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Mutter Courage und ihre Kinder

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Mutter Courage und ihre Kinder

Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg

Suhrkamp,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Brechts Meisterwerk des politischen Dramas: eines der wichtigsten und meistgespielten Theaterstücke des 20. Jahrhunderts.

Literatur­klassiker

  • Drama
  • Deutsche Exilliteratur

Worum es geht

Brechts berühmtes Antikriegsstück

Die Figur der Mutter Courage könnte nicht typischer sein für das epische Theater Bertolt Brechts: Anna Fierling, so ihr eigentlicher Name, ist zwar die Titelheldin des Stücks, bietet dem Publikum aber wenig Gelegenheit zur Identifikation. Ihren Spitznamen trägt sie, weil sie als Händlerin unerschrocken mit ihrem Planwagen über die Schlachtfelder des Dreißigjährigen Krieges fährt, sich zugleich aber auch um ihre drei Kinder zu kümmern versucht. Ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen: Der Krieg kostet alle drei das Leben. Mutter Courage lernt nichts daraus: Allein und verarmt schleppt sie sich auch am Ende des Stücks weiter zum Handel auf die Schlachtfelder. Die kleinen Leute können nie und nimmer Kriegsgewinner sein, so könnte die Moral des Stücks lauten, das Brecht 1939 im schwedischen Exil schrieb. Krieg und Faschismus waren für ihn Symptome der rücksichtslosen Gewinnsucht der herrschenden Klasse. Brechts Stücke waren während des Krieges in Deutschland verboten, die Uraufführung der Mutter Courage fand 1941 am Schauspielhaus Zürich statt. Erst nach dem Krieg kehrte Brecht nach Deutschland zurück und eröffnete - eben mit diesem Stück - sein einflussreiches Berliner Ensemble. Mutter Courage ist heute unbestritten ein Klassiker des 20. Jahrhunderts.

Take-aways

  • Mutter Courage und ihre Kinder gilt als das bedeutendste Stück von Bertolt Brecht.
  • Die Hauptfigur ist eine fahrende Händlerin im Dreißigjährigen Krieg, anhand dessen Brecht beispielhaft die Ursachen und Gräuel von Kriegen vorführt.
  • Mutter Courage begleitet mit ihrem Planwagen verschiedene Heere durch ganz Europa.
  • Sie hat drei Kinder: den klugen, draufgängerischen Eilif, den redlichen, dummen Schweizerkas und die gutherzige, stumme Kattrin.
  • Eilif wird als Soldat für einen Raubmord gelobt, später im Frieden aber für die gleiche Tat hingerichtet.
  • Ihren Sohn Schweizerkas verliert Mutter Courage, weil sie vor seiner Erschießung zu lange um seine Freilassung feilscht.
  • Kattrin wird von Soldaten getötet, als sie die Einwohner der Stadt Halle vor einem Angriff warnt.
  • Mutter Courage lernt nichts aus ihren Erfahrungen: Obwohl sie ihre Kinder an den Krieg verliert, zieht sie ihn als Geschäftsfrau dem Frieden vor.
  • Die Figur ist ein Beispiel für den Verfremdungseffekt in Brechts epischem Theater: Der Zuschauer identifiziert sich nicht mit ihr, sondern bildet sich seine eigene Meinung.
  • Hinter allen Kriegen sieht Brecht dieselbe Ursache: kapitalistische Gewinnsucht.
  • Der Autor verließ Nazi-Deutschland 1933 und schrieb die Mutter Courage 1939 im Exil.
  • Das Stück wurde 1941 in Zürich uraufgeführt und machte Brecht weltberühmt.

