Friedrich Nietzsche
Also sprach Zarathustra
Ein Buch für Alle und Keinen
dtv, 2002
Was ist drin?
Das faszinierende und irritierende Hauptwerk Nietzsches, in dem er die Ideen des Übermenschen und der ewigen Wiederkehr als Rettung für die Menschheit verkündet.
- Philosophie
- Moderne
Worum es geht
Die große Predigt des Dichterphilosophen
"Gott ist tot" - mit diesem Diktum hat Nietzsche dem modernen Menschen die Illusion genommen, dass es ein höheres Wesen gebe, das Sinn in diese Welt bringt. Dieser Sinn muss vielmehr vom Menschen selbst geschaffen werden. Hatte Nietzsche lange mit dem Nihilismus geliebäugelt, also der Annahme, dass ein Sinn gar nicht möglich, aber auch nicht nötig sei, so stellt er in Also sprach Zarathustra erstmals ein Werk vor, das umfassende Orientierung stiften kann. Er lässt den Einsiedler Zarathustra (benannt nach einem persischen Religionsstifter) von seinem Berg zu den Menschen herabsteigen und seine Lehren verkünden. Aber dies mit der klaren Aufforderung: Glaube nicht einfach, denke selbst, finde deinen eigenen Weg, folge mir nicht nach! Im Zentrum steht die Idee des Übermenschen, an der sich jeder orientieren kann, um Durchschnittlichkeit, falsche Gläubigkeit und billige Moral zu überwinden und über sich selbst hinauszuwachsen, um neue Werte, vielleicht sogar eine neue Welt zu schaffen. Der Übermensch ersetzt Gott als Ziel menschlichen Strebens. Zarathustras Reden sind meist hymnische Aphorismen, teils in expressiver, lyrischer Form. Er befasst sich mit vielen Themen, die den modernen Menschen betreffen: Staat, Ehe, Freundschaft etc., wobei er jede Form der Gewöhnlichkeit und des Selbstbetrugs aufspießt und vorführt. Der Text ist zugleich Philosophie und Poesie und gilt als Nietzsches Hauptwerk, in dem seine Gedanken zu einem Höhepunkt und Abschluss gelangten - bevor der Philosoph in geistige Umnachtung verfiel.
Take-aways
- Also sprach Zarathustra ist das bekannteste Werk des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche.
- Durch seine aphoristische, bilderreiche und lyrische Form ist das Werk in der neuzeitlichen Philosophie einzigartig; es ist gleichzeitig Literatur und Philosophie.
- Der Einsiedler Zarathustra steigt nach Jahren der Einsamkeit aus den Bergen herab, um den Menschen seine Weisheit mitzuteilen.
- Sprachlich sehr vielfältig singt und dichtet Zarathustra in kurzen Abschnitten von verschiedenen Aspekten des Lebens und vermittelt so Nietzsches Philosophie.
- Diese Philosophie baut auf der Erkenntnis auf: "Gott ist tot", und versucht dem Leben diesseits von Religion und Metaphysik einen Sinn zu geben.
- Der "Übermensch" soll Gott ersetzen und den Menschen als Leitbild dienen, um über ihre eigene Gewöhnlichkeit hinauszuwachsen.
- Hierbei hilft der "Wille zur Macht": Wer etwas neu denkt und erschafft, der ist mächtig und verändert die Welt. Es gilt, das Alte zu überwinden.
- Der Gedanke der "ewigen Wiederkehr" soll den Menschen Halt geben: Alles Geschehene ist schon unendlich oft geschehen und wird auch immer wieder geschehen. Daher soll der Mensch das Leben lieben und bejahen.
- Nietzsche überwindet im Zarathustra seinen Nihilismus und schöpft Hoffnung für die Menschen. Zugleich markiert das Werk den Anfang seines seelischen Zusammenbruchs.
- Nietzsche traf den Zeitgeist; die Kultur der Jahrhundertwende griff seine Ideen in ihrem Kampf gegen Dekadenz und Philistertum (Spießbürgertum) begeistert auf.
- Zarathustra hatte besonders große Wirkung in der Literatur, der Musik und der bildenden Kunst, weniger in der Philosophie.
