Gudrun Happich
Herausforderungen im Führungsalltag
24 Führungsthemen für den Weg ins Topmanagement
Haufe, 2021
What's inside?
Aus der Praxis für die Praxis – wie Sie die Herausforderungen einer Führungsposition meistern.
Rezension
Gudrun Happichs praktisches Handbuch zu Führungsfragen in der Wirtschaft gehört zum Besten, was der deutschsprachige Markt zu diesem Thema zu bieten hat. Das Buch lässt keinen wichtigen Aspekt außer Acht. Wer eine Laufbahn als Führungskraft anstrebt oder bereits Führungsverantwortung trägt, findet hier geballtes Praxiswissen, wie es in dieser Form wohl an keiner Universität gelehrt wird. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Autorin völlig auf Fachvokabular verzichtet. Eine unbedingte Leseempfehlung!
Take-aways
- Der Wechsel von der Fach- zur Führungskraft und der Aufstieg ins Topmanagement sind zwei kritische Karrierepunkte.
- Bereiten Sie den Wechsel in eine neue Position minutiös vor und holen Sie sich Unterstützung.
- Formen Sie Ihr Team so schnell wie möglich zu einer eingeschworenen Gemeinschaft.
- Ihr Führungsstil sollte sich an Ihren persönlichen Stärken orientieren.
- Um Ihrem Chef gegenüber durchsetzungsfähiger zu werden, brauchen Sie eine starke innere Überzeugung.
- Treffen Sie Ihre Entscheidungen systematisch.
- Wer sich darüber klar ist, welche Rahmenbedingungen ihm ein neuer Job unbedingt bieten muss, schützt sich vor falschen Karriereentscheidungen.
Zusammenfassung
Der Wechsel von der Fach- zur Führungskraft und der Aufstieg ins Topmanagement sind zwei kritische Karrierepunkte.
Führungskarrieren kennen zwei kritische Punkte: den Wechsel von der Fach- zur Führungskraft und den Aufstieg ins Topmanagement. Besonders Letzterer wird in seiner Bedeutung oft unterschätzt. Um die Schwierigkeiten dieser beiden Momente besser zu verstehen, hilft ein Blick auf die konkreten Anforderungen, die die jeweilige Rolle mit sich bringt.
„Von der jungen Führungskraft wird erwartet, dass sie eine Mannschaft erfolgreich aufbauen und führen kann.“
Gewöhnlich startet man als Fachkraft ins Berufsleben. Stimmt die Leistung, wird man vielleicht auf eine Führungsposition befördert. Ab diesem Augenblick ist dann aber nicht mehr die Einzelleistung ausschlaggebend, sondern die Teamleistung der geführten Mannschaft. Auf dem weiteren Weg ändern sich Aufgaben und Verantwortung, aber die Spielregeln bleiben die gleichen. Erst mit dem Wechsel ins Topmanagement stehen wieder ganz andere Dinge im Fokus. Hier geht es um Strategien und Beziehungen. Doch für den frischgebackenen Topmanager sind die Spielregeln und die Interessenlage seiner neuen Umgebung nur schwer zu erkennen.
„Beim Sprung ins Topmanagement stehen Strategien, Beziehungen und Verhandlungen, vor allem auch politisches und taktisches Kalkül im Vordergrund.“
Während Sie sich beim Wechsel in eine Führungsrolle zum Teamführer wandeln müssen, kommt es im Topmanagement darauf an, sich auf politischem Parkett sicher bewegen und geschickt taktieren zu können. Konzentrieren Sie sich aber in jedem Fall auf folgende drei Punkte:
- Verschaffen Sie sich ein genaues Bild von der neuen Stelle.
- Bereiten Sie sich sorgfältig vor.
- Konzentrieren Sie sich besonders auf die ersten 100 Tage.
Bereiten Sie den Wechsel in eine neue Position minutiös vor und holen Sie sich Unterstützung.
Selbst wenn Sie innerhalb der Organisation wechseln, sollten Sie sich vorab schlaumachen. Ermitteln Sie genau, auf welcher Ebene Ihre neue Position liegt. Dadurch können Sie besser einschätzen, wie viel Neues Sie lernen müssen. Auch sollten Sie beachten, dass Ihre Vorgesetzten, Mitarbeiter und Kunden Sie stets an Ihrem Vorgänger messen. Finden Sie also heraus, welches Image er hatte. Sprechen Sie außerdem mit Ihrem künftigen Vorgesetzten. Fragen Sie ihn, wo er Ihre Stärken sieht und was er von Ihnen erwartet. Machen Sie deutlich, wofür Sie stehen. Ergründen Sie die Rahmenbedingungen Ihrer neuen Position. Suchen Sie nach Besonderheiten, ungeschriebenen Gesetzen und kulturellen Eigenheiten.
