Echte Revolutionen sind in der Wissenschaft selten. Auch erweist sich das Potenzial einer scheinbar bahnbrechenden Idee meist erst im Nachhinein. In den Wirtschaftswissenschaften war es zuletzt der Ansatz der Verhaltensökonomie, der versuchte, ganz neue Grundannahmen zu treffen. Robert Shillers Buch Narrative Wirtschaft zielt auf einen ähnlichen Paradigmenwechsel. Der Gedanke, gesellschaftlich-historische Erzählungen für die Vorhersage wirtschaftlicher Entwicklungen zu nutzen, ist durchaus plausibel, bedarf aber sicher noch einiger Vorarbeit, um fruchtbar zu werden. Jedenfalls ein höchst interessanter Ansatz.
Ökonomische Narrative sind Geschichten, die wirtschaftliche Entscheidungen von Einzelnen und damit auch größere Entwicklungen beeinflussen.
Die Idee des Rollkoffers ist schon fast 100 Jahre alt. Aber erst Anfang der 1970er-Jahre wurde ein ernsthafter Versuch gemacht, sie auf den Markt zu bringen – ohne Erfolg. Dabei gibt es eigentlich keinen vernünftigen Grund, warum die Idee sich nicht sofort durchsetzte und die Leute weiterhin ihre Koffer herumschleppten. Eine Erklärung könnte sein, dass ihnen die Vorstellung, ihren Koffer hinter sich herzuziehen, lächerlich vorkam. Für diese Erklärung spricht, dass die Idee vom Koffer auf Rädern in dem Moment abhob, als die Werbung sie mit einem coolen Narrativ verknüpfte: Flugzeugcrews in schicken Uniformen, die mit Rollkoffer an Bord ihrer Maschinen gingen, machten des Produkt zum Hit.
Ein anderes Beispiel für die Macht von Geschichten sind Kryptowährungen wie Bitcoin. Auch wenn Investor Warren Buffett von einem Glücksspiel spricht, finden Kryptowährungen seit mehr als einem Jahrzehnt begeisterte Anhänger. Der Grund dafür könnte sein, dass sie in ein bestimmtes Narrativ eingebettet sind. Darin tritt die dezentrale...
Robert J. Shiller ist Wirtschaftswissenschaftler und lehrt an der Yale University. 2013 wurde er mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Er ist Autor verschiedener Bestseller, darunter Irrationaler Überschwang und Animal Spirits.
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Die genannten Beispiele aus der Geschichte erscheinen mir jedoch eher naiv und die Schlußfolgerungen ein wenig zu voreilig.