- Der bruchstückhafte Aufbau lässt viele Lesarten des Werkes zu. Einzelne Ideen sind auch von extremen Weltanschauungen (Nationalsozialismus) entlehnt worden.
Zusammenfassung
Also sprach Zarathustra
Zarathustra ist ein Einsiedler, der nach Jahren der Einsamkeit und Selbstbesinnung seine Bergwelt verlässt, um den Menschen seine Weisheit mitzuteilen. Auf seinem Weg begegnet ihm ein Weiser, der, allein im Wald, mit Gott sein Glück gefunden hat. Zarathustra wendet sich schnell von ihm ab und wundert sich, dass der Greis noch nicht vernommen hat, dass Gott tot ist.
„Als Zarathustra aber allein war, sprach er also zu seinem Herzen: ‚Sollte es denn möglich sein! Dieser alte Heilige hat in seinem Walde noch Nichts davon gehört, dass Gott todt ist!'“ (S. 14)
In der nächstgelegenen Stadt spricht Zarathustra auf dem Marktplatz zur versammelten Menge: "Ich lehre euch den Übermenschen." Um diesen zu erschaffen, müsse der jetzige Mensch und damit alles Bestehende untergehen. Glück, Vernunft und Tugend seien zu überwinden; insbesondere die Genügsamkeit hält Zarathustra für das größte Laster und Zeichen des Mittelmaßes. Auch der Glaube an etwas Göttliches, also etwas, das jenseits des Irdischen liegt, sei ein Irrweg. Der Übermensch würde all dies abwerfen und dadurch einen höheren, mächtigeren Zustand erreichen.
„Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen, welche dichten und gottsüchtig sind; wüthend hassen sie den Erkennenden und jene jüngste der Tugenden, welche heisst: Redlichkeit.“ (S. 37)
Die Menge lacht Zarathustra aus. Dieser bietet ihr daraufhin einen Gegenentwurf zum Übermenschen an: den "letzten Menschen", ein genügsames, zahmes, sehnsuchtsloses Wesen, das behaglich und durchschnittlich lebt und dabei glaubt, glücklich zu sein. Obendrein behauptet dieser "letzte Mensch", sein Glück "selbst erfunden" zu haben. Sollte er sich durchsetzen, dann werde es weder Arm noch Reich geben, alle Menschen wären gleich, alle Beschwerlichkeit würde vermieden und man würde nur noch zum Vergnügen arbeiten. Dieser Menschentypus mache alles Erhabene klein und sei nicht schöpferisch tätig.
„Von allem Geschriebenen liebe ich nur Das, was Einer mit seinem Blute schreibt. Schreibe mit Blut: und du wirst erfahren, dass Blut Geist ist.“ (S. 48)
Die Menge ist begeistert und ruft: "Gib uns diesen letzen Menschen!" Auf den Übermenschen könne sie dagegen gerne verzichten.
Zarathustra wird klar, dass er nicht zur Menge reden kann, sondern dass er für die Weitergabe seiner Ideen selbstständig denkende Gefährten braucht, Gefährten, die bereit sind, sich selbst zu finden. Er will also nicht der Hirt einer Herde sein und die Masse führen, sondern vielmehr ein Räuber, der dieser Herde einzelne, besondere Wesen entreißt und mit sich nimmt. Als erste Gefährten findet Zarathustra einen Adler (das stolzeste Tier) und eine Schlange (das klügste Tier).
Zarathustras Jünger
Nun begibt er sich immer wieder auf Wanderschaft. Regelmäßig steigt er von seinem einsamen Berg herunter, redet zu den Menschen und zieht sich dann wieder in die Einsiedelei zurück. Auf seinem Weg folgt er keiner festen Marschroute, sondern wandert mal in die Stadt, "die bunte Kuh", mal durch die Wälder. Immer wieder trifft er Menschen, manchmal auch Tiere, mit denen er sich unterhält. Im Wald spricht er mit einem grüblerischen Jüngling, der ihm zuerst ausweichen will. Zarathustra erzählt das Gleichnis vom Baum: Je mehr er in die Höhe will, desto tiefer gräbt er sich ins Erdreich - genauso wie viele Menschen, die nach dem Guten streben und sich dabei immer mehr ins Böse verbeißen. Der Jüngling fühlt sich ertappt. Die beiden sprechen darüber, wie beängstigend es ist, hinter dem Guten das Böse zu entdecken - und vor allem wie beängstigend es ist, das Böse in sich selbst zu entdecken.
