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Das verlorene Paradies

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Das verlorene Paradies

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10 ideas fundamentales
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¿De qué se trata?

Eva gönnt sich eine süße Frucht, und die Menschen haben den Salat: Milton machte die Bibelgeschichte zum barocken Weltepos.

Literatur­klassiker

  • Epos
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Weshalb die Menschen das Paradies verloren

Miltons Verlorenes Paradies ist ein Epos von dramatischer Wucht. Es lotet die Motive für den Sündenfall der ersten Menschen aus, liefert den Hintergrund dafür – Satans Fall aus dem Himmel – und geht damit weit über die entsprechenden Bibelpassagen hinaus. In barocker Bilderfülle schildert das 10 000-Verse-Werk die Abgründe der Hölle und der menschlichen Psychologie; auch die sexuelle Intimität zwischen Adam und Eva wird nicht ausgespart. Welche Folgen der Griff zum Apfel (und mithin zur Erkenntnis) hat, zeigt ein Welttheater-Ausblick, der in der Heilsgeschichte des Neuen Testaments gipfelt. Mag sein, dass Milton in erster Linie beabsichtigte, Gott und seine Gerechtigkeit zu verherrlichen, aber das Langgedicht lässt sich auch gegen den Strich lesen. So taten es die Romantiker, und so begegnen dem Werk wohl auch heutige Leser, die weniger an den theologischen Setzungen interessiert sind als an den Gegensätzen zwischen göttlicher Allmacht und menschlicher Willensfreiheit, Gut und Böse, Auflehnung und Anpassung. An ewig aktuellen Themen mangelt es dem Werk also nicht – kein Wunder, dass es Generationen von Dichtern inspiriert hat.

Take-aways

  • Das verlorene Paradies machte John Milton zum meistbewunderten englischen Dichter neben Shakespeare.
  • Inhalt: Satan, eifersüchtig auf Gottes Sohn Jesus, hat im Himmel eine Revolte angezettelt und wurde in die Hölle gestürzt. Er rächt sich, indem er Adam und Eva dazu verführt, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Die ersten Menschen müssen das Paradies verlassen, Sterblichkeit und Erbsünde sind ihre Strafe. Erst Jesus wird ihre Schuld auf sich nehmen und die Menschheit durch seinen Tod erlösen.
  • Das Epos besteht aus 10 565 reimlosen Versen, eingeteilt in zwölf Bücher.
  • Eine Kernfrage des Werks ist, wie sich die menschliche Willensfreiheit mit Gottes Allmacht verträgt.
  • Satan ist ein Revolutionär: Er lehnt sich gegen Gott auf und besteht auf seiner Autonomie.
  • Der Romantiker Blake glaubte in Milton einen heimlichen Satanisten zu erkennen.
  • Das Buch ist Miltons Haupt- und Alterswerk. Zuvor schrieb er vor allem revolutionäre Streitschriften.
  • Milton war vollständig erblindet, als er das Epos schuf. Er diktierte es seinen Töchtern und bezahlten Gehilfen.
  • Verarmt und pflegebedürftig verkaufte er das Copyright 1667 für zehn Pfund.
  • Zitat: „Kann Wissen Sünde sein? Bringt es den Tod?“

Zusammenfassung

Innenansicht der Hölle

Der ehemalige Engel Satan hat sich gegen Gott aufgelehnt und einen Krieg gegen ihn angefangen, worauf Gott ihn aus dem Himmel stürzte. Es war ein tiefer Fall, ein Fall ins Nichts, in die ewige Qual. Dort liegt er jetzt, in finsterer, brennender Ödnis, neben ihm der zweitmächtigste der gefallenen Engel, Beelzebub. Dieser wird von Satan angestachelt, den Kampf gegen Gott nicht aufzugeben. Immerhin seien sie als gefallene Engel unsterblich – Gott allein könnte sie töten, aber das habe er ja nicht getan – und ihre übernatürlichen Kräfte würden ihnen helfen. Beelzebub gibt Satan Recht: Ewige Höllenqual ist keine gute Alternative. Also ruft Satan seine Scharen gefallener Engel herbei und spricht ihnen Mut zu. In Windeseile bauen sie einen prächtigen Palast, das Pandämonium. Darin hält Satan Hof.

