne Gefühle.“ (Richard E. Savage, S. 967)
Richard Ellsworth Savage wächst bei seiner Mutter und einer Tante an der Ostküste auf. An seinen Vater kann er sich kaum erinnern. Doch eines Tages steht dieser vor ihrer Tür und löst damit bei Mutter und Tante eine Nervenkrise aus. Schon am nächsten Tag ist er wieder verschwunden, ausgereist nach Kuba. Während der Schulferien fängt Richard an, regelmäßig zu arbeiten, und beginnt eine Affäre mit der Ehefrau eines Priesters. Als deren Ehe wieder besser läuft und sie ein Kind von ihrem Mann erwartet, hört sie auf, sich mit Richard zu treffen. Der geht zum Studium nach Cambridge, engagiert sich im Wahlkampf für Präsident Wilson und veröffentlicht Gedichte. Als der Weltkrieg ausbricht, meldet er sich freiwillig zum Sanitätsdienst. Das Leben in Europa gefällt ihm sehr, und als er nach Kriegsende die Möglichkeit hat, von der Friedenskonferenz zu berichten, nimmt er sofort an, um nicht in die USA zurückzumüssen. Er kommt herum, reist nach Paris, Rom, Wien und Warschau. Als seine Geliebte Anne Elisabeth von ihm schwanger wird, verlangt Richard, dass sie ihr Kind abtreibt. Er will sein Reiseleben nicht aufgeben. Schließlich verlässt er Anne Elisabeth, die kurz darauf bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt.
Das große Geld
Leutnant Charley Anderson hat als Flieger am Krieg teilgenommen, einige Auszeichnungen erhalten und ist als Held in die USA zurückgekehrt. Nun muss er sich wieder einen Job suchen. Nachdem er in New York bei einem Empfang Doris Humphries kennengelernt hat, reist er weiter nach St. Paul, zu seiner Familie. Seine Mutter ist schwer krank und Charley wohnt bei seinem Bruder Jim, der eine Ford-Werkstatt besitzt und Charley bei sich arbeiten lässt. Als die Mutter stirbt, kommt es zum Streit. Jim ist als Testamentsvollstrecker eingesetzt und will, dass Charley ihm eine Vollmacht über seinen Anteil ausstellt, damit er diesen in die Werkstatt stecken kann. Doch Charley besteht darauf, seinen Anteil ausgezahlt zu bekommen. Er hat eigene Pläne, will in die Flugzeugmotoren-Branche einsteigen. Charley bekommt sein Geld und geht nach New York. Dort hat er kaum Kontakte. Er besucht oft das Ehepaar Paul und Eveline Johnson, das er auf seiner Rückreise in die Staaten kennengelernt hat. Als Eveline ihm schöne Augen macht, steigt er zuerst darauf ein, lässt sie aber fallen, als sie ihn heiraten will. Stattdessen nimmt er seine Beziehung zu Doris wieder auf. Mit Joe Askew gründet er ein Unternehmen für Flugzeugmotoren. Während das Geschäft immer besser läuft, verschlechtert sich die Beziehung zu Joe immer mehr. Es kommt oft zu Streit, Charley trinkt. Als er von dem Unternehmen Trent aus Detroit umworben wird, lehnt er zunächst ab, weil Doris nicht umziehen will. Doch als sie ihn kurz darauf verlässt, wechselt er doch nach Detroit. Hier läuft alles zu seinen Gunsten. Er heiratet Gladys Wheatley, eine Tochter reicher Eltern, und verdient immer besser. Das Blatt wendet sich jedoch, als Charley bei einem Flugzeugabsturz schwer verletzt wird. Er muss lange im Krankenhaus bleiben. Danach entfremdet er sich immer mehr von Gladys. Zu der Zeit, als sie ihre Scheidung einreicht, geht auch, völlig unerwartet, Trent bankrott. Charley zieht sich nach Florida zurück. Er trinkt nun unentwegt, denkt über wilde neue Geschäftsideen nach. Eines Nachts rast er mit seinem Auto betrunken in einen fahrenden Zug. Er überlebt den Unfall zwar knapp, stirbt aber bald darauf, ohne das Krankenhaus verlassen zu haben.
Der Vater von Mary French ist ein engagierter Arzt, der oft bis lange nach Feierabend im Einsatz ist, um die Bergarbeiter in seiner Stadt zu versorgen. Auf seine eigene Gesundheit nimmt er keine Rücksicht. Mit Marys Mutter hat er deshalb oft Streit. Schließlich reicht sie die Scheidung ein. Mary bemitleidet und bewundert ihren Vater. Eine Zeit lang hilft sie ihm in seiner Praxis. Doch er trinkt viel und stirbt viel zu früh. Mary ist eine kluge, ernste und tüchtige Frau. Von ihrem Vater hat sie die Ader für Mitgefühl und soziales Engagement geerbt. Das Collegestudium bricht sie ab, um zunächst als Sozialarbeiterin und dann als Reporterin zu arbeiten. Aber weil sie einen Artikel über die Gewerkschaften nicht kritisch genug schreibt, wird sie kurzerhand entlassen.
