- Psychologischer Roman
- Realismus
Worum es geht
Seelisches Gemetzel
Nein, in dieser Geschichte fließt kein Blut, es werden auch kaum Tränen vergossen und selten verliert jemand die Beherrschung. Doch was ein gefühlskalter Vater und ein gewissenloser Freier der liebeshungrigen Catherine antun, ist ein seelisches Blutbad. „Wir haben das Schaf für ihn gemästet, bevor er es schlachtet“, ätzt Catherines Erzeuger im Hinblick auf den unerwünschten Schwiegersohn, nachdem er seine Tochter auf einer Europareise mit klassischer Bildung vollgestopft hat. Einig sind sich die verfeindeten Männer nur in der Einschätzung des Mastviehs: so intelligent „wie ein Bündel Halstücher“. Doch Henry James wäre nicht der feinsinnige Ironiker und Frauenversteher, wenn er das Opferschaf nicht vor der Schlachtbank bewahren und den brutalen Kerlen einen Denkzettel verpassen würde. Ihm dabei zuzusehen ist ein ästhetischer Genuss. Ein Rezensent kam in der Zeit nach der Lektüre der hochgelobten Neuübersetzung des Klassikers zu dem Schluss: „Ein Leben ohne Henry James ist möglich, aber sinnlos.“
Zusammenfassung
Über den Autor
Henry James gilt in der angelsächsischen Welt als großer Klassiker der Literatur um 1900, als Meister des subtilen psychologischen Romans und Wegbereiter der literarischen Moderne. Am 15. April 1843 in eine großbürgerliche, wohlhabende und intellektuelle New Yorker Familie hineingeboren, erhält er eine umfassende Bildung und lernt schon früh die Klassiker der Weltliteratur kennen. Sein Vater ist einer der angesehensten amerikanischen Intellektuellen, befreundet mit Denkern wie Thoreau, Emerson und Hawthorne. Henry James’ Bruder William wird Psychologieprofessor in Harvard und Begründer des Pragmatismus in der Philosophie. Henry James selbst studiert, nachdem er in seiner Jugend Europa bereist hat, für kurze Zeit Jura in Harvard und betätigt sich bald als Journalist, zunächst als Kritiker, dann auch als Zeitungskorrespondent in Paris. 1869 siedelt er nach England über, wo er sich 1876 endgültig niederlässt. Viele seiner berühmten Romane und Erzählungen wie Daisy Miller (1878), Die Europäer (The Europeans, 1878) oder Die Gesandten (The Ambassadors, 1903) spielen vor dem Hintergrund der Begegnungen vornehmer Amerikaner mit Europäern. Der Gegensatz zwischen Alter und Neuer Welt, zwischen europäischer Kultur und amerikanischer Naivität spielt in seinem Werk eine wichtige Rolle. Da James vermögend und somit finanziell unabhängig ist, kann er sich ganz dem Schreiben und seinen intellektuellen Interessen widmen. Auch in England steht er in engem Kontakt zu den führenden Geistern seiner Epoche. 1904/05 reist James nach 25 Jahren erstmals wieder in die Vereinigten Staaten, unter anderem um die Ausgabe seiner gesammelten Werke vorzubereiten und zu begleiten, darunter sein meistgelesenes Buch, die Gespenstergeschichte Das Durchdrehen der Schraube (The Turn of the Screw, 1898). 1915 erwirbt James die englische Staatsbürgerschaft. Er stirbt am 28. Februar 1916 im Londoner Stadtteil Chelsea.
Kommentar abgeben