Satan fliegt in sein zweites Gefecht

Die Dämonen beratschlagen über die Frage, wie der Himmel in einer zweiten Schlacht angegriffen werden soll. Soll man offen oder mit Hinterlist gegen Gott kämpfen? Moloch ist für den offenen Krieg, man habe schließlich nichts zu verlieren, die Auslöschung durch Gott wäre nicht schlimmer als ewige Höllenqualen. Der schöne Belial hingegen will seine Existenz nicht verlieren, er spricht sich gegen jeden Krieg aus, egal ob offen oder heimtückisch, und glaubt, man werde sich an das Leben in der Hölle gewöhnen. Auch Mammon rät zum Frieden und weist auf die in der Hölle vorhandenen Schätze hin. Da ergreift Beelzebub das Wort und erzählt von dem Gerücht, Gott wolle ein neues Geschlecht schaffen, die Menschen. Er schlägt vor, das zu überprüfen und Gott wenn nötig auf dem Umweg über seine Schöpfung zu schaden. Sein Vorschlag wird angenommen. Die Frage ist: Wer übernimmt das Ausspähen? Niemand meldet sich freiwillig, also stellt sich Satan der Aufgabe selbst. Während er sich auf den Weg macht, gehen die übrigen bösen Engel ihren Zerstreuungen nach: Einige veranstalten ein Wettfliegen, andere spielen Harfe, wieder andere philosophieren oder erkunden die weiten Räume der Hölle.

„Zu herrschen in der Hölle hier ist mir / Lieber, als in dem Himmel nur zu dienen.“ (Satan, S. 19 f.)

Satan erreicht die Höllenpforte, wo zwei schreckliche Wesen Wache halten: Eines ist die Sünde, die ehemalige Geliebte Satans, die als sein weibliches Ebenbild seinem Kopf entsprungen ist. Mit ihr zeugte er im Himmel das andere Wesen, seinen Sohn, den Tod; dieser wiederum zeugte mit der Mutter Höllenhunde, die nun ab und zu in deren Schoß zurückkriechen und ihre Eingeweide zerfleischen, weshalb ihr Unterleib inzwischen einem Schuppenschwanz gleicht. Satan überredet die Sünde, ihn aus der Hölle zu entlassen, und verspricht ihr dafür, sie bald an einen besseren Ort zu bringen. Dann fliegt er durch das Nichts hinaus ins Chaos – und auf die Erde zu.

Gott berät sich mit seinem Sohn

Gott überblickt vom Himmel aus seine Schöpfung. Zu seiner Rechten sitzt sein Sohn Jesus. Die beiden betrachten das erste Menschenpaar, Adam und Eva, im Paradies – und sie sehen auch Satan, der dorthin unterwegs ist. Gott durchschaut die Pläne seines Widersachers und ist hin- und hergerissen zwischen Gnade und Gerechtigkeit angesichts der künftigen Sünde des Menschengeschlechts. Er weiß, dass Satan die Menschen verführen wird, aber er greift nicht ein, weil er diese ebenso wie die Engel als freie Wesen erschaffen hat. Jesus will jedoch die Menschen nicht vollends verloren geben, denn damit hätte der Feind ja sein Ziel erreicht. Da räumt Gott die Möglichkeit der Sühne menschlicher Sünden ein. Dafür müsste allerdings jemand aus dem Himmel den Tod auf sich nehmen. Niemand meldet sich, also bietet sich Jesus an: Er ist bereit, sich zu opfern und durch den Tod zu gehen – der freilich nicht endgültig sein wird, weil er ein göttliches Wesen ist. Er wird vom Tod wiederauferstehen. Gott nimmt das Opfer seines Sohnes an. Er soll zu gegebener Zeit in menschlicher Gestalt von einer Jungfrau geboren werden. Während die Engel Jesus huldigen, bewegt sich Satan weiter auf die Erde zu. Der Erzengel Uriel, von Satan durch Heuchelei und eine liebliche Gestalt getäuscht, weist ihm den Weg.