„Tja, junges Fräulein, (…) da haben Sie einen erstklassigen Propagandaartikel für die Nation oder sonst ein salonkommunistisches Blatt in New York geschrieben, aber was zum Teufel glauben Sie denn, was wir damit anfangen können? Wir sind hier in Pittsburgh.“ (Redakteur zu Mary French, S. 1132)
Sie heuert im Pressebüro der Eisen- und Stahlarbeitergewerkschaft an, dann arbeitet sie als Sekretärin für den sozialistischen Politiker G. H. Barrow. Als sich herausstellt, dass er gar nicht wirklich die Sache der Arbeiter vertritt, ist sie enttäuscht. Sie ist von ihm schwanger, lässt das Ungeborene aber abtreiben und trennt sich von ihm. Danach engagiert sie sich in der kommunistischen Partei und wird zu einer angesehenen Organisatorin von Protesten.
Margo Dowling hat früh ihre Eltern verloren. Sie lebt bei ihrer Stiefmutter Agnes, die die beste Freundin ihrer Mutter war, und deren Mann. Er führt eine Varietétruppe und bringt ihr das Schauspielen bei. Ihre Beziehung endet, als er sich aus heiterem Himmel an ihr vergeht. Mit 16 heiratet sie den Kubaner Tony Garrido und flieht mit ihm nach Havanna. Die Aussichten, die Tony über das Leben als Musiker in Kuba gezeichnet hat, entpuppen sich rasch als Lügen. Margo lebt wie im Gefängnis, Tony ist den ganzen Tag unterwegs. Schließlich flieht sie zurück in die Staaten. In Florida lernt sie den reichen Trunkenbold Charley Anderson kennen. Mit ihm hat sie es ganz gut – wenn ihr nicht immer wieder der schwer kranke Tony über den Weg laufen würde, um Geld zu schnorren. Als Charley überraschend früh stirbt, geht Margo zusammen mit Agnes und Tony nach Hollywood, um dort eine Karriere als Schauspielerin aufzubauen.
Zum Text
Aufbau und Stil
Die USA-Trilogie fasst drei etwa gleich lange Romane zusammen. Sie erschienen in relativ kurzer Abfolge und teilen weitgehend denselben Stil und Aufbau. Jeder der Romane besteht aus vier Textarten, die sich beständig abwechseln: Neben dem eigentlichen fiktiven Handlungsstrang gibt es eine Rubrik mit dem Titel „Wochenschau“, Abschnitte mit dem Titel „Das Auge der Kamera“ sowie Kurzbiografien von wichtigen historischen Persönlichkeiten. Die fiktive Handlung nimmt den größten Teil der Romane ein und beschreibt die Lebensläufe von zwölf Hauptfiguren und zahlreichen Nebenfiguren und ihre Suche nach Erfolg in Beruf wie Partnerschaft. Die 68 Abschnitte der Rubrik „Wochenschau“ sind fortlaufend nummeriert und aus Zeitungsartikeln oder Liedtexten zusammengestellt. Die Abschnitte der Rubrik „Das Auge der Kamera“ sind der kontroverseste Teil der USA-Trilogie. Hier übernimmt Dos Passos die avantgardistischen Sprachexperimente von James Joyce, besonders die Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms. Der Gegenstand dieser Serie ist eine künstlerisch verfremdete Autobiografie von Dos Passos. Die übrigen Kurzbiografien stellen historische Persönlichkeiten, meist des politischen Lebens, vor. Einige von ihnen, wie Präsident Wilson oder Henry Ford, sind heute noch bekannt, andere sind heutigen Lesern wohl kein Begriff mehr. Die erzählte Zeit der Trilogie deckt in etwa die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts ab.
Interpretationsansätze
- Wie schon in seinem Hauptwerk Manhattan Transfer stellt sich Dos Passos mit der USA-Trilogie in die Tradition des sozialen Realismus. Er versucht, die Lebenswirklichkeit und Sprechweise unterschiedlicher sozialer Schichten so authentisch wie möglich wiederzugeben.
- Dos Passos erweitert die Grenzen der Literatur durch den starken Einbezug von Zeitgeschichte. In den „Wochenschau“-Abschnitten collagiert er Originaltexte aus US-amerikanischen Zeitungen. Zugleich ist die eigentliche Romanhandlung in geschichtliche Ereignisse, Persönlichkeiten und Orte eingebettet.