Zusammenfassung

Das Geschäft mit dem Krieg

Fröstelnd stehen der Feldwebel Oxenstjerna und ein Werber auf einer Straße nahe der schwedischen Stadt Dalarne. Es ist das Frühjahr 1624, der Krieg dauert bereits mehrere Jahre an. Der Werber soll Soldaten für den Polenfeldzug rekrutieren, beschwert sich aber, dass es unmöglich sei, noch Freiwillige aufzutreiben. Der Feldwebel stimmt zu, er beklagt die fehlende Disziplin der Bevölkerung: Wo kein Krieg im Land sei, da würden die Sitten verlottern. Ein Planwagen kommt herangefahren, es ist Anna Fierling, genannt Mutter Courage. Sie sitzt mit ihrer stummen Tochter Kattrin auf dem Kutschbock, während das Gefährt von ihren Söhnen Eilif und Schweizerkas gezogen wird.

„Frieden, das ist nur Schlamperei, erst der Krieg schafft Ordnung. Die Menschheit schießt ins Kraut im Frieden.“ (Feldwebel, S. 7)

Mit einem Lied stellt sie sich den beiden Soldaten als fahrende Händlerin vor, die auf den Schlachtfeldern ihr Geld verdient. Ihren Spitznamen hat sie in Riga bekommen, wo sie mitten durchs Gefechtsfeuer gefahren ist, nur um 50 Brotlaibe zu verkaufen. Die Soldaten interessieren sich hauptsächlich für ihre Kinder, insbesondere Eilif scheint für das Kriegshandwerk geeignet. Seine Mutter kann den ungestümen Burschen kaum von einer Schlägerei mit dem Werber abhalten.

„Courage heiße ich, weil ich den Ruin gefürchtet hab, Feldwebel, und bin durch das Geschützfeuer von Riga gefahrn mit fünfzig Brotlaib im Wagen. Sie waren schon angeschimmelt, es war höchste Zeit, ich hab keine Wahl gehabt.“ (S. 9)

Sie selbst zieht dann das Messer gegen die Soldaten: Mutter Courage lebt zwar vom Krieg, will aber ihre Kinder nicht an ihn verlieren. Zum Verhängnis wird ihr die eigene Geschäftstüchtigkeit: Während sie mit dem Feldwebel um eine Gürtelschnalle verhandelt, lockt der Werber ihren Sohn Eilif davon und in die Schlacht.

Lob und Tadel für einen Mord

Mutter Courage folgt dem schwedischen Heer durch Polen. Sie versucht, dem Koch der Truppe einen Kapaun zu verkaufen, scheint aber zunächst einen zu hohen Preis zu verlangen. Erst als im Zelt nebenan der Feldhauptmann lautstark ein gutes Essen fordert, sieht der Koch ein, dass er den Kapaun wird zahlen müssen, denn es gibt sonst nirgends mehr Fleisch zu kaufen. Mutter Courage beginnt, den Vogel zu rupfen. Sie lauscht dem Gespräch im Zelt, denn sie hat längst die Stimme des jungen Soldaten erkannt, mit dem der Feldhauptmann spricht: Es ist ihr verlorener Sohn Eilif.

„Will vom Krieg leben / Wird ihm wohl müssen auch was geben.“ (Feldwebel über Mutter Courage, S. 19)

Eilif erzählt dem Hauptmann, wie er einigen Einheimischen 20 Rinder abgenommen hat. Er hat erst einen Handel vorgetäuscht, doch dann die Bauern alle erschlagen. Der Hauptmann ist entzückt über so viel Heldenmut – woraus Mutter Courage folgert, dass er kein guter Feldhauptmann sein kann: Nur schlechte Strategen bräuchten mutige Soldaten, erklärt sie dem Koch.

„Die Polen hier in Polen hätten sich nicht einmischen sollen. Es ist richtig, unser König ist bei ihnen eingerückt mit Ross und Mann und Wagen, aber anstatt dass die Polen den Frieden aufrechterhalten haben, haben sie sich eingemischt in ihre eigenen Angelegenheiten (...)“ (Mutter Courage, S. 35)

Eilif singt „Das Lied vom Weib und dem Soldaten“. Mutter Courage stimmt ein, und Eilif kommt zu ihr in die Küche gelaufen. Die beiden fallen sich in die Arme – dann gibt sie ihrem Sohn eine kräftige Ohrfeige, weil er sich bei seinem Abenteuer mit den Bauern in Gefahr begeben hat.