„Achten Sie darauf, keine unrealistischen Ziele zu akzeptieren.“
Nutzen Sie alle Möglichkeiten, sich auf die neue Rolle vorzubereiten. Fragen Sie im Personalressort nach passenden Entwicklungsangeboten oder einem externen Coaching für die Startphase. Entwickeln Sie in Abstimmung mit Ihrem neuen Vorgesetzten eine Art Businessplan, der die strategische Entwicklung der Abteilung umreißt. Gliedern Sie ihn in drei Abschnitte: Unter „Orientierung“ liefern Sie Ihre Bestandsaufnahme. Im Abschnitt „Positionierung“ beschreiben Sie Ihren Zukunftsentwurf. Unter „Realisierung“ nennen Sie die Initiativen, Projekte und Maßnahmen, die Sie auf den Weg bringen wollen.
Formen Sie Ihr Team so schnell wie möglich zu einer eingeschworenen Gemeinschaft.
Verlieren Sie in der neuen Position keine Zeit und gewinnen Sie vom ersten Tag an Ihre Mitarbeiter für sich. Damit legen Sie den Grundstein für den Aufbau eines leistungsstarken Teams. Diese sieben Schritte helfen Ihnen dabei:
- Bereiten Sie sich vor. Finden Sie heraus, was Sie erwartet. Das erspart Ihnen unliebsame Überraschungen.
- Erfassen Sie Rahmenbedingungen und Ziele. Für welche Mitarbeiter sind Sie direkt verantwortlich? Wie sehen deren Verträge aus? Welche Befugnisse haben Sie? Welche Ziele sollen Sie erreichen? Akzeptieren Sie grundsätzlich nur realistische Ziele.
- Gewinnen Sie die Herzen der Mannschaft. Zeigen Sie sich nahbar und dialogbereit und hören Sie in den ersten Wochen besonders gut zu. Machen Sie es sich zum Ziel, binnen zwei Wochen persönlich mit jedem gesprochen zu haben. Erkennen Sie Stärken, Schwächen und informelle Strukturen. Vermeiden Sie Zusagen und Versprechungen.
- Vermitteln Sie übergeordnete strategische Ziele. Ihre Mitarbeiter müssen wissen, welche Strategie und Ziele die Abteilung verfolgt. Begeistern Sie sie dafür und helfen Sie ihnen, das Ganze in den Blick zu nehmen und sich damit zu identifizieren.
- Etablieren Sie klare Regeln. Das Wechselspiel von Selbstverantwortung und Einordnung ins System funktioniert nur, wenn Regeln und Erwartungen klar benannt sind. Als Vorgesetzter sind Sie verantwortlich dafür, dass alle diese Regeln kennen und einhalten.
- Vereinbaren Sie persönliche Ziele. Nach der Orientierungsphase überprüfen Sie, ob sich jeder Mitarbeiter auf der richtigen Position befindet, und führen Zielvereinbarungsgespräche. Je nach Persönlichkeit begleiten Sie Ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung mehr oder weniger intensiv. Schaffen Sie Rituale und demonstrieren Sie Verbindlichkeit.
- Fördern Sie den Austausch. Sorgen Sie für intensive Kontakte im Team. Gestalten Sie Meetings produktiv, indem Sie die Teilnehmerzahl niedrig halten und eine klare Agenda vorlegen. Lassen Sie immer ausreichend Raum für das Zwischenmenschliche. Die Beziehungen im Team sind ebenso wichtig wie fachliche Fragen.
Ihr Führungsstil sollte sich an Ihren persönlichen Stärken orientieren.
Der persönliche Führungsstil ist die Art und Weise, wie eine Person andere im Tagesgeschäft zu Ergebnissen führt. Mitarbeiter schätzen in dieser Hinsicht Verlässlichkeit, Loyalität und Prinzipienfestigkeit – auch und besonders in Krisensituationen. Eine entscheidende Rolle spielt Vertrauen auf der persönlichen Ebene. Je weiter oben Sie sich in der Hierarchie befinden, desto wichtiger wird Vertrauen.
