Wie kaum ein anderer verkörpert Joe Biden die Irrungen und Wirrungen der US-Politik in den vergangenen 50 Jahren: Als Schüler überwand der Sohn eines Autohändlers sein Stottern, wurde im zarten Alter von 29 Jahren US-Senator – und bald darauf vom idealistischen Rebellen zum pragmatischen Wendehals. Oder ist er gar ein verkannter Virtuose kollegialer Realpolitik, der seine Gegner erst entwaffnet, sie dann umarmt und sanft überwältigt? Reporterlegende Evan Osnos enthält sich in diesem vielschichtigen und einfühlsamen Porträt einer Wertung. Genau das macht sein Buch so lesenswert.
Im Schicksalswahljahr 2020 musste Joe Biden den Amerikanern den Glauben an sich selbst zurückgeben.
Drei Wochen bevor Joe Biden zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei gekürt werden sollte, lagen die USA am Boden: Covid-19 wütete ungebremst, der amtierende Präsident Donald Trump brüstete sich damit, von Demokraten regierten Bundesstaaten Testmaterialien vorzuenthalten, und nach George Floyds Erstickungstod demonstrierten Millionen Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Knapp vier Jahre unter Trump hatten das Land zutiefst gespalten.
Biden selbst schien in dieser Zeit wenig zuversichtlich. Aber er weigerte sich, Trumps Anhänger als böswillige Idioten abzustempeln. Stattdessen versprach er, im Falle eines Wahlsieges Amerika zu heilen – und zugleich die progressivste Politik seit Franklin D. Roosevelts New Deal in den 1930er-Jahren umzusetzen. Der 77-Jährige reichte zudem einer krisengebeutelten und schuldengeplagten Millennial-Generation die Hand. Er könne ihre Nöte verstehen, betonte er wiederholt. Schließlich zahle er als Vater noch immer die sechsstelligen Studienkredite seines Sohnes Beau zurück, der 2015 im Alter von 46 Jahren...
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