Krieg für den Glauben und Krieg um Profit

Drei Jahre später ist Mutter Courage mit ihrem Handel in einem finnischen Regiment. Ihr Sohn Schweizerkas ist aufgrund seiner Redlichkeit zum Zahlmeister ernannt worden, auch die stumme Tochter Kattrin ist weiterhin bei ihr. Mutter Courage unterhält sich mit Yvette Pottier, einer traurigen Hure mit roten Stöckelschuhen. Yvette singt „Das Lied vom Fraternisieren“. Ihr ist es ergangen wie vielen Frauen im Krieg: Sie hat sich verliebt, in einen Pfeife rauchenden Soldatenkoch, und der hat sie sitzen lassen, als das Heer weiterzog.

„Wenn man die Großkopfigen reden hört, führens die Krieg nur aus Gottesfurcht und für alles, was gut und schön ist. Aber wenn man genauer hinsieht, sinds nicht blöd, sondern führn die Krieg für Gewinn. Und anders würden die kleinen Leut wie ich auch nicht mitmachen.“ (Mutter Courage, S. 36)

Der Koch kommt mit einem Feldprediger, um Grüße von Eilif zu übermitteln. Sie schwatzen Mutter Courage etwas Geld für ihren Sohn ab und plaudern über Politik. Der Feldprediger ist vom Glaubenskrieg überzeugt, für den Koch dagegen wird der Krieg nur wegen des Gewinns geführt. Mutter Courage fügt an, dass die Aussicht auf Gewinn auch die kleinen Leute zum Mitmachen verleite. Kattrin zieht während des Gesprächs heimlich die liegen gebliebenen Stöckelschuhe an und imitiert den aufreizenden Gang Yvettes.

„Gott sei Dank sind sie bestechlich. Sie sind doch keine Wölf, sondern Menschen und auf Geld aus. Die Bestechlichkeit ist bei die Menschen dasselbe wie beim lieben Gott die Barmherzigkeit.“ (Mutter Courage, S. 51)

Plötzlich ertönt Kanonendonner, das Lager wird angegriffen. Die Soldaten laufen davon. Der Prediger beschließt, dazubleiben und sich als Händler auszugeben. Kattrin muss die Stöckelschuhe abgeben und bekommt von ihrer Mutter das Gesicht mit Asche geschwärzt, damit die polnischen Soldaten nicht über sie herfallen. Schweizerkas fühlt sich noch immer verantwortlich für die Regimentskasse und verstaut sie, sehr zum Entsetzen seiner Mutter, im Planwagen.

Profitgier tötet

Auch unter polnischer Führung darf Mutter Courage weiterhin ihren Handel im Lager betreiben. Sie geht mit dem Prediger eine katholische Fahne kaufen und lässt ihre Kinder am Wagen zurück. Schweizerkas vergräbt in ihrer Abwesenheit die Regimentskasse am Fluss, wird anschließend aber von einem Spion gestellt und festgenommen. Selbst unter Androhung von Folter verrät er nicht, wo die Kasse ist. Er wird seiner Mutter vorgeführt, die ihn verleugnet, um sich selbst und Kattrin nicht in Gefahr zu bringen.

„Wie lang vertragen Sie keine Ungerechtigkeit? Eine Stund oder zwei?“ (Mutter Courage zu einem Soldaten, S. 57)

Yvette kennt den polnischen Spion; es besteht die Möglichkeit, Schweizerkas freizukaufen. Mutter Courage müsste dafür allerdings den gesamten Planwagen versetzen, und sie verhandelt so lange, bis Schweizerkas in der Ferne schon hingerichtet wird. Die Leiche wird ihr vorgeführt, und noch zwei Mal verleugnet sie ihren Sohn.