„Staat nenne ich's, wo Alle Gifttrinker sind, Gute und Schlimme: Staat, wo Alle sich selber verlieren, Gute und Schlimme: Staat, wo der langsame Selbstmord Aller - ‚das Leben' heisst.“ (S. 62)
Einmal beißt eine Natter Zarathustra in den Hals, saugt ihr Gift aber wieder auf, als Zarathustra ihr sagt, dass sein "Gift" stärker und grausamer sei als das ihre. Später erklärt er seinen Jüngern: Er selbst sei das Unmoralische schlechthin, er sei noch unmoralischer als die Schlange, die ja als Sinnbild des Bösen gilt. In weiteren Reden macht sich Zarathustra über die Welt seiner Zeitgenossen lustig: Keuschheit und Prüderie, Krieg und Staat, Partnerschaft, Erziehung, das Verhältnis von Mann und Frau etc. Zarathustra geißelt z. B. den Staat als Ersatzreligion, die sich nach dem Tode Gottes etabliert habe und den Menschen ähnlich wie eine Religion entmündige.
„Nicht den Nächsten lehre ich euch, sondern den Freund. Der Freund sei euch das Fest der Erde und ein Vorgefühl des Übermenschen.“ (S. 78)
Außerdem verspottet er die Prüderie und Körperfeindlichkeit und wendet sich gegen die Verächter des Leibes: Der Körper und die Leidenschaften seien genauso wie die Gedanken Bestandteile des Menschen und sollten daher nicht zugunsten der Vernunft unterdrückt werden. Auch in Sachen Freitod zeigt sich Zarathustra als unbedingter Verfechter der menschlichen Freiheit: Der Mensch habe das Recht, zu einer ihm selbst passenden Zeit zu sterben, und damit auch, seinen Tod selbst herbeizuführen. Niemand solle zur Geduld und zu einem langsamen Tod gezwungen werden. Die Feigheit sei kein guter Ratgeber, und Zarathustra belächelt diejenigen, die zu ängstlich zum Selbstmord sind.
„Gott ist eine Muthmaassung; aber ich will, dass euer Muthmaassen nicht weiter reiche, als euer schaffender Wille. Könntet ihr einen Gott schaffen? - So schweigt mir doch von allen Göttern! Wohl aber könntet ihr den Übermenschen schaffen.“ (S. 109)
Überhaupt ermutigt er die Menschen, auf die eigenen Bedürfnisse und Leidenschaften zu hören, tapfer zu sein und Risiken einzugehen, sogar das Risiko des eigenen Todes: Auf Biegen und Brechen am Leben festzuhalten sei zwar weit verbreitet, aber die falsche Einstellung. Er wiederholt auch seine Absage an das Jenseits: Jede Vorstellung, jenseits des Irdischen gebe es etwas anderes, Besseres, sei falsch.
„Wo ich Lebendiges fand, da fand ich Willen zur Macht; und noch im Willen des Dienenden fand ich den Willen, Herr zu sein.“ (S. 147 f.)
Auch der Übermensch sei nicht etwas jenseits des Menschen, sondern nur aus dem Menschen, aus dem menschlichen Dasein selbst zu erschaffen - allerdings wohl nur unter großen Mühen. Denn auch bei "den Größten" habe Zarathustra den Übermenschen noch nicht gefunden. Dieser Übermensch könne sich nur aus der Einsamkeit entwickeln und damit aus der Distanz zur Masse und ihren Werten und Geschmäckern. Er müsse aus sich selbst heraus eigene Werte schaffen. Überhaupt sei das kreative Schaffen die einzige Rettung des Menschen.
„Oh meine Brüder, bin ich denn grausam? Aber ich sage: was fällt, das soll man auch noch stossen! Das Alles von Heute - das fällt, das verfällt: wer wollte es halten! Aber ich - ich will es noch stossen!“ (S. 261 f.)