- Die Hauptfigur sind die USA selbst. Dos Passos geht es weniger darum, die einzelnen Handelnden für sich zur Geltung kommen zu lassen, als darum, sie als Teil eines riesigen sozialen Mosaiks erscheinen zu lassen, als Ausdruck und Teil der USA.
- Die USA-Trilogie wurde als politische, linke Literatur gelesen. Tatsächlich engagierte sich John Dos Passos zur Zeit der Veröffentlichung stark für die US-amerikanische Linke und wurde von Marxisten sogar als Vorreiter der proletarischen Revolution in Amerika gesehen.
- Im Zentrum der Romane steht ein starker Individualismus. John Dos Passos untersucht, wie der Einzelne bewusst in die Gesellschaft eingreifen und sie verändern kann, aber auch, welche sozialen Kräfte das individuelle Handeln bestimmen und einschränken.
Historischer Hintergrund
Die kulturelle Wende der Moderne
Nach der apokalyptischen Erfahrung des Ersten Weltkriegs kam es in der Kunst zu einer weitgehenden Abkehr von den radikalen Formexperimenten der frühen Moderne. In den 1920er- und 1930er-Jahren fand eine Rückbesinnung auf Naturalismus und Realismus statt. Diese Veränderung wurde oft als „kulturelle Wende“ bezeichnet und spiegelt sich besonders stark in der Literatur wider. Das Zentrum dieser kulturellen Wende waren die USA. Viele Autoren wandten sich der Schilderung des Alltagslebens zu oder fragten sich, was Amerika als Lebensgefühl, als politisches Ideal oder als Kulturtradition bedeuten mochte. Dass Künstler und Intellektuelle sich der Gesellschaft wieder zuwandten, bedeutete auch einen inhaltlichen Bruch mit der frühen Avantgarde. An die Stelle der weltabgewandten Beschäftigung mit Sprache und Form traten nun eine offene Politisierung und intellektuelles Engagement. Eine Wende, für die John Dos Passos sicherlich eines der besten Beispiele darstellt. Diese Entwicklung wurde verstärkt durch die gesellschaftlichen Krisenerfahrungen, die dem Fortschrittsoptimismus der Frühmoderne ein Ende setzten. Die sozialen und kulturellen Veränderungen durch die Moderne wurden immer kritischer beurteilt. In Deutschland und Italien, aber auch in der Sowjetunion, bildeten sich offen antimoderne politische Strömungen. Soziale Spannungen infolge der Industrialisierung, wirtschaftliche Krisen und die politische Dauerkrise der Demokratie trugen dazu bei, dass die Nachkriegszeit als Zeit enormer persönlicher und sozialer Unsicherheit wahrgenommen wurde.
Entstehung
In den Jahren um 1930 erreichte der politische Aktivismus von John Dos Passos seinen Höhepunkt. Er schrieb regelmäßig für das linke Magazin New Masses, arbeitete für eine experimentelle Theatergruppe, die revolutionäres Gedankengut unter die Massen bringen wollte, und nahm immer wieder zum politischen Tagesgeschehen Stellung. Ein Schlüsselerlebnis in dieser Zeit war für Dos Passos der Prozess und die Hinrichtung von Ferdinando Sacco und Bartolomeo Vanzetti 1927 in Massachusetts. Dos Passos dokumentierte ihren Prozess für New Masses und beurteilte ihn als Justizskandal und Bankrotterklärung einer unabhängigen Rechtsprechung. Sacco und Vanzetti seien unschuldig und nur deshalb verurteilt worden, weil sie italienische Einwanderer und Anarchisten waren. Ihr Prozess sorgte weltweit für Aufsehen und Empörung. Für das Verteidigungskomitee der beiden Angeklagten verfasste Dos Passos 1927 das Pamphlet Facing the Chair. In ihm beschreibt er die historische Tragweite des Fehlurteils: Es symbolisiere die Spaltung der USA in zwei Nationen.
Diese Spaltung wurde auch zu einem Hauptmotiv des komplexen Romanprojekts, das Dos Passos zu dieser Zeit begann. Ziel war es, die US-amerikanische Gesellschaft zu analysieren und zu entdecken, woran sie krankte. Im Februar 1930 erschien der erste Teil dieses Mammutprojekts: Der 42. Breitengrad. Wie schon vor der Veröffentlichung von Manhattan Transfer, seinem Durchbruchsroman von 1925, musste Dos Passos lange mit seinen Verlegern ringen, weil sie die derbe Sprache seiner Dialoge zensieren wollten. Mit dem Erfolg von Manhattan Transfer im Rücken gelang es ihm diesmal, die meisten Streichungen abzuwehren. Auch die Streichung der bei den Verlegern unbeliebten Wochenschau-Abschnitte für die englische Ausgabe konnte Dos Passos abwenden. Im März 1932 folgte der Roman 1919. 1936 schloss Das große Geld die USA-Trilogie ab.