Kapitulation vor dem Leben

Mutter Courage kommt ins Offizierszelt, um sich zu beschweren: In ihrem Wagen ist randaliert worden. Der Schreiber rät ihr von der Beschwerde ab, da sie als Händlerin im Lager ohnehin nur geduldet sei. Mutter Courage gibt jedoch nicht nach. Ein junger Soldat kommt hinzu und will sich ebenfalls beschweren: Er hat das Pferd des Obristen gerettet, aber kein Trinkgeld bekommen, und er flucht über diese Ungerechtigkeit. Mutter Courage hält ihm vor, seine Wut sei nur vorübergehend, längerfristig werde er sich den Ungerechtigkeiten der Befehlshaber fügen. Der Soldat zieht aufbrausend sein Schwert, wird aber vom Schreiber ermahnt, sich zu setzen, – und folgt dem prompt. Mutter Courage singt „Das Lied von der großen Kapitulation“. Sie selbst hat sich als junges Mädchen für etwas Besonderes gehalten, nimmt heute aber desillusioniert hin, was das Leben zu bieten hat. „Leck mich am Arsch“, sagt dazu der junge Soldat und verschwindet. Auch Mutter Courage verzichtet schließlich auf ihre Beschwerde.

„Schreiber: ‚Und der Frieden, was wird aus ihm? Ich bin aus Böhmen und möcht gelegentlich heim.’ - Feldprediger: ‚So, möchten Sie? Ja, der Frieden! Was wird aus dem Loch, wenn der Käs gefressen ist?’“ (S. 67)

Zwei Jahre später ist sie über Polen, Mähren und Italien nach Bayern gefahren. Der Feldprediger kommt herbeigestürzt und verlangt Leinen, um Verwundete in einem Bauernhaus zu bandagieren. Mutter Courage hat keine Binden und will ihre wertvollen Offiziershemden nicht hergeben. Selbst als die Verletzten herbeigetragen werden, bleibt sie hart, kann schließlich aber nicht verhindern, dass der Prediger ihr die Hemden zerreißt. Als Kattrin in das brennende Haus rennt, um ein Kind zu retten, schimpft Mutter Courage über ihre große Unvernunft.

Überfall auf Kattrin

Mutter Courage sitzt im Wagen und ist mit der Inventur ihrer Waren beschäftigt. Sie überlegt, wie lange der Krieg noch andauern wird und ob es sich noch lohnt, die Vorräte aufzustocken. Der Feldprediger glaubt, der Krieg werde ewig weitergehen. Bier trinken und Kinder kriegen, alles, was im Frieden getan werde, gehe doch zu Kriegszeiten auch. Kattrin ist entsetzt, da ihre Mutter ihr versprochen hat, wenn erst mal Frieden sei, bekomme auch sie einen Mann.

„Ich möchte sagen, den Frieden gibts im Krieg auch, er hat seine friedlichen Stelln.“ (Feldprediger, S. 67)

Mutter Courage glaubt schließlich dem Prediger, schickt Kattrin zum Einkaufen in die Stadt und raucht eine Pfeife, die sie vom Koch des Oxenstjerna-Regiments behalten hat. Der Prediger wird daraufhin eifersüchtig. Er schlägt vor, dass sie beide, er und Courage, sich ein wenig näher kommen könnten. Sie aber hat nur ein einziges Interesse: Sie will sich, ihre Kinder und ihr Geschäft heil durch den Krieg bringen.

„Und geht er über deine Kräfte / Bist du beim Sieg halt nicht dabei. / Der Krieg ist nix als die Geschäfte / Und statt mit Käse ists mit Blei.“ (Mutter Courage, S. 75)

Kattrin kommt mit einer tiefen Wunde auf der Stirn aus der Stadt zurück. Sie ist überfallen worden, hat sich die Waren aber nicht abnehmen lassen. Mutter Courage verarztet ihre Tochter und will ihr zum Trost die roten Stöckelschuhe von Yvette schenken. Kattrin will aber die Schuhe nicht mehr und zieht sich geschunden in den Wagen zurück. Mutter Courage verflucht den Krieg – nur um kurz darauf wieder ein Loblied auf ihn zu singen.