Der Teufel im Paradies

Satan steht vor den Toren Edens, als er wegen seines Vorhabens plötzlich ein schlechtes Gewissen bekommt. Er zeigt Anwandlungen der Reue, sieht aber keinen Ausweg mehr aus der Bosheit; sein Stolz, der ihn überhaupt erst zur Auflehnung gegen Gott getrieben hat, verbietet ihm eine Umkehr. Also überspringt er den Wall zum Paradies, das ein Teil des Gartens Eden ist. Er nimmt die Gestalt eines Kormorans an und bezieht einen Beobachtungsposten auf dem Baum des Lebens. Bald sieht er Adam und Eva und staunt über die Schönheit und Anmut des Paars. Aus ihrem Gespräch erlauscht er, dass sie in ihrer Glückseligkeit eine einzige Auflage zu beachten haben: nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Uriel hat derweil Satans Eindringen beobachtet; er warnt Gabriel, der das Paradies bewacht. Die beiden Erzengel suchen den Unhold und werden am Bett der Menschen fündig: Da hockt Satan in Gestalt einer Kröte und flüstert Eva üble Träume ein. Die Engel stellen ihn, und Satan, schlagartig zurückverwandelt in seine eigentliche Gestalt, liefert sich ein höhnisches Wortgefecht mit ihnen. Fast kommt es zu einem schrecklichen Kampf, da setzt Gott das Symbol einer Waage an den Nachthimmel und legt „Auseinandergehen“ und „Kampf“ in die Waagschalen. Die erste Schale überwiegt. Satan geht beschämt von dannen.

Wie Satan aus dem Himmel stürzte

Eva erzählt Adam mit Grauen von ihrem Traum: Eine Gestalt, die aussah wie ein Engel, weckte sie zum Spazierengehen. Sie ging mit und wurde vor den Baum der Erkenntnis geführt. Der vermeintliche Engel aß vor ihren Augen eine Frucht von dem Baum und pries sie ihr an: Sie sollte auch davon kosten, und so tat sie es – im Traum. Nun schickt Gott den Engel Raphael ins Paradies, um Adam zu warnen. Raphael erzählt ihm, wie Satan gegen Gott revoltiert hat, aus Neid auf den ranghöheren Jesus. Es gelang Satan, große Scharen von Engeln aufzuwiegeln. Auf ein Wortgefecht Satans mit einem standhaften Engel folgte die Schlacht zwischen den verfeindeten Lagern. Im Unterschied zu den gottgetreuen Engeln verspürten die abgefallenen starken Schmerz, wenn sie getroffen wurden, aber die Wunden heilten schnell wieder zu. Satan ließ Kanonen bauen, um dem Gegner zuzusetzen, aber die guten Engel schlugen die Satanstruppen, indem sie ganze Berge ausrissen und die Feinde darunter begruben. Am dritten Tag schickte Gott seinen Sohn, um den Krieg zu beenden. In einem Feuerwagen jagte Jesus Satan mit allen abtrünnigen Engeln an den Rand des Himmels, wo sie ins Bodenlose stürzten. Diese Vorgeschichte soll Adam eine Warnung sein.

Die ersten Tage im Paradies

Adam fragt Raphael nach der Erschaffung der Welt. Der Engel erzählt ihm von der Schöpfung in sechs Tagen. Als Adam mehr über astronomische Zusammenhänge erfahren möchte, dämpft Raphael seinen Wissensdurst: Er solle sich nicht um Dinge kümmern, die seinen Verstand überstiegen, und seine Gedanken besser dem Alltag widmen, der ihn direkt betreffe. Adam stimmt zu und erzählt nun Raphael seine eigene Geschichte. Seine früheste Erinnerung ist die, dass er wie aus einem Schlaf erwachte. Sogleich konnte er sprechen und die Tiere und Pflanzen um sich her benennen, und früh wurde ihm von Gott eingeschärft, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen: Übertrete er dieses Gebot, werde er sterblich. Adam bat Gott um einen gleichrangigen Gefährten, vernunftbegabt wie er selbst, und Gott schuf ihm darauf Eva, aus einer von Adams Rippen. Die beiden wurden das ideale Paar und leben seither in reinem Glück. Der Engel Raphael verlässt nach einigen weiteren Ermahnungen an Adam das Paradies.