Schließlich verlässt Zarathustra seine wenigen Jünger, damit sie sich selbstständig auf die Suche nach dem Übermenschen begeben. Er betont, er selbst sei nicht dieser Übermensch und sie sollten nicht ihm folgen, sondern nur sich selbst. Zarathustra kehrt in seine Bergwelt zurück und überlässt die Jünger sich selbst.
Der Wille zur Macht und die ewige Wiederkehr
Der Einsiedler führt mehrere Dialoge mit anderen Menschen, z. B. als sich ihm ein Buckliger in den Weg stellt und fragt: "Warum soll ich an dich glauben?" Zarathustra überrascht ihn mit seiner Antwort: Nicht der sei ein Krüppel, dem ein Körperteil fehle oder der missgestaltet sei. Viel entstellter seien die, die nur aus Augen, nur aus Ohren oder nur aus Nasen bestünden und deren restliche Teile, vor allem die Seele, völlig verkrüppelt seien. Sie hätten von einer Sache zu viel und von dem ganzen Rest zu wenig. Daraufhin zieht sich der Bucklige zurück.
„Mein Seufzen sass auf allen Menschen-Gräbern und konnte nicht mehr aufstehn; mein Seufzen und Fragen unkte und würgte und nagte und klagte bei Tag und Nacht: - ‚ach, der Mensch kehrt ewig wieder! Der kleine Mensch kehrt ewig wieder!'“ (S. 274)
Zarathustra spricht nun vermehrt davon, dass er "seinen Freunden" Erkenntnis bringe. Er sei der "Nordwind", der die reifen Feigen seiner Lehre von den Bäumen blase und seinen Mitmenschen zum Genuss vor die Füße fallen lasse. Gleichzeitig werden seine Reden schwermütig: Er ängstigt sich, dass seine Theorien und Lehren gefährdet sind. In einem Traum erscheint ihm ein Kind, das ihm einen Spiegel vorhält. Zarathustra erkennt darin eine teuflische Fratze. Er versteht diesen Traum als Mahnung, dass die reine Lehre sich leicht in das Gegenteil verkehrt und zu "Unkraut" wird, anstatt "Weizen" zu sein.
„Wohlan! Wohlauf! Ihr höheren Menschen! Nun erst kreisst der Berg der Menschen-Zukunft. Gott starb: nun wollen wir, - dass der Übermensch lebe.“ (S. 357)
In einer seiner Reden geißelt er die Taranteln (große Spinnen) als Sinnbild für die Rachsucht, die sich nur gegen den Menschen stellt, anstatt etwas Neues hervorzubringen. Er selbst will sich nicht auf die Seite der hämischen Menschenverächter stellen, sondern für die Menschen da sein. Und er fragt: Was ist Wahrheit, wenn es keine absolute Wahrheit mehr gibt? Gerade dem, der Neues schafft, der kreativ ist und selbst denkt, stellt sich die Frage: Ist meine Perspektive die richtige? Woher weiß ich, dass das, was ich will, das Wahre ist?
„Schmerz ist auch eine Lust, Fluch ist auch ein Segen, Nacht ist auch eine Sonne, - geht davon oder ihr lernt: ein Weiser ist auch ein Narr.“ (S. 402)
Außerdem spricht Zarathustra wieder über die Idee des Übermenschen. Der schaffende, kreative Mensch sei es, der auf dem richtigen Weg sei, ein Übermensch zu werden, der also diesem Ideal nachstrebe. Der schaffende Mensch überwinde sich selbst, betreibe die "Umwertung aller Werte" und setze neue Maßstäbe. Was ihn dabei antreibt, ist laut Zarathustra der "Wille zur Macht": Das Wollen sei es, das befreie; der Wille könne aus der Unfreiheit führen, wenn er sich von allem Vergangenen löst, nicht mit dem Gewesenen hadert, sondern sagt: Ich habe es gewollt. Und für alles Zukünftige strebt der Wille rücksichtslos nach Höherem - ohne auf Versöhnung mit dem Überlieferten zu achten.