Eilifs tragischer Irrtum

Der Schwedenkönig Gustav Adolf stirbt. Der Krieg ist aus, die Geschäfte scheinen ruiniert. Mutter Courage beschwert sich, weil sie auf den Prediger gehört und neue Waren gekauft hat. Der Koch meint, der Prediger sei immer ein Schwätzer gewesen. Der Geschmähte will das nicht auf sich sitzen lassen, und als Mutter Courage weiter an dem geschäftsschädigenden Frieden herummäkelt, nennt er sie eine „Hyäne des Schlachtfelds“. Damit hat er endgültig bei ihr verspielt, aber auch für den Koch läuft es schlecht: Yvette Pottier taucht auf und erkennt in ihm jenen Pfeife rauchenden Soldatenkoch, der sie damals hat sitzen lassen. Die beiden Frauen gehen in die Stadt, um die überschüssigen Waren zu verramschen.

„Sie sollten sich nicht am Frieden versündigen, Courage! Sie sind eine Hyäne des Schlachtfelds.“ (Feldprediger, S. 82)

Der Koch und der Prediger bleiben zurück, und zu ihnen stößt Eilif – gefesselt und in Begleitung von Soldaten. Er hat wie in Kriegszeiten einen Bauern überfallen und dessen Frau erschlagen, ist dafür im Frieden jetzt aber verhaftet worden. Der Prediger geht mit ihm, um ihm bei seiner Hinrichtung beizustehen. Mutter Courage kommt aufgeregt aus der Stadt zurück: Der Krieg ist wieder ausgebrochen! Der Koch erzählt, dass Eilif dagewesen ist, aber Mutter Courage ist sich der Heldentaten ihres Sohnes zu sicher und zu beschäftigt, um weitere Fragen zu stellen. Sie will ihre Kriegsgeschäfte wieder aufnehmen, und so bekommt sie nicht mit, dass die Umstände ihr bereits den zweiten Sohn geraubt haben.

Nicht ohne Kattrin

Der lange Krieg fordert seinen Tribut. Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist ihm bereits zum Opfer gefallen. Die Menschen sind so bettelarm, dass sie Mutter Courage nichts mehr abkaufen können und sie genauso wie der Koch auf Almosen angewiesen ist. Beide sind sie das Herumziehen leid. Der Koch bekommt Nachricht vom Tod seiner Mutter, er hat eine Wirtschaft in Utrecht geerbt und bietet der Courage an, mit ihm zu kommen. Sie fragt Kattrin nach deren Meinung, woraufhin sich herausstellt, dass der Koch das stumme, von Narben entstellte Mädchen nicht mitnehmen, sondern allein mit dem Wagen zurücklassen will. Vor einem halb zerfallenen Pfarrhaus singen Mutter Courage und der Koch das „Salomon-Lied“. Sie werden auf eine Suppe hineingebeten, Mutter Courage kommt jedoch schnell zum Wagen zurück und fährt ohne den Koch davon. Ihre Tochter will sie auch für die Aussicht auf ein besseres Leben nicht im Stich lassen.

Kattrins letzte Heldentat

Fünf Jahre später steht der Planwagen in der Nähe der Stadt Halle. Es ist tiefe Nacht, trotzdem ist Mutter Courage zum Einkaufen fort. Die kaiserlichen Truppen planen einen Angriff auf die Stadt, brauchen aber jemanden, der ihnen den Weg hinein zeigt. Sie erpressen eine Bauernfamilie: Entweder einer der Jungen geht mit ihnen, oder sie töten auch die letzten zwei verbliebenen Kühe. Die Familie fügt sich, die Truppen marschieren gegen Halle, ein Blutvergießen scheint unvermeidlich. Doch Kattrin, die wie immer stumm dabeigestanden hat, schreitet zur Tat: Sie holt eine Trommel aus dem Planwagen, steigt damit auf das Dach des Hauses und versucht, die schlafenden Städter zu wecken. Die herbeilaufenden Soldaten des Kaisers können sie mit allen Drohungen nicht vom Trommeln abbringen und geben schließlich einen Schuss auf das Mädchen ab. In der Stadt läuten zwar die Alarmglocken, aber Kattrin bezahlt ihren Heldenmut mit dem Leben.