Der Sündenfall

Satan kehrt ins Paradies zurück und schlüpft in eine schlafende Schlange. Am nächsten Morgen schlägt Eva Adam vor, die Gartenarbeit an getrennten Orten zu verrichten, um so mehr davon bewältigen zu können. Adam hat Bedenken, seine Frau allein zu lassen, und warnt sie vor dem angekündigten Feind, aber Eva, in ihrer Ehre gekränkt, besteht umso mehr darauf. Doch kaum ist sie allein, nähert sich ihr Satan in Gestalt der Schlange und schafft es prompt, ihre Aufmerksamkeit mit sanften Blicken und Schmeicheleien zu gewinnen. Eva ist verblüfft, dass eine Schlange sprechen kann. Das Tier behauptet, diese Gabe habe es allein dem Genuss einer bestimmten Frucht zu verdanken. Es führt Eva hin – zum Baum der Erkenntnis. Eva erkennt ihn und erzählt von dem Verbot. Doch die Schlange lockt sie mit der Verheißung gottähnlicher Kräfte und mit einer Polemik gegen Gott, der Erkenntnis verbiete, um die Menschen klein zu halten. Eva lässt sich verführen: Sie isst einen Apfel und fühlt sich danach tatsächlich heiter und mächtig.

„So wird er fallen müssen, er und sein / Geschlecht, mir ungetreu. Durch wessen Schuld? – / Niemandes als die seine! Undankbarer! (...) Denn ich machte ihn / Gerecht und grad, zu stehen wohl begabt, / Doch frei zu fallen.“ (Gott über den Menschen, S. 92)

Nun überlegt sie, ob sie Adam einweihen oder den Vorsprung für sich behalten soll. Schließlich erzählt sie ihm alles. Adam ist entsetzt. Er ist sich über die Tragweite ihrer Tat im Klaren, will seine Gefährtin aber nicht allein ins Verderben laufen lassen – und isst auch von dem Baum. Die Frucht wirkt auf beide aphrodisierend, sie geben sich dem Liebesrausch hin, bis sie erschöpft in einen trunkenen Schlaf sinken. Als sie aufwachen, ist alles anders. Eva zeigt Reue, Adam klagt sie an, sie fangen an zu streiten, und plötzlich schämen sie sich sogar ihrer Nacktheit.

Das Paradies ist verloren

Gott schickt seinen Sohn als Richter ins Paradies. Jesus wirft Adam Unmännlichkeit vor: Nie hätte er sich von Eva derart beeinflussen lassen dürfen. Er verflucht die Schlange und verheißt geheimnisvoll, dass der Samen des Weibes ihr Haupt zerschlagen werde, während sie das Weib stetig in die Ferse beiße. Eva, und damit jede Frau, verurteilt er zu Gebärschmerzen und zur Unterordnung unter den Mann, Adam hingegen zu schweißtreibender Arbeit. Beide sollen von nun an sterblich sein.

„Erkenntnis soll / Verboten sein? Verdächtig, unvernünftig. / Was sollte sie ihr Herr um die beneiden? / Kann Wissen Sünde sein? Bringt es den Tod?“ (Satan, S. 142)

Währenddessen wollen die Sünde und der Tod, die ehemaligen Bewacher der jetzt weit offenen Höllenpforte, Satan mit einer besonderen Ruhmesmeile empfangen: Sie bauen ihm eine Straße von der Hölle auf die Erde, mitten durchs Chaos. Hocherfreut setzt Satan seine inzestuösen Kinder als seine Stellvertreter auf Erden ein. Er kehrt auf der neu erbauten Straße triumphal in die Hölle zurück, denn die Vollstreckung des Urteils gegen ihn scheint nicht unmittelbar bevorzustehen. Statt des erwarteten Beifalls erhält er von seinen Untertanen jedoch nur ein Zischen: Alle gefallenen Engel sind in Schlangen verwandelt worden, und er selbst wird gar von der Schlange zum Drachen. Außerdem rächt Gott die Täuschung der Menschen, indem er den Baum der Erkenntnis mit den verlockendsten Früchten mitten in der Hölle wachsen lässt. Wenn die Schlangen aber davon fressen, schmecken sie nur Asche.

