Vater Goriot
- Gesellschaftsroman
- Realismus
Worum es geht
Nur das Geld zählt
Die nachnapoleonische Gesellschaft ist längst untergegangen, aber Balzacs kritischen Zeitroman Vater Goriot liest man noch heute mit großer Spannung und Anteilnahme. Das liegt zum einen an der Dramatik der Handlung und den intelligent-pointierten Beobachtungen, zum anderen aber auch daran, dass viele der zwischenmenschlichen und sozialen Mechanismen, die das Buch vorführt, nach wie vor gebräuchlich sind. Der Roman verschränkt zwei gegenläufige Lebensgeschichten: Der Student Rastignac möchte am Luxus der besseren Kreise teilhaben und beginnt deshalb eine Liaison mit der unglücklich verheirateten Baronin Nucingen. Der Vater dieser Baronin, Goriot, wohnt mit Rastignac unter einem Dach, in derselben ärmlichen Pension. Der alte Goriot hat fast sein gesamtes Vermögen in die Mitgift seiner zwei Töchter investiert und stirbt verarmt und allein, weil für die Töchter nur sein Geld zählt. Balzacs Schilderung menschlicher Niedrigkeiten und Nöte zeigt, was verloren geht, wenn die Gier nach Geld in den Herzen überhandnimmt. Der Roman ist leidenschaftlich geschrieben, aber nüchtern in der Diagnose: Der Mensch, ob arm oder reich, ist leicht verführbar, und dabei kommt ihm die Moral abhanden. Balzac spricht aus eigener Erfahrung: Auch er hat lange um den Eintritt in die Pariser Oberschicht gerungen.
Zusammenfassung
Über den Autor
Honoré de Balzac wird am 20. Mai 1799 in Tours geboren. Sein Vater, der Sohn eines Bauern, hat sich zum leitenden Beamten hochgearbeitet, seine Mutter stammt aus gutbürgerlicher Familie. 1814 zieht die Familie Balzac nach Paris. Ein Jurastudium bricht der junge Balzac ab, um Schriftsteller zu werden. Lange Jahre ist er erfolglos. Er macht Schulden, die ihn für den Rest seines Lebens drücken werden, als er sich 1826 als Verleger versucht und eine Druckerei kauft, die zwei Jahre später Konkurs anmelden muss. 1829 stellt sich erster schriftstellerischer Erfolg ein, der ihm Zutritt zu Adelskreisen verschafft. Er führt ein Leben über seine Verhältnisse und hat viele Liebschaften mit zumeist verheirateten Damen. 1832 tritt die ukrainische Gräfin Eva Hanska mit ihm in Briefkontakt. Die beiden schreiben sich 18 Jahre lang und sehen sich gelegentlich auf Reisen, bis sie ihn wenige Monate vor seinem Tod schließlich heiratet. Balzac schreibt einen Roman nach dem anderen. Er fasst seine Werke bereits früh in Gruppen zusammen. Während der Entstehung eines seiner bekanntesten Texte, Le père Goriot (Vater Goriot, 1834/35), hat er die Idee, dieselben Romanfiguren in verschiedenen Werken auftreten zu lassen und so ein überschaubares, vielfältig verwobenes Romanuniversum zu schaffen. Das Projekt der Comédie humaine, der Menschlichen Komödie, entsteht mit seinen Großgruppen und Untergruppen und dem Ziel, ein umfassendes Sittengemälde von Balzacs Zeit zu entwerfen. Dafür erlegt sich der Schriftsteller ein unglaubliches Arbeitspensum auf, schreibt oft bis zu 17 Stunden am Tag. 91 der 137 geplanten Romane und Erzählungen kann er fertigstellen. Zu den bekanntesten zählen Illusions perdues (Verlorene Illusionen), Eugénie Grandet, Splendeurs et misères des courtisanes (Glanz und Elend der Kurtisanen) und La peau de chagrin (Das Chagrinleder). Balzac gilt zusammen mit Stendhal und Flaubert als der Begründer des literarischen Realismus in Frankreich. Die ständige Überanstrengung ruiniert seine Gesundheit, er stirbt am 18. August 1850 in Paris.
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