„Das Frühjahr kommt! Wach auf, du Christ! / Der Schnee schmilzt weg! Die Toten ruhn! / Und was noch nicht gestorben ist / Das macht sich auf die Socken nun.“ (Gesang, S. 108)

Als Mutter Courage vom Einkaufen zurückkommt, will sie den Tod ihrer Tochter nicht wahrhaben. Sie redet sich ein, Kattrin schlafe nur, wird dann von der Bauernfamilie aber in die Wirklichkeit zurückgeholt. Allein zieht sie ihren Wagen davon. Sie will sich auf die Suche nach Eilif machen, den sie noch immer am Leben glaubt. Außerdem will sie versuchen, wieder ins Geschäft zu kommen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Mit der Mutter Courage folgt Bertolt Brecht seinem Konzept vom epischen Theater: Der Zuschauer soll auf keinen Fall in ein realistisch dargestelltes Bühnengeschehen eintauchen, sich mit den Figuren identifizieren und seine Alltagssorgen vergessen können. Im Gegenteil, er soll das Geschehen auf der Bühne distanziert, rein als Betrachter verfolgen. Unabhängig von der jeweiligen Inszenierung sind deshalb bereits in den Text etliche der von Brecht so genannten Verfremdungseffekte eingefügt: Das Stück ist in zwölf Szenen eingeteilt, die den Leser jedoch durch keinerlei dramatische Entwicklung in ihren Bann ziehen. Fast durchgängig herrscht der immer gleiche trostlose Krieg. Auch das Innenleben der Figuren ist ohne Höhen und Tiefen angelegt, insbesondere die Mutter Courage scheint aus ihren leidvollen Erfahrungen nichts zu lernen. Um den einzelnen Szenen die Spannung zu nehmen, ist ihnen jeweils eine Zusammenfassung der Handlung vorangestellt, und in fast allen Szenen wird von irgendjemand ein Lied vorgetragen, dessen Text das Geschehen aus einem neuen Blickwinkel kommentiert und den Zuschauer in seiner kritischen Distanz bestärkt. Meisterlich ist die sprachliche Leistung Brechts: Bei allem theoretischen Unterbau glänzt der Text durch seine temporeiche Umgangssprache und seinen beißenden Witz.

Interpretationsansätze

Mutter Courage soll laut Brecht zeigen, dass „die großen Geschäfte in den Kriegen nicht von den kleinen Leuten gemacht werden. Dass der Krieg, der eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln ist, die menschlichen Tugenden tödlich macht, auch für ihre Besitzer. Dass für die Bekämpfung des Krieges kein Opfer zu groß ist.“ Das Stück ist aber nicht als rührseliges Antikriegsdrama konzipiert, sondern als antikapitalistisches Lehrstück: Der Zuschauer soll beobachten, wie die Gewinnsucht der Hauptfigur für ihre eigenen Kinder tödlich endet. Er soll den allgemeinen Zusammenhang von Krieg und Kapital erkennen und sich im eigenen Alltag moralischer verhalten. • Mutter Courage steckt in einem Dilemma: Aus allen Situationen will sie das Beste herausholen, sie möchte einerseits ihre Kinder versorgen und heil durch den Krieg bringen, andererseits sichert ihr gerade der Krieg den Lebensunterhalt – eine ausweglose Situation, in der die mütterliche Sorge manches Mal hinter dem Geschäftssinn zurücksteht, wodurch Mutter Courage letztlich alle ihre Kinder ver-liert. • Da es für Brecht in allen Kriegen grundsätzlich immer nur um Geld geht, sind die ideologischen Hintergründe austauschbar. Entsprechend unproblematisch ist für Mutter Courage die Machtübernahme der katholischen Polen über die evangelischen Schweden: Sie geht einfach eine neue Fahne kaufen. • Beispielhaft für die Verfremdungseffekte des epischen Theaters ist das Salomon-Lied. In der Szene vor dem Pfarrhaus präsentiert sich Mutter Courage dem Zuschauer ausnahmsweise einmal tugendhaft, indem sie den Koch nicht in das sichere Leben nach Utrecht begleitet, sondern bei ihrer Tochter bleibt. Das Lied handelt aber im Gegensatz dazu von der Nutzlosigkeit aller Tugend in einer verdorbenen Welt, wodurch der Zuschauer gezwungen ist, sich seine eigenen Gedanken zu dem Thema zu machen. • Brecht wirft im Stück einen plebejischen Blick auf den Krieg. Nicht von den großen Feldherren in ihren warmen Regierungszimmern wird erzählt, sondern vom Leiden der einfachen Leute draußen in der Kälte.