„Oh Mensch! Gieb Acht! / Was spricht die tiefe Mitternacht? / ‚Ich schlief, ich schlief -, / Aus tiefem Traum bin ich erwacht: - / Die Welt ist tief, / Und tiefer als der Tag gedacht. / Tief ist ihr Weh -, / Lust - tiefer noch als Herzeleid: / Weh spricht: Vergeh! / Doch alle Lust will Ewigkeit -, / - will tiefe, tiefe Ewigkeit!'“ (S. 404)
Dieser Wille zur Macht ist für Zarathustra nicht Raffgier oder Bereicherung im politischen oder wirtschaftlichen Sinn, sondern ein Wille zur Erkenntnis. Wobei der Einsiedler einräumt, dass diese Wissbegier auch immer Machtgier sei - ein Streben nach Wissen ohne Machtstreben gebe es demnach nicht. Wer also behauptet, nach der reinen Weisheit zu suchen, lügt. Zarathustra verurteilt dieses Machtstreben nicht, im Gegenteil: Der Schaffende soll ja sein Wissen mit Macht verbinden, damit er eine neue Welt mit völlig anderen Werten setzen und das Alte gründlich überwinden kann.
Zarathustra verkündet dann die Idee der ewigen Wiederkehr: Alles Menschliche wiederhole sich, und auch der einzelne Mensch müsse damit rechnen, sein Leben noch ein weiteres Mal leben zu müssen. Die Idee der ewigen Wiederkehr bedeutet: Der Mensch - insbesondere der denkende, schaffende Mensch - muss das Leid aushalten, das ihm das immer Gleiche verschafft; er muss lernen, nach Höherem zu streben, obwohl er damit rechnen muss, dass vielleicht doch alles beim Alten bleibt. Doch anstatt daran zu verzweifeln, soll er diese ewige Wiederkehr als Chance sehen, nämlich als Chance für Sinn: Das Menschliche ist beständig und damit auch verlässlich; die Welt wird nicht von einem Tag zum anderen völlig umgekrempelt und unverständlich. Der Mensch muss lernen, den Augenblick zu leben. Dies werde für ihn allerdings umso schwerer, da Gott ja tot sei - der Mensch kann sich also nicht aus dem ewig Gleichen davonstehlen, indem er an etwas anderes, Neues nach dem Tod glaubt.
Das Fest
Zarathustra spricht und singt nun oft in gedichtartigen Versen. Er sucht weiterhin nach dem höheren Menschen und sieht sich dabei selbst als "Zuchtmeister", der die Menschen zur Selbstüberwindung erzieht. Doch diese Höherentwicklung ist in Gefahr: Zu groß ist die Macht des ewig Gleichen, zu stark der Eindruck, dass die Suche nach Veränderung ergebnislos bleiben wird. Zarathustra empfindet Mitleid mit den Menschen und sucht nun aktiv nach dem höheren Wesen. In seiner Höhle sammelt er allerlei wunderliche Gestalten um sich: Freigeister, Könige, Bettler, Denker, Zauberer - sie alle sind außergewöhnliche Individuen, in denen Zarathustra beglückt "höhere Menschen" entdeckt. Allerdings haben sie doch alle einen Makel: Sie entsprechen seiner Lehre - aber nie ganz. Der Freigeist ist frei im Sinne des Einsiedlers, aber er gibt sich der vollkommenen Beliebigkeit hin, und diese will Zarathustra nicht: Denn der Übermensch entscheidet sich und bleibt dabei. Und die Könige treten zwar mit Worten für Mut und Risiko ein - doch sie sind selbst gar nicht kämpferisch und einsatzfreudig.
Abends findet ein Fest statt. Hier trifft der Einsiedler auf verschiedene Vertreter des europäischen Gedankengutes. Man singt "Zarathustras Rundgesang", in welchem die Lust über das Leid triumphiert: "Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit." Zarathustra verabschiedet sich und verlässt das Fest mit unbekanntem Ziel.