„Und sie ward froh, doch ließ aus jedem Aug’ / Ein stummes Tränlein fallen, welches sie / Mit ihrem Haare trocknete, und er, / Da noch zwei andre edle Tropfen sich / dort in kristallner Schleuse klar gemacht, / Küsste sie, eh’ sie fielen (...)“ (über Eva und Adam, S. 170)

Dann schafft Gott mithilfe astronomischer Eingriffe Klimazonen und Jahreszeiten auf der Erde, der ewig liebliche Frühling ist nun vorbei. Auch sonst verändert sich das Paradies: Die verschiedenen Tierarten leben nicht mehr einträchtig miteinander, sondern jagen und fressen sich. Adam hadert mit sich, mit Gott und mit Eva. Diese schlägt ihm sexuelle Enthaltsamkeit vor, um das von der Erbsünde belastete Menschengeschlecht zu verhindern, und schließlich, als noch verlässlichere Methode, den Selbstmord. Adam lehnt beides ab mit dem Hauptargument, dass Satan dann seiner Strafe entginge. Schließlich kommen Adam und Eva überein, das Beste aus ihrer Situation zu machen, Gott gegenüber Reue zu zeigen und künftig gehorsam zu sein und sich den Härten des Lebens, das ihnen noch bleibt, zu stellen.

Geerbte Sünde und künftige Erlösung

Jesus bittet Gott um Gnade für die Menschen. Dieser nimmt die Fürbitte an, besteht aber darauf, dass die Sünder nicht länger im Paradies bleiben können. Zum Trost dafür erhalten sie die Aussicht auf ewiges Leben und das künftige Heilsgeschehen, das der Erzengel Michael Adam in Visionen enthüllt. Er zeigt ihm zudem, welche Nachfahren er haben wird: zuerst lauter Sünder, Mörder, Trinker und Völlerer, die entsetzliche Tode sterben. Adam erschrickt zutiefst, er lernt in diesen Bildern den Tod kennen. Michael ermahnt zur Mäßigung beim Essen und Trinken und warnt vor Machtgier. Scheinbar paradiesische Szenen stellen sich als gottlose Gelage heraus, fürchterliche Kriege sind die Folge. Adam ist entsetzt, dass Menschen derart aufeinander losgehen können. In manchen Szenen steht ein Mahner allein der Masse der Gottlosen gegenüber, etwa Noah, der dann prompt gerettet wird und einen neuen, geläuterten Stamm begründet, ebenso Abraham und Moses.

„Wohl hielt ich einst die Freiheit und den Himmel / Himmlischen Seelen für ein und dasselbe, / Doch seh ich nun, dass ja die allermeisten / Aus Trägheit eher unterwürfig bleiben (...)“ (Satan, S. 208 f.)