Historischer Hintergrund

Flucht aus Nazi-Deutschland

Infolge der Weltwirtschaftskrise brach 1929 auch die deutsche Wirtschaft zusammen, die Zahl der Arbeitslosen stieg um das Doppelte auf fünf Millionen an. Um Krisenmaßnahmen gegen den Willen des Parlaments durchsetzen zu können, regierte Reichskanzler Heinrich Brüning zunehmend über Notverordnungen und läutete damit das Ende der demokratischen Weimarer Republik ein. Die Verunsicherung in der Bevölkerung konnte insbesondere die NSDAP für sich nutzen, deren Vorsitzender Adolf Hitler am 30. Januar 1933 die politische Macht in Deutschland übernahm. Den Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 nutzten die Nationalsozialisten, um ihre Repressionspolitik weiter zu verschärfen: Zehntausende von Oppositionellen wurden in „Schutzhaft“ genommen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und das Versammlungsrecht wurden eingeschränkt, Hausdurchsuchungen und die Beschlag-nahmung von Eigentum wurden legalisiert.

Am 10. Mai 1933 fanden die ersten großen Bücherverbrennungen statt. Werke von über 200 Autoren wurden vernichtet, mit ausdrücklicher Genehmigung vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda auch die Bücher von Bertolt Brecht. Als Reaktion emigrierten zahlreiche Künstler ins Ausland, unter den in Deutschland lebenden Juden und politisch anders Denkenden kam es nach dem Erlass der Nürnberger Rassengesetze und nach der so genannten „Reichskristallnacht“ zu einer ersten Auswanderungswelle. Im September 1939 begann der Zweite Weltkrieg mit dem deutschen Angriff auf Polen. Millionen von Juden und viele politische Gegner der Nazis sollten in den Konzentrationslagern ermordet werden, bevor der Krieg am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands beendet wurde. Von den politisch Verfolgten kehrte nach dem Krieg etwa die Hälfte in das geteilte Land zurück, von den rassistisch Verfolgten nur etwa 5 %.

Entstehung

Brecht schrieb die Mutter Courage auf der Flucht vor den Nazis im September 1939 in Schweden. Unter dem Eindruck des drohenden Krieges empfand er die Zeit im Exil als unerträgliche Pause vom eigentlichen Leben, keinesfalls als einen selbst gewählten Aufenthalt. Die Auseinandersetzung mit dem Grund seiner Flucht, dem Faschismus in Deutschland, wurde für Brecht zum Kern seiner Arbeit. „Der Kapitalismus existiert in faschistischen Ländern nur noch als Faschismus“, schrieb er, und könne nur als „erdrückendster und betrügerischster Kapitalismus“ bekämpft werden. Sein Interesse galt den sozialen und psychologischen Auswirkungen des Faschismus, den Folgen des Krieges für das zwischenmenschliche Miteinander – was sich im Verhältnis der Mutter Courage zu ihren Kindern niederschlug.

