Marketing So geht Werbung in China

Illustration: Patrick Mariathasan für Harvard Business Manager
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Um den Verkauf zum bevorstehenden Neujahrsfest anzukurbeln, wollte die rasant wachsende chinesische Spirituosenmarke Xi Jiu 2017 eine Werbekampagne starten. Wäre der Hersteller ein großes westliches Unternehmen in einem entwickelten Markt gewesen, hätten die Markenmanager gewiss viele Monate im Voraus begonnen, Pläne zu schmieden. Sie hätten eine Werbeagentur beauftragt und Finanzmittel für TV-, Online- und Plakatwerbung bereitgestellt. Sie hätten Brainstorming-Sessions zur kreativen Ideenfindung einberufen und angefangen, aufwendige Werbespots zu drehen.
Der Ansatz, den Xi Jiu für seinen heimischen Markt wählte, war jedoch ein völlig anderer: Das Unternehmen schloss sich direkt mit der führenden chinesischen Nachrichten-App Tencent News zusammen. Gemeinsam produzierten der Spirituosenhersteller und das Technologieunternehmen eine Reihe einstündiger, als Online-Livestream gesendeter Kochshows, in denen bekannte Chefköche aus verschiedenen Regionen Chinas den Zuschauern zeigten, wie man lokale Spezialitäten zubereitet, und dabei passende Angebote der Spirituosenmarke präsentierten. Die Native-Advertising-Inhalte (Werbung, die aussieht wie redaktionell erstellte Inhalte – Anm. d. Red.) wurden auf allen Nachrichten-, Social-Media-, Entertainment- und Gamingplattformen von Tencent hervorgehoben. Jeden Tag riefen über 1,2 Millionen Menschen auf ihren Smartphones diese Streams ab. Anstatt Monate in eine minutiöse Planung der Kampagne zu investieren, verwirklichten Xi Jiu und Tencent das Ganze – Konzept, Vertragsverhandlungen, Produktion und Ausstrahlung der Shows – in nur fünf Tagen. In den Sendungen selbst fiel kein Wort über Preisnachlässe oder Sonderangebote. Die Kampagne war einzig und allein darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit und die Bindung der User an die Marke zu steigern.
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Seit Jahrzehnten handeln CEOs multinationaler Marken, die weltweit expandieren wollen, nach der immer gleichen Devise: Natürlich müssen Marketinginhalte und die Wahl der Vermarktungskanäle an lokale Märkte angepasst werden – aber westliche Marketingprinzipien sind universell gültig. Unternehmen sind schnell dabei, die ihnen vertrauten Medien- und Werbestrategien eins zu eins auf Schwellenmärkte zu übertragen, in denen Werbung und Medien jedoch deutlich jüngere Entwicklungen sind. Nach ausführlichen Interviews mit Topmanagern von rund einem Dutzend chinesischen Unternehmen (darunter Tencent, Oppo und Mengniu) sowie aus 15 multinationalen Konzernen mit erheblicher Marktpräsenz in China (darunter McDonald's, Visa und BMW) bin ich überzeugt, dass diese Sichtweise falsch ist.
Chinesische Marketingleute haben eine Strategie ersonnen, die perfekt auf die Mobile-first-Konsumenten in China abgestimmt ist. Sie beruht darauf, "teilenswerte" virale Inhalte zu erstellen, und auf der Präsenz mächtiger, kanalübergreifender Medienriesen. Das ist schneller, billiger und in vielerlei Hinsicht effektiver als das traditionelle westliche Marketingparadigma. Gleichzeitig zeugt es von einer höheren Risikobereitschaft. Westliche Unternehmen, die in den chinesischen Markt einsteigen oder ihre Geschäfte dort ausbauen wollen, werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie die chinesische Marketingmentalität verstehen. Sicherlich basiert dieser ganzheitliche Ansatz auf der spezifischen Struktur des chinesischen Marktes und ist daher nicht direkt auf die Medienlandschaft in anderen Ländern übertragbar. Dennoch ist er womöglich weit besser für den globalen Markt geeignet als die traditionellen westlichen Methoden.
Als ehemalige Marketingchefin, die für den Aufbau globaler Marken in Auslandsmärkten verantwortlich war, und auch in meiner derzeitigen Rolle als Wissenschaftlerin, die über Marketing in Unternehmen forscht, finde ich das, was derzeit in China passiert, spannend und beängstigend zugleich. Es ist spannend zu beobachten, wie eine neue Generation von Marketingexperten auf ganz neuen Wegen mit Verbrauchern in Kontakt tritt. Gleichzeitig ist es beängstigend, weil westliche Manager mit ihren traditionellen Denkmustern die Macht der neuen Kompetenzen unterschätzen oder sie als marktspezifische Bagatelle abtun. Diese Sichtweise birgt freilich Gefahren: Um in China echte Erfolgschancen zu haben, müssen westliche Unternehmen begreifen, dass Marketing dort alles andere ist als Business as usual. Im Idealfall lernen sie zudem, einige dieser Lektionen auch auf westliche Märkte zu übertragen.
Chinas Märkte sind völlig anders
Der sich in China entwickelnde Marketingansatz unterscheidet sich von dem herkömmlicher Industrienationen, weil der dortige Markt anders ist – in vier wesentlichen Aspekten.
Kanalübergreifende Medienriesen
Der erste und wichtigste Unterschied besteht in der Präsenz gigantischer, kanalübergreifender Medienkonzerne. Zu nennen sind hier vor allem Baidu, Alibaba und Tencent, die zusammen unter dem Akronym BAT bekannt sind. Um sich eine ungefähre Vorstellung davon zu machen: Auf westliche Standards übertragen wäre dies in etwa so, als gehörten Amazon, die Bank of America, Google, Facebook, der Computer- und Videospielkonzern Activision Blizzard, CNN und der Sportfernsehsender ESPN allesamt zu einem einzigen Unternehmen. So läuft es im Wesentlichen bei den großen chinesischen Mischkonzernen; dabei kontrollieren die BAT-Unternehmen branchenübergreifend die meisten digitalen Inhalte.
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