- Metafiktion
- Postmoderne
Worum es geht
Ein hintersinniges Spiel mit dem Leser
Täglich wächst der Bücherberg, die Verlage überfluten den Markt mit Neuerscheinungen, Bestsellerautoren produzieren wohlkalkulierte Werke am laufenden Band. Was davon soll man lesen? Warum soll man überhaupt etwas lesen? Der Roman Wenn ein Reisender in einer Winternacht erzählt von seiner eigenen Entstehung und vom Bedürfnis des Publikums nach Unterhaltung. Der Leser wird in die Geschichte hineingezogen, er wird vom Konsumenten zum Protagonisten – natürlich nur scheinbar, denn die Zerstörung der Illusion ist Teil des Spiels, das der Autor mit uns treibt. Italo Calvino, der bezüglich Sprachtheorie mit allen Wassern gewaschen war und sich in den 70er Jahren intensiv mit Strukturalismus und Semiotik beschäftigte, sah in der Literatur die Möglichkeit, traditionelle Erzählmuster zu durchbrechen und ironisch mit den Erwartungen des Lesers zu spielen. Diesen macht er zur literarischen Figur und lässt ihn allerlei Abenteuer, amouröse Affären und wilde Verfolgungsjagden erleben. Trotzdem bietet dieser kunstvoll konstruierte Roman, in dem verschiedene literarische Stile parodiert werden, vor allem ein intellektuelles Vergnügen.
Zusammenfassung
Über den Autor
Italo Calvino wird am 15. Oktober 1923 in Santiago de Las Vegas auf Kuba als Sohn eines Agrarwissenschaftlers und einer Botanikerin geboren. Nachdem der Vater 1925 zum Direktor eines Forschungsinstituts für Blumenzucht berufen wird, kehrt die Familie nach San Remo in Italien zurück. Dort verbringt Calvino seine Kindheit und Jugend. Schon früh interessiert er sich für Kino und Literatur. Dem Vorbild seiner naturwissenschaftlich orientierten, aufklärerisch eingestellten Eltern folgend nimmt er ein Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Turin auf. 1943 kämpft der überzeugte Antifaschist im Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Partisanen gegen die Deutschen, eine Erfahrung, die er in seinem ersten Roman Il sentiero dei nidi di ragno (Wo Spinnen ihre Nester bauen, 1947) verarbeitet. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft, das er 1947 abschließt, arbeitet er für das Verlagshaus Einaudi, dem er für die nächsten drei Jahrzehnte als Lektor und zuletzt als Berater verbunden bleibt. Als aktives Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) mischt er sich in politische Diskussionen ein und schreibt regelmäßig für die parteinahe Zeitung L’Unitá. Aus Enttäuschung über die sowjettreue Linie der italienischen Kommunisten verlässt er 1957 die Partei. Im gleichen Jahr erscheint sein Roman Il barone rampante (Der Baron auf den Bäumen, 1957), der international großen Erfolg hat. In Paris lernt der Globetrotter, der u. a. Mexiko, den Iran und Japan bereist, die argentinische Dolmetscherin Esther Judith Singer kennen, die er 1964 in seinem kubanischen Geburtsort heiratet und mit der er eine Tochter hat. Die zunehmende Entfremdung von politischen Utopien und ehemaligen Kampfgenossen treibt ihn zeitweise in die Depression. 1979 erscheint Se una notte d’inverno un viaggiatore (Wenn ein Reisender in einer Winternacht), Calvinos größter Erfolg. Wieder in Rom widmet er sich ab 1980 vor allem literaturtheoretischen Überlegungen. Auf Einladung der Harvard-Universität bereitet er eine Vorlesung vor, die er allerdings nicht mehr halten wird: Nach einem Gehirnschlag am 6. September 1985 fällt Calvino in ein Koma. Unter großer öffentlicher Anteilnahme stirbt er am 19. September 1985 in Siena.
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