„Ein angelernter oder beim Vorgesetzten kopierter Führungsstil ist nicht authentisch, er wirkt unglaubwürdig. Es bedarf stattdessen eines eigenen Führungsstils – echt, stimmig, berechenbar.“
Pflegen Sie Ihren eigenen Führungsstil und seien Sie authentisch. Das macht Sie glaubwürdig und vertrauenswürdig. Begehen Sie auf keinen Fall den Fehler, sich einen Führungsstil künstlich anzulernen oder gar von Ihrem eigenen Chef zu kopieren. Ihr Führungsstil ist Teil Ihrer Gesamtpersönlichkeit und wächst mit dieser weiter. Im Kern aber bleibt er konstant. Für einen erfolgreichen Manager gehört er zu den wichtigsten persönlichen Assets. Bei der Suche nach dem eigenen Stil sollten Sie auf Ihre Stärken vertrauen. Fragen Sie sich, wie Sie die Sache anpacken wollen. Evaluieren Sie, was gut funktioniert und was nicht. Lernen Sie aus Ihren Erfolgen und Fehlern.
Bleiben Sie aber flexibel. Es kann Situationen geben, wie Krisen oder der Umgang mit schwierigen Mitarbeitern, bei denen Sie auch mal von bewährten Pfaden abweichen müssen. Bei einem Jobwechsel sollte Ihr Führungsstil zum neuen Umfeld passen. Ist das nicht der Fall, sollten Sie ablehnen. Sagen Sie nur zu, wenn es eine realistische Option gibt, Ihren Stil in der fremden Kultur durchzusetzen.
Um Ihrem Chef gegenüber durchsetzungsfähiger zu werden, brauchen Sie eine starke innere Überzeugung.
Als Führungskraft führen Sie nicht nur Ihre Mitarbeiter, sondern müssen sich auch mit Ihrem eigenen Vorgesetzten auseinandersetzen. Hier gibt es zwei grundsätzliche Szenarien: Sie brauchen eine Entscheidung Ihres Vorgesetzten, um mit Ihrem Team die Ziele zu erreichen. Oder Sie benötigen Unterstützung für neue Ideen oder Initiativen. In beiden Fällen ist Fingerspitzengefühl gefragt.
„Eine Führungskraft führt nicht nur die Mitarbeiter. Immer wieder steht sie vor der Aufgabe, auch den Vorgesetzten zu führen.“
Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, Ihren Chef verändern zu wollen. Kommen Sie bei ihm mit Ihrem Anliegen nicht recht voran, sollten Sie sich lieber mit den Spielregeln und dem Beziehungsgeflecht auf seiner Hierarchieebene beschäftigen. Möglicherweise finden Sie Unterstützer und können Ihr Anliegen quasi „über Bande“ voranbringen.
Um gegenüber Ihrem Vorgesetzten durchsetzungsfähiger zu werden, achten Sie auf zwei Dinge: Erstens müssen Sie von Ihrem Anliegen oder von Ihren Behauptungen tatsächlich überzeugt sein. Wo Sie eine Sache vertreten, von der Sie im Ganzen nicht voll überzeugt sind – wie es im Führungsalltag immer wieder vorkommt –, konzentrieren Sie sich auf einen Teilaspekt, hinter dem Sie voll und ganz stehen können.
Zweitens sollten Sie immer die emotionale Ebene miteinbeziehen. Argumentieren Sie fachlich überzeugend, aber gehen Sie auch gezielt auf die Wünsche und Bedürfnisse Ihres Chefs ein. Versuchen Sie, ihn emotional für sich und Ihren Vorschlag einzunehmen. Operieren Sie auf beiden Ebenen, stärkt das Ihre Glaubwürdigkeit und Sie gewinnen nachhaltig an Durchsetzungskraft.
Die Qualität Ihrer Entscheidungen ist die Grundlage für den Erfolg.
Als Führungskraft sind Sie immer auch Entscheider. Je besser Ihre Entscheidungen, desto größer Ihr Erfolg. Doch oft müssen Führungskräfte Entscheidungen auf Basis lückenhafter Informationen, unter Zeitdruck oder unter extremen Umständen treffen. Dabei müssen Sie die schädliche Wirkung von Stress auf die für das kreative Denken zuständigen Bereiche im Gehirn abmildern. Denn gerade in Krisen kommt es oft auf kreative Lösungen an.
„Entscheidungsfindung hat letztlich damit zu tun, Klarheit zu suchen.“
Gehen Sie in jedem Fall möglichst strukturiert vor. Ein typischer Entscheidungsfindungsprozess im Führungsalltag lässt sich in fünf Schritte gliedern:
- Klarheit gewinnen. Finden Sie heraus, welches Ziel über allen anderen steht und was Sie wollen. Vermeiden Sie es dabei unbedingt, sich selbst zu betrügen.