Zum Text
Aufbau und Stil
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Die Teile eins und vier besitzen eine Rahmenhandlung, die Teile zwei und drei bestehen nur aus den Reden Zarathustras. Am Anfang des ersten Teils steht eine Vorrede, die Zarathustra als Person einführt. Es folgen 22 Reden im ersten, 22 im zweiten und 16 im dritten Teil. Der vierte Teil (20 Reden) bildet den szenischen Höhepunkt und Abschluss des Werkes: Nietzsche lässt hier eine Art geistesgeschichtliches Kabarett auftreten, bevor Zarathustra sich von der Bühne verabschiedet. Das prägende rhetorische Element der Reden Zarathustras ist der Aphorismus, der geistreiche, knapp formulierte Gedanke. Zudem arbeitet Nietzsche mit einer Fülle von Assoziationen, Metaphern, Gleichnissen und Allegorien. Der Leser sieht sich abwechselnd mit blumigen Gedankenspielen und glasklaren Aussprüchen konfrontiert. In den ersten Teilen des Buches werden Lieder eingestreut, im vierten Teil nutzt Nietzsche Dithyramben (überschwängliche, gedichtartige Texte in freier Versform), die ihr Vorbild in den hymnischen Anrufungen des Gottes Dionysos haben. Zarathustra argumentiert nicht, sondern er verkündet. Der Aufbau der Reden erinnert an eine Liturgie, z. B. endet jede Rede mit einem "Amen" der besonderen Art: "Also sprach Zarathustra." Dadurch entsteht ein fast religiös-heilsverkündender Eindruck, obwohl Zarathustra sich gerade nicht als Prophet oder Messias versteht. Das Buch ist keine methodische Abhandlung und unterscheidet sich von allen philosophischen Schriften der Neuzeit. Es ist ein poetisch-philosophisches Werk und in seiner ausgefeilten Rhetorik und in seinem Stil einzigartig.
Interpretationsansätze
- Der geschichtliche Zarathustra ist ein altpersischer Religionsstifter. Bei Nietzsche ist er das Gegenteil eines Religionsstifters, nämlich der Verkünder der Erkenntnis: "Gott ist tot!"
- An die Stelle Gottes tritt die Idee des Übermenschen. Diese aristokratische Elitefigur ist das Ziel, nach dem die Menschen streben sollen. Für Leben und Schaffen des Übermenschen gilt: Er ist risikobereit bis hin zur Todesverachtung, vital, kompromisslos, und er vertraut nur sich selbst. Der Übermensch soll den "letzten Menschen", den Durchschnittsmenschen, überwinden.
- Im Zarathustra kämpft Nietzsche mit dem Nihilismus und überwindet ihn. Das Nichts, das Negative, das Passive bedroht den Übermenschen, also gilt es, sich doch für etwas - also bestimmte Werte - einzusetzen. Einer dieser Werte ist das Leben: das kämpferische, schaffende, sinnvolle Leben.
- Die Idee der ewigen Wiederkehr ist völlig neu. Nietzsche meint wohl nicht die exakte Wiederkehr des gleichen Weltzustands. Sondern: Menschliche Prinzipien, menschliches Sein kehrt immer wieder. Dadurch bekommt der Mensch Erdung und Sinn. Anstatt nur die tote Vergangenheit hinter sich und die ungewisse Zukunft vor sich zu haben, weiß er, dass eines gleich bleibt: er selbst. Ein Trostgedanke für die Menschen nach dem Tod Gottes.
- Der aphoristische Stil des Werks lässt viele Interpretationen zu, da er dazu verleitet, einzelne Sätze aus dem Kontext zu reißen. So ließ sich der Zarathustra auch durch die Brille der Herrenmenschenideologie der Nazis lesen. Eine gemäßigte Interpretation sieht in dem Werk die Suche nach einem besseren Menschsein jenseits von Verlogenheit und Durchschnittlichkeit.
- Der Zarathustra kündigt Nietzsches Spätzeit an: das letzte, genialische Aufbäumen eines Denkers, der an der Welt scheitert und verrückt wird.