Inspiration fand Brecht zudem in verschiedenen literarischen Quellen. Im Sommer 1939 ließ er sich die Balladen des finnischen Dichters Johan Ludvig Runeberg übersetzen und stieß dort auf die Figur der – allerdings noch heldenhaft gezeichneten – Marketenderin Lotta Svärd. Den geschichtlichen und sozialen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges sowie den Namen seiner Hauptfigur entnahm Brecht dem Roman Trutz Simplex oder Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche (1669) von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Im Gegensatz zu der durchgängig vom Schicksal gebeutelten Mutter Courage ist die Landstörtzerin eine Frau von hoher Geburt, die als Soldatenhure im Elend versinkt.

Wirkungsgeschichte

Die Uraufführung des Stücks fand am 19. April 1941 am Schauspielhaus Zürich statt, also auf neutralem Boden in der Schweiz. Erst 1948 kehrte Brecht nach Berlin zurück und gründete dort das Berliner Ensemble. Die Eröffnungsinszenierung der Mutter Courage am 11. Januar 1949 mit Helene Weigel in der Hauptrolle gilt heute als der Beginn einer neuen Theaterära. Brecht ließ die Versuche der Schauspieler mit der neuen Darstellungsform des epischen Theaters dokumentieren und erhielt so eine Modellvorlage für sein Theaterkonzept, die von den deutschen Bühnen der Nachkriegszeit euphorisch aufgenommen wurde. Das Berliner Ensemble wurde zu einem der einflussreichsten Theaterhäuser Europas. Die Mutter Courage hat auch nach Brechts Tod in Inszenierungen von Regisseuren wie George Tabori, Peter Za-dek oder Claus Peymann bis heute ihren festen Platz auf den Spielplänen der deutschen Theater.

Brechts Theorien wurden auch von Regisseuren und Autoren für den Film aufgenommen. In den 60er Jahren versuchte Jean-Luc Godard in Frankreich, in den 70er Jahren dann Rainer Werner Fassbinder in Deutschland die Illusionswelt des Hollywood-Kinos im Brecht’schen Sinn zu verfremden und für den Zuschauer durchschaubar zu machen. Auch der dänische Autorenfilmer Lars von Trier nimmt mit seinen stilistischen Mitteln noch heute ausdrücklich Bezug auf Brecht.

Über den Autor

Bertolt Brecht wird am 10. Februar 1898 in Augsburg geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1917 beginnt er mit einem Medizinstudium, das er jedoch wegen des Kriegsdiensts als Sanitätssoldat abbrechen muss. 1918 verfasst er Baal, sein erstes Theaterstück. Von 1924 an arbeitet er als Dramaturg bei Max Reinhardt in Berlin. Hier setzt sich Brecht mit der Philosophie des Marxismus auseinander. 1928 gelingt ihm mit der Dreigroschenoper ein grandioser Erfolg. In diesem Stück probiert er seine Technik des epischen Theaters aus, das sich erheblich von den traditionellen Theaterformen unterscheidet. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten werden Brechts Stücke verboten, ihm selbst wird die Staatsbürgerschaft entzogen. Er flieht ins Exil. Nach vielen Zwischenstationen, darunter Prag, Paris, Schweden, Finnland und die Sowjetunion, siedelt er sich mit seiner Frau, der Schauspielerin Helene Weigel, in Kalifornien an. Während des Exils entstehen seine berühmtesten Dramen, unter anderem Leben des Galilei (1938/39), Mutter Courage und ihre Kinder (1939) und Der kaukasische Kreidekreis (1944/45). Auch mit Gedichtzyklen tritt Brecht immer wieder hervor. Zwei Jahre nach dem Krieg, als in den USA die Jagd auf Kommunisten beginnt (McCarthy-Ära), kehrt Brecht den Vereinigten Staaten den Rücken. Die deutschen Westzonen verweigern ihm die Einreise, sodass er, nach einer Zwischenstation in der Schweiz, nach Ostberlin zieht. Gemeinsam mit seiner Frau gründet er hier 1949 das Berliner Ensemble. Im Theater am Schiffbauerdamm findet er eine geeignete Experimentierbühne für seine Stücke, die er dort höchstpersönlich zur Uraufführung bringt. Bertolt Brecht stirbt am 14. August 1956 in Berlin.

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