- Auf ein Lösungsmindset umschalten. Wenden Sie sich möglichst rasch der Lösungssuche zu. Klären Sie in diesem Rahmen für sich, welchen Preis Sie für das Erreichen Ihres Ziels zu zahlen bereit sind. Wie weit würden Sie gehen? Wo liegen Ihre Grenzen für Kompromisse und Risiken? Welche Alternativen gibt es?
- Szenarien durchdenken. Testen Sie, wie belastbar eine Option ist, indem Sie verschiedene Zukunftsszenarien entwickeln. Spielen Sie in Gedanken Komplikationen bis hin zum Worst Case durch.
- Entscheiden. Listen Sie Ihre Optionen auf. Ermitteln Sie die für Sie beste Entscheidung – und treffen Sie sie.
- Spielregeln kommunizieren. Sorgen Sie dafür, dass bei allen Beteiligten Klarheit über das weitere Vorgehen und die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln herrscht.
In schwierigen Situationen helfen Ihnen diese Strategien:
- Konzentrieren Sie sich auf das, was in der aktuellen Situation das Wichtigste ist. Oft geht es schlicht ums Überleben oder darum, handlungsfähig zu bleiben.
- Bringen Sie Kopf und Bauch zusammen. Achten Sie auf Ihre Intuition, wenn Sie die Situation analysieren und die nächsten Schritte planen.
- Klären Sie, wer eigentlich zuständig ist. Fällt eine Entscheidung in Ihren Verantwortungsbereich, treffen Sie sie. Fällt sie jedoch in den Verantwortungsbereich einer anderen Person, holen Sie die Entscheidung aktiv ein. Klingt selbstverständlich, wird aber oft falsch gemacht.
- Übernehmen Sie bewusst Verantwortung. Holen Sie Rat ein, aber entscheiden Sie selbst. Sie allein tragen auch die Verantwortung für die Folgen.
- Entfalten Sie Aktivität, ohne dabei aber wirklich etwas zu tun. Das veranlasst Ihre Mitarbeiter im besten Fall dazu, selbst aktiv zu werden. Nach einiger Zeit können Sie so erkennen, wer Verantwortung übernimmt, und entdecken womöglich Absichten, Allianzen und Beziehungen, die Ihnen sonst verborgen geblieben wären.
Klarheit über das, was für Sie im Job unverzichtbar ist, schützt Sie vor falschen Karriereentscheidungen.
Wer eine falsche Karriereentscheidung trifft, findet sich oft auf einer Position wieder, die nicht seinen Wünschen entspricht. Damit das Ihnen nicht passiert, sollten Sie die folgenden Tipps beachten:
- Orientieren Sie sich nicht an falschen Karriereratgebern.
- Lassen Sie sich nicht aus Ihrem Umfeld unter Druck setzen.
- Lassen Sie sich nicht von einem guten Gehalt oder einer höheren Position verleiten.
- Unterschätzen Sie nicht das Eigeninteresse des Unternehmens, das Ihnen ein Angebot macht.
Fehlentscheidungen können Sie mit einer sogenannten U-Liste vermeiden. Dieser Methode liegt die Annahme zugrunde, dass man sich in seiner Berufslaufbahn prächtig entwickelt, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Ihre Wunschvorstellungen schreiben Sie in einem ersten Schritt ungefiltert in einer Liste nieder. Lassen Sie sich von der Frage leiten, was die Idealbedingungen in Bezug auf den Arbeitgeber, Einsatzort, Aufgaben, Arbeitszeiten, Entgelt usw. wären. Nehmen Sie sich dafür zwei bis drei Stunden Zeit und seien Sie gründlich.
Danach durchforsten Sie die Liste und suchen die fünf bis sechs Rahmenbedingungen heraus, die für Sie unbedingt (daher das U) erforderlich sind. Diese Liste ist dann Ihr ganz persönliches Karriere-Steuerungsinstrument. Als Gegenprobe können Sie sich bei jedem dieser Punkte fragen: „Könnte ich darauf verzichten?“ Prüfen Sie, ob tatsächlich kein Kompromiss bei dem entsprechenden Kriterium möglich ist. Wenn Sie ein Angebot bekommen, testen Sie es anhand Ihrer U-Liste. Ist ein Punkt nicht erfüllt, sagen Sie nicht gleich ab, sondern suchen Sie das Gespräch. Erstaunliche 90 Prozent der Rahmenbedingungen sind erfahrungsgemäß verhandelbar.
Über die Autorin
Gudrun Happich unterstützt als Executive Business Coach Führungskräfte verschiedener Hierarchiestufen in Wirtschaftsunternehmen.
Dieses Dokument ist für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
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