Die Linie führt schließlich zu Jesus, der die Menschheit erlösen wird, indem er alle ihre Sünden auf sich nimmt und für sie stirbt. Er wird der verheißene Samen des Weibes sein und Satan vollends besiegen. Auch dessen Sohn, den Tod, wird Jesus bezwingen und aus dem Grab auferstehen. Adam ist durch diese Prophezeiungen einigermaßen versöhnt. Michael nimmt ihn und Eva bei den Händen und führt sie aus dem Paradies hinaus. Ein arbeitsreiches, demutsvolles Leben und die Gründung des Menschengeschlechts liegen vor ihnen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Das verlorene Paradies besteht aus 10 565 reimlosen jambischen Versen mit fünf Hebungen, so genannten Blankversen. Milton verteidigt dieses für seine Zeit untypische, homerische Versmaß in einem Vorwort: Ein Reimschema sei doch trivial, mehr Behinderung als Kunst, „die Erfindung eines barbarischen Zeitalters“. Miltons Sprache ist stark vom lateinischen Satzbau beeinflusst; mit der eigentlich starren englischen Syntax geht er sehr frei um. Seine Sprache schlägt einen dem Epos gemäßen, von der Alltagssprache deutlich abgesetzten, hohen Ton an. Die formale Orientierung an Homer und Vergil wird an der Einteilung in zwölf Bücher deutlich, aber auch an den Musenanrufungen und am Beginn, der gleich „in medias res“, also mitten ins Geschehen und damit direkt in die Hölle führt. Die lange Vorgeschichte (Satans Sturz aus dem Himmel und die Schöpfung) wird später nachgeholt. Milton nutzt Kontrasttechniken, um dramatische Effekte zu erzielen, er verstärkt den Sinn seiner Verse mit Klangmalerei und schreibt überhaupt äußerst farbig. So lieben sich Adam und Eva nicht einfach auf dem Waldboden: „Ein Blumenflor / War ihrer zweier Bette, Veilchen blau, Goldwurz und Hyazinth und Asphodill, / Der Erde frischester und weichster Schoß.“

Interpretationsansätze

  • Miltons Epos lebt von der Spannung zwischen göttlicher Ordnung und menschlicher Willensfreiheit, mit der Gott seine Geschöpfe ausgestattet hat. Sie sind frei, sich seinen Regeln zu widersetzen – müssen dann allerdings mit den Konsequenzen leben. Satan ist der Erste, der sich auflehnt, weil ihm sein Rang im Himmel nicht genügt; er interpretiert seine dortige Existenz als Knechtschaft.
  • Manche romantische Dichter, besonders William Blake und Percy Bysshe Shelley, sahen Satan als Rebellen und damit als eigentlichen Helden des Epos. Eine sehr gewagte Interpretation: Zwar läuft Milton tatsächlich zu Hochform auf, wenn er dem Fürsten der Finsternis furiose Appelle in den Mund legt, aber zum Schluss lässt er ihn auch wieder als elenden Wurm Staub fressen.
  • Eva zeigt emanzipatorische Züge: Ihr Griff zur verbotenen Frucht – den sie nachvollziehbar begründet – zeugt nicht nur von Schwäche, sondern auch von starkem Autonomiestreben: Sie, die Zweitrangige, will durch Erkenntnis göttergleich werden, wohingegen Adam sich mit Unkenntnis und Unterordnung zufriedengibt.
  • Milton benutzt die Erbsünde als Metapher für ein ewiges menschliches Dilemma: Glück und Erkenntnis gehen nicht zusammen. Der Widerspruch im gleichzeitigen Streben nach Zufriedenheit und Wissen setzt sich bis heute fort: So hat die wissenschaftliche Analyse der Welt auch zu ihrer Entzauberung beigetragen.
  • Dass Adam seiner Frau blindlings ins Verderben folgt, veranschaulicht die unbändige Kraft des Eros: Sie übersteigt in diesem verhängnisvollen Moment sogar seine Liebe und Treue zu Gott. Den Geschlechtstrieb in die richtige Bahn zu lenken und mit der christlichen Ordnung zu versöhnen, ist denn auch ein zentrales Anliegen der Kirche geblieben.
  • Miltons Gott erscheint nicht sehr souverän: Er hat Mitleid mit den Menschen und lässt selbst Satan am Leben, gleichzeitig will er aber auch Gerechtigkeit schaffen: Wer das Geschenk des freien Willens missbraucht, soll büßen. Den Heilsplan, mit dem er die beiden Anliegen verbindet, fasst er erst auf Anraten seines Sohnes.