Historischer Hintergrund
Zu Nietzsches Stellung in der modernen Philosophie
Nietzsche lässt sich keiner philosophischen Schule zuordnen, dafür war er zu eigenständig in seinem Denken. Zudem lebte er in einer Zeit, die nicht durch Schulen geprägt war, in der vielmehr alte Gedankengebäude überwunden wurden und sich Einzelfiguren hervortaten. Nietzsche, der fanatische Leser, dachte die Philosophie des 19. Jahrhunderts konsequent zu Ende - um sie zu überwinden. Er kritisierte die Vernunftgläubigkeit der Aufklärung, die das vernünftig handelnde Subjekt als Ausgangspunkt ihrer Gesellschaftstheorien nahm. Nietzsche hielt es für eine Illusion, alles Menschliche auf Basis der Vernunft zu konstruieren, weil die Vernunft nur ein Teil des Menschen ist: Wer sie auf ein Podest erhebt, missachtet den Körper und die Leidenschaften. Der Leib, der Rausch, der Impuls gehören genauso zum Menschen wie die Rationalität. Damit nahm der Philosoph die Grundgedanken Sigmund Freuds vorweg. Außerdem erteilte Nietzsche dem deutschen Idealismus eine Absage. Insbesondere Hegel hatte die gesamte Wirklichkeit aus einem einzigen Prinzip zu erklären versucht. Nietzsche attackierte jede Art von angeblich in sich geschlossenen Gedankengebäuden, von Systemen, die wichtige Teile der Wirklichkeit ausschließen. Damit passt er am ehesten in die Gesellschaft solcher Denker wie Arthur Schopenhauer und Sören Kierkegaard: Mit diesen zusammen bildete Nietzsche eine Art romantische Reaktion gegen die starren Gedankengebilde hegelianischer Prägung. Und es war Nietzsche, der als erster Denker der Moderne deutlich machte, welche Auswirkungen der Zerfall aller metaphysischen oder religiösen Gedankengebäude auf den Menschen hat. "Gott ist tot": Damit brachte er das Ende aller Hoffnungen auf den Punkt. Der moderne Mensch ist auf sich selbst gestellt, absolute Gewissheiten und eine universelle Moral gibt es nicht mehr, insbesondere keine christliche. Mit Nietzsche hielt der Nihilismus Einzug und mit ihm Gedanken, die bis heute aktuell sind: Wie lässt sich das Leben richtig, gut und sinnvoll leben, wenn kein höherer Sinn, keine Orientierung vorgegeben ist?
Entstehung
Nietzsche sprach selbst von 18 Monaten der "Schwangerschaft", bis der erste Teil des Zarathustra "geboren" war. 1881 hatte ihn in Sils-Maria im Engadin - seinem Lieblingsort, an dem er nach seinem gesundheitlichen Zusammenbruch Ruhe fand - der Gedanke der ewigen Wiederkehr bei einer Wanderung "überkommen". Nietzsche nannte dieses Erlebnis ausdrücklich eine "Erleuchtung". Manche Interpretatoren sehen in der Figur des Zarathustra den Philosophen selbst, der in seiner Lieblingslandschaft, dem Oberengadin, vom Berg ins Tal hinabsteigt, um den Menschen Weisheit zu bringen. Der erste Teil des Zarathustra floss ihm aus der Feder, die empfangenen Gedanken drängten sich geradezu aufs Papier, und die Erleuchtungserfahrung führte zu dem verkündenden, nicht argumentativen Stil. Er schrieb ihn im italienischen Rapallo, einem weiteren Lieblingsort des rastlos Reisenden. Auch die Teile zwei und drei entstanden in nur wenigen Wochen, nur der vierte Teil quälte ihn länger. Nach dem dritten Teil schrieb Nietzsche in einem Brief: "Es ist vollbracht", verfasste aber dann doch noch einen vierten. Zeitweise schwebten ihm sogar fünf oder sechs vor, doch dies scheiterte wohl am mangelnden Erfolg der bereits veröffentlichten Teile. Nietzsches Meinung von seinem Text ist von keinerlei Selbstkritik gekennzeichnet; er glaubte, die deutsche Sprache "zur Vollendung gebracht zu haben". Die frauenfeindlichen Tendenzen des Buches fußen wohl auf einer kurzen, unglücklichen Liebesbeziehung zu Lou Andreas-Salomé.