Wirkungsgeschichte
Alle drei Romane der USA-Trilogie wurden begeistert aufgenommen. Der 42. Breitengrad wurde noch im Jahr seines Erscheinens in den USA auch in Großbritannien veröffentlicht und in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. Das zeigt, wie groß das Interesse in Europa an literarischen Experimenten, aber auch an radikalen politischen Inhalten war. Die höchste Nachfrage erfuhr der Roman in Spanien und Russland. Einigen Kritikern missfiel der Impressionismus der Abschnitte „Das Auge der Kamera“ und das Fehlen eines roten Fadens oder eines schlüssigen Resultats der Romane. Andere, vor allem linke Rezensenten, lobten den Roman dagegen über die Maßen. Der Realismus in der Darstellung des amerikanischen Alltagslebens habe im Vergleich zu Manhattan Transfer sogar noch zugenommen, Dos Passos sei der einzige Schriftsteller seiner Generation, der sich nicht davor scheue, Gesellschaft und Politik zu thematisieren.
Auch 1919 erhielt exzellente Kritiken und wurde als „Meilenstein der amerikanischen Literatur“ bezeichnet. Der Roman markierte den Höhepunkt der Beliebtheit von John Dos Passos in der politischen Linken. Sogar von offiziellen Stellen Sowjetrusslands kamen Lob und Anerkennung für seine Arbeit. Sie sahen in ihm den Vorkämpfer für eine sozialistische Revolution in den USA. Die Begeisterung der Kommunistischen Partei kühlte jedoch bald ab: 1919 war der letzte Roman von Dos Passos, der in Russland erscheinen durfte.
Das große Geld war eine herbe Enttäuschung für die Linke. Beim Rest der Kritiker war die Begeisterung dagegen ungebrochen. In derselben Woche, als Das große Geld erschien, zierte Dos Passos das Titelblatt des Time-Magazins, wo er mit Größen wie Leo Tolstoi, Honoré de Balzac oder James Joyce verglichen wurde. 1937 erschien die Gesamtausgabe der USA-Trilogie bei Harcourt Brace. Auch diesmal überwog die positive Rezeption deutlich die kritischen Stimmen. 1960 adaptierte Dos Passos die Trilogie mit Paul Shyre für das Theater. Heute gilt die Trilogie als Paradebeispiel einer linken Moderne und als ein Höhepunkt des Werks von John Dos Passos.
Über den Autor
John Roderigo Dos Passos wird am 14. Januar 1896 in Chicago geboren. Er wächst in einem gutbürgerlichen Haushalt auf und studiert in Harvard. Ab 1916 nimmt er als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil – als Krankenwagenfahrer. Seine Kriegserfahrung verarbeitet er in seinen ersten beiden Romanen: One Man’s Initiation (1917) und Drei Soldaten (Three Soldiers). Letzterer löst eine landesweite Debatte über die amerikanische Militärkultur aus und macht Dos Passos über Nacht berühmt. Seinen Ersterfolg bestätigt Dos Passos 1925 mit dem Roman Manhattan Transfer, der als Klassiker der Großstadtliteratur in die Literaturgeschichte eingeht. Dos Passos reist viel und etabliert sich als politischer Schriftsteller. Er schreibt für linke Magazine und Theater, reist in die Sowjetunion, wahrt aber Distanz zur Linie der Kommunistischen Partei. Zwischen 1930 und 1936 erscheint Dos Passos’ USA-Trilogie, die den Höhepunkt seiner Laufbahn markiert. Zu dieser Zeit ziert er das Time-Cover. Mit Ernest Hemingway geht er nach Spanien, um dort den Bürgerkrieg filmisch zu dokumentieren. Doch die Ermordung seines Freundes José Robles – vermutlich durch sowjetische Agenten – führt zum Bruch mit Hemingway und der sozialistischen Linken. Fortan wendet er sich der amerikanischen Demokratietradition zu, verfasst Biografien über Thomas Jefferson oder Romane wie The Chosen Country. Seine Bücher der 1950er- und 1960er-Jahre werden aber großteils verrissen. Einzig Dos Passos’ Großprojekt Jahrhundertmitte (Midcentury) von 1961 findet Anklang und wird als Comeback gefeiert. Dos Passos veröffentlicht über 40 Bücher, darunter Lyrik, historische und biografische Werke sowie politische Traktate und Reiseberichte. Er stirbt am 28. September 1970 in Baltimore.
Meine markierten Stellen
Hat Ihnen die Zusammenfassung gefallen?
Buch oder Hörbuch kaufenDiese Zusammenfassung eines Literaturklassikers wurde von getAbstract mit Ihnen geteilt.
Wir finden, bewerten und fassen relevantes Wissen zusammen und helfen Menschen so, beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen.
Sind Sie bereits Kunde? Melden Sie sich hier an.
Kommentar abgeben