Historischer Hintergrund

Die englische Monarchie in der Krise

König Jakob I., der England von 1603 bis 1625 regierte, glaubte an ein gottgegebenes Königtum. Die Mitbestimmung des zunehmend unabhängigeren Parlaments war ihm zuwider. Als Antwort auf die immer offenere Opposition gegen seine Politik dehnte Jakob seine Rechte aus und ließ ihm nicht genehme Politiker verhaften. Viele Puritaner wanderten unter diesem Druck nach Amerika aus. Der Kampf zwischen Krone und Parlament verschärfte sich unter der Regentschaft seines Sohns, Karls I. 1629 löste dieser das Parlament auf, 1640 musste er es allerdings zur Bewilligung von Finanzmitteln wieder einberufen. 1642 kam es zum Bürgerkrieg zwischen der puritanischen Mittelschicht aufseiten des Parlaments und den anglikanischen und katholischen, adligen Anhängern des Königs. Der Abgeordnete Oliver Cromwell siegte schließlich mit dem Parlamentsheer. 1649 wurde der König hingerichtet, die Monarchie wurde abgeschafft und das Commonwealth ausgerufen. Allerdings regierte Cromwell als Lordprotektor ebenfalls weitgehend ohne Rücksicht auf das Parlament. Als er 1658 starb und sein Sohn sich als unfähig erwies, holte man 1660 den Sohn des toten Königs, Karl II., aus dem Exil und erhob ihn auf den Thron. Es begann die Phase der Restauration, in der religiöse und bürgerliche Freiheiten wieder zurückgenommen wurden. Damit schwand der Einfluss des Puritanismus in England, der sich durch besondere Bibeltreue und Bilderverbote ausgezeichnet hatte.

Entstehung

Bereits um 1640 plante Milton, den Sündenfall von Adam und Eva zum literarischen Thema zu machen. Er dachte allerdings zunächst an ein Drama, zu dem er auch mehrere Entwürfe schrieb. Seit Langem hatte er außerdem den Plan, ein großes Versepos zu schaffen – dessen Thema sollte ein historischer englischer Stoff sein. Erst viel später brachte er die beiden Vorhaben zusammen. Milton litt vermutlich an einem Glaukom (grüner Star). Als er ab 1658 an seinem Sündenfall-Epos arbeitete, war er bereits erblindet und diktierte die Verse bezahlten Gehilfen und seinen Töchtern. Es ging mühsam voran: Miltons Dichtung floss nicht einfach aufs Papier, sondern das Werk wuchs in Portionen von zehn bis 30 Versen an. 1665 war es vollendet. Milton wollte mit seiner Gestaltung des biblischen Themas weder der Genesis Konkurrenz machen noch als Theologe darüber schreiben. Bewusst knüpfte er an die antike Tradition der großen Epen an, um sie mit einem christlichen Thema zu erneuern. Besonders deutlich ist der Einfluss von Vergils Aeneis, aber auch zeitgenössische Epen und Dramen mit verwandten Themen inspirierten ihn, darunter Adamus exul von Hugo Grotius, den Milton 1638 in Paris aufsuchte, und Lucifer von Joost van den Vondel. Die zehn Bücher umfassende Erstausgabe von Miltons Werk erschien 1667, die endgültige zweite Fassung 1674. Milton hatte den Text auf zwölf Bücher (analog zur Aeneis) erweitert und durch ein Vorwort ergänzt.

Wirkungsgeschichte

Die Wirkung des Verlorenen Paradieses auf die englische wie auf die internationale Literatur ist kaum zu überschätzen. Das Werk machte John Milton zum meistbewunderten englischen Autor neben Shakespeare. Generationen von Dichtern nahmen das Epos des „englischen Homer“ zum Vorbild, insbesondere die englischen Autoren des 17., 18. und 19. Jahrhunderts. John Dryden, der Miltons 10 000 Verse in eine Theaterversion mit fünf Akten brachte, übertrug außerdem in seinem politischen Gedicht Absalom and Achitophel die Rollen von Gott, Satan und Adam auf die aktuellen Akteure des Englischen Bürgerkriegs. Alexander Pope schrieb eine amüsante Version von Miltons Sündenfallmythos in The Rape of the Lock, und sein Gedicht Windsor Forest beruht auf dem Edenmythos. Anne Finch, Gräfin von Winchilsea, entwickelte in The Petition for an Absolute Retreat die Perspektive von Eva weiter: Sie sah sie im wiedergewonnenen Paradies die Früchte der Einsamkeit genießen, ohne Adam, ohne zerstörerische Leidenschaften.

Die Romantiker hatten eine eigene Perspektive auf Miltons Werk: In William Blakes Gedicht mit dem Titel Milton wird der Autor zugleich verehrt und kritisiert. Und in The Marriage of Heaven and Hell stellt Blake die provokante These auf, dass Milton unbewusst die Partei des Bösen ergriffen habe: Die Passagen um Satan und die Hölle seien seine stärksten. Alle Romantiker standen unter Miltons Einfluss und litten z. T. unter seinem Übervaterstatus. Daneben gab es natürlich auch vehemente Gegner. Einige besonders streng puritanische Zeitgenossen warfen Milton vor, dass das Epos zu regellos und verspielt sei, während spätere antipuritanische Kritiker das Gegenteil monierten, nämlich dass es zu steif und zu mechanisch wirke. Eine der ersten Übersetzungen ins Deutsche war die des Schweizers Johann Jakob Bodmer von 1724. Die Veröffentlichung wurde jedoch im puritanischen Zürich von der geistlichen Zensur zunächst abgelehnt, weil es sich für einen so heiligen Stoff um eine „allzu romantische Schrift“ handle. Auch in Nürnberg, Dresden und Hamburg weigerte man sich, das Werk zu verlegen; erst 1732 wurde es in Zürich gedruckt. Damit gewann Milton auch im deutschen Sprachraum an Strahlkraft. Das bedeutendste von ihm beeinflusste Werk ist Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias.

Über den Autor

John Milton wird am 9. Dezember 1608 in London in ein puritanisches Elternhaus geboren. Schon als Junge zeigt er einen enormen Wissensdurst. Von 1625 bis 1629 studiert er in Cambridge Literatur und danach im Selbststudium vor allem die lateinischen und griechischen Klassiker, gefördert von seinem Vater. Er schreibt Gedichte, auch in Latein und auf Italienisch, die oft bereits religiöse Inhalte haben. 1638 unternimmt er eine 15-monatige Reise nach Italien. Nach seiner Rückkehr schreibt er fast 20 Jahre lang keine Gedichte mehr, sondern revolutionäre Streitschriften für die Sache der Puritaner und des Parlaments, gegen die Monarchie und die katholische Kirche. Er verdingt sich als Privatlehrer und heiratet als 35-Jähriger; seine Braut ist 17 Jahre alt. Nach sechs Wochen verlässt sie ihn und kehrt zu ihren Eltern zurück. Schwer getroffen, versucht Milton in einer anonym veröffentlichten Schrift, eine Scheidung bei charakterlicher Unverträglichkeit zu rechtfertigen. Drei Jahre später kehrt die Frau zu ihm zurück, und er hat drei Töchter mit ihr. Nach der Hinrichtung Karls I. 1649 wird Milton auswärtiger Sekretär des neu gebildeten republikanischen Staatsrates unter Cromwell. Im Zuge der Restauration 1660 muss er untertauchen und kommt kurzzeitig gar ins Gefängnis. Sein Haus wird im Londoner Brand von 1666 zerstört. Milton wendet sich seinen großen Alterswerken und damit Gott zu: Paradise Lost (Das verlorene Paradies, 1667), danach Paradise Regained (Das wiedergewonnene Paradies, 1671). Ab 1651 ist er völlig erblindet und auf Helfer angewiesen, die ihm vorlesen und nach seinem Diktat schreiben. Er selbst macht für die Schädigung seiner Augen sein unermüdliches Lesen und sein Schreiben von Kindheit an verantwortlich. Das Copyright am Verlorenen Paradies verkauft der verarmte Milton für zehn Pfund. Am 8. November 1674 stirbt er in London an Nierenversagen. Ein halbes Jahrhundert später wird ihm in der Westminster Abbey ein Denkmal gesetzt.

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    C. W. vor 7 Jahren
    Das Paradies ist verloren

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