Wirkungsgeschichte
Die ersten Teile des Zarathustra verkauften sich so schlecht, dass Nietzsche Schwierigkeiten mit seinem Verleger bekam. Doch kurz vor der Jahrhundertwende traf das Werk plötzlich den Zeitgeist des Fin de Siècle, der sich gegen Bildungsphilistertum und Dekadenz wendete und die Idee des Übermenschen begeistert aufnahm: Zarathustra erlebte einen Boom. Nietzsches Stil füllte eine Lücke im schriftstellerischen Schaffen der Zeit und nahm den expressionistischen Stil des beginnenden 20. Jahrhunderts vorweg. Zahlreiche Schriftsteller von Thomas Mann bis Robert Musil wurden durch ihn beeinflusst. Richard Strauss gab seiner bekannten Tondichtung den Titel Also sprach Zarathustra. Aber auch der Mörder des österreichischen Thronfolgers - das Attentat löste den Ersten Weltkrieg aus - las ihn regelmäßig, und deutsche Soldaten stärkten ihren Durchhaltewillen mit der Lektüre. Der "Übermensch" und der "Wille zur Macht" wurden zu einer Art Mythos, in dem jeder das lesen konnte, was er darin lesen wollte. Als Nietzsche nach dem Ersten Weltkrieg erstmals als ernsthafter Philosoph rezipiert wurde, spielte Zarathustra in Fachdiskussionen kaum eine Rolle, wohl aber weiterhin beim Publikum. Die Nazi-Ideologie griff die Idee vom Übermenschen auf. In der DDR wurde Nietzsche wegen dieser ideologischen Nähe totgeschwiegen, auch im Westen blieb er vielen suspekt. Das Nietzsche-Archiv in Weimar wurde erst in den 80er Jahren voll zugänglich. Dies führte zu einer Neubewertung im Zusammenhang mit der Werkgeschichte und der Biographie Nietzsches.
Über den Autor
Friedrich Nietzsche wird am 15. Oktober 1844 im sächsischen Röcken geboren. Seine Kindheit ist vom strengen Protestantismus des Elternhauses sowie vom frühen Tod des Vaters geprägt. 1864 beginnt er in Bonn ein Studium der klassischen Philologie und wechselt später nach Leipzig. Mit 24 Jahren wird der begabte Student auf eine Professur in Basel berufen. Mit seinem unkonventionellen Werk Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (1872) brüskiert er seine Fachkollegen und wendet sich der Philosophie zu. Seine Unzeitgemäßen Betrachtungen (1873–1876) stehen unter dem Einfluss Arthur Schopenhauers. Mit dem Text Richard Wagner in Bayreuth (1876) setzt Nietzsche seiner Freundschaft mit dem Komponisten ein Denkmal. Kurz darauf bricht er jedoch mit ihm, u. a. wegen Wagners Hinwendung zum Christentum. Mit Menschliches, Allzumenschliches (1878) wendet Nietzsche sich auch von Schopenhauer ab. 1879 gibt er wegen einer dramatischen Verschlechterung seines Gesundheitszustands das Lehramt in Basel auf. Er leidet unter schweren migräneartigen Kopf- und Augenschmerzen. Die folgenden zehn Jahre sind von gesundheitlichen Krisen geprägt, denen er mit Aufenthalten in der Schweiz, in Italien und in Frankreich zu entgehen versucht. In diesen Jahren erscheinen Nietzsches Hauptwerke: Morgenröte (1881), Die fröhliche Wissenschaft (1882), Also sprach Zarathustra (1883–1885), Jenseits von Gut und Böse (1886) und Zur Genealogie der Moral (1887). Im Januar 1889 erleidet er in Turin einen geistigen Zusammenbruch: Aus Mitleid mit einem geschlagenen Droschkengaul umarmt er weinend das Tier und fällt später in eine vollständige geistige Umnachtung; möglicherweise ist Syphilis die Ursache. Er stirbt am 25. August 1900 in Weimar. Nach Nietzsches Tod erscheint auf Betreiben seiner Schwester das Buch Der Wille zur Macht, eine unabgeschlossene Sammlung von Aphorismen, die lange als Nietzsches Hauptwerk gelten. Heute stuft die Forschung diesen Text aufgrund vieler Verfälschungen durch die Schwester als sehr unzuverlässig ein. Zeugnis der letzten Schaffensphase Nietzsches und des zunehmenden Größenwahns legt Ecce homo ab, Nietzsches eigenwillige Autobiografie, die 1908 erscheint.
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Ich denke auch, dass der Preis für das Jahresabo "too much" ist. Und ich mache mir schon jetzt Gedanken, ob ich den Abopreis für 2019 noch leisten kann als Rentenbezüger …
Sry